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El Salvador: Bitcoin wird legales Zahlungsmittel

Das kleine El Salvador in Mittelamerika macht als erstes Land der Welt den Bitcoin zur legalen Währung. Notenbanker, Finanzjongleure, Wissenschaftler und Regierungen sind skeptisch.

Bitcoin. Symbolbild: Flickr, CCO1.0

Bitcoin. Symbolbild: Flickr, CCO1.0

Ende August wurde wohl auch dem letzten Salvadorianer klar, wie ernst es Präsident Nayib Bukele mit dem Vorhaben ist, den Bitcoin als legale Währung zu implementieren. In ganz El Salvador ließ die Regierung 200 Geldautomaten aufstellen, an denen von Dienstag an die Landeswährung US-Dollar gegen die Kryptowährung getauscht werden kann. Dann soll die Bevölkerung an Tankstellen und in Supermärkten mit dem virtuellen Geld zahlen. Auch die Steuern sollen so entrichtet werden können. Gerade erst beschloss das Parlament einen staatlichen Treuhandfonds über 150 Millionen US-Dollar, um das Währungsrisiko abzusichern. 

"Experiment nicht von dieser Welt"

Als erster Staat macht das kleine zentralamerikanische El Salvador also ernst und wertet den Bitcoin zur offiziellen Währung und somit zum legalen Zahlungsmittel auf. Notenbanker, Finanzjongleure, Wissenschaftler und Regierungen auf dem ganzen Globus schauen mit großem Interesse auf diesen Modellversuch. Es sei ein „Experiment nicht von dieser Welt“, urteilt Dante Mossi, Präsident der Zentralamerikanischen Bank für Wirtschaftsintegration (CABEI). Der Internationale Währungsfonds bezeichnet das Vorhaben als „finanziell und regulatorisch“ zu riskant und verweigerte El Salvador Unterstützung bei der Einführung des Bitcoin. Und der Entwicklungsökonom und Zentralamerika-Experte Christian Ambrosius hält das Projekt für eine „verrückte Idee“ aus zweifelhaften Motiven und mit unbekanntem Ausgang.
 
Staatschef Bukele stößt auch bei seinen 6,5 Millionen Einwohnern auf Widerstand bei der Umstellung. Kaum waren die Geldautomaten in dem Land von der Größe Hessens installiert, gingen wie seit Wochen schon erneut Protestierer auf die Straße: Hunderte Arbeiter und Rentner demonstrierten in der Hauptstadt San Salvador gegen die Krypto-Pläne. „Bukele, wir wollen den Bitcoin nicht“ und „Nein zu Geldwäsche“ stand auf den Transparenten. Vor allem die Pensionäre fürchten, dass ihnen künftig ihre Renten nur noch in Kryptowährung ausgezahlt werden. 

Sorge vor wachsendem Autoritarismus

In einer Umfrage der Universität Francisco Gavidia in San Salvador sprachen sich Anfang Juli 77 Prozent der Befragten gegen die Einführung des Bitcoin aus, sie hielten das für „unklug“. Und die Opposition zog wegen eines angeblichen Verfassungsverstoßes vor Gericht. Dahinter steckt auch die Angst, dass Bukele das Land immer weiter in den Autoritarismus führt. Er tauschte widerständige Richter am Verfassungsgericht aus, schickt schon mal das Militär ins Parlament, um Gesetze zu erzwingen, schikaniert kritische Reporter und verhandelt heimlich mit der Organisierten Kriminalität. Am Wochenende hob zudem das neu besetzte Verfassungsgericht das Wiederwahlverbot auf. So kann der Anti-Demokrat also 2024 für eine neue Amtszeit kandidieren. Die USA, wichtigster Partner El Salvadors, sehen Bukeles Handeln mit wachsender Besorgnis. 
 
Anfang Juni hatte das von seiner Partei „Neue Ideen“ kontrollierte Parlament das gerade einmal zwei Seiten umfassende Bitcoin-Gesetz über Nacht verabschiedet. Der 40-jährige Autokrat, der sich mit Lederjacken, falsch herum aufgesetzten Baseball-Kappen und seiner Twitter-Diplomatie ein Hipster-Image gibt, rechtfertigt die Bitcoin-Einführung damit, dass so die hohen Kosten für die Überweisungen der im Ausland lebenden Salvadorianer wegfallen oder geringer würden. „Unsere Leute zahlen 400 Millionen Dollar pro Jahr an Überweisungsgebühren. Allein diese Einsparungen werden ein großer Vorteil sein“, machte Bukele über den Kurznachrichtendienst Twitter Werbung. 

Gebühren für Geldüberweisungen sollen sinken

Rund ein Drittel der salvadorianischen Bevölkerung lebt fern der Heimat, davon knapp zwei Millionen in den USA. Die Auslands-Salvadorianer überwiesen im Vorjahr fast sechs Milliarden Dollar an ihre Familien in der Heimat. Etwa 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts von El Salvador stammen aus diesen Geldtransfers. Ein weiteres Argument: Weniger als die Hälfte der Bevölkerung hat kein Bankkonto. „Alle Welt schaut, wie das mit dem Bitcoin in El Salvador funktioniert und ob die Kosten für die Geldüberweisungen stark sinken“, unterstreicht CABEI-Chef Mossi, dessen Experten die Regierung bei der Bitcoin-Implementation beraten haben. Denn El Salvador könnte Vorbild für diejenigen Länder Zentralamerikas sein, die eine ähnliche Wirtschaftsstruktur haben wie vor allem Honduras und Guatemala.
 
Kaum war das Krypto-Gesetz in der Welt, hagelte es Kritik. Ein Land, das seit 2001 in einem „verrückten Geldsystem (Dollarisierung) gefangen“ sei bewege sich auf ein noch verrückteres System zu. „Es ist schwer, einen Grund zu finden, wie das gut ausgehen könnte", fasste Dani Rodrik, Ökonom an der Harvard-Universität als einer der ersten seine Bedenken zusammen. Auch Volkswirt Christian Ambrosius, Professor am Lateinamerika-Institut der Freien Universität Berlin, ist skeptisch und fragt, für wen die Bitcoin-Einführung Vorteile bringen soll: „Es war eine Hals- über Kopf-Entscheidung, die mit wenig Vorbereitung und wenig Transparenz getroffen wurde“. Es sehe so aus, als habe Bukele die Aufmerksamkeit der globalen Investoren und der Krypto-Gemeinde im Sinn gehabt als das Wohl der eigenen Bevölkerung. Bukele kokettiert offen mit der Marktkapitalisierung des Bitcoins, die aktuell bei rund 901,5 Milliarden Dollar liegt, und hofft, dass davon vielleicht ein paar Prozent künftig in seinem Land investiert werden.
 
„Investoren freuen sich tatsächlich und sehen die Möglichkeit, eine spekulative Währung in reale Güter verwandeln zu können“, sagt Ambrosius im Gespräch mit dieser Zeitung. Aber anders als von der Regierung argumentiert, schaffe der Bitcoin keine „finanzielle Inklusion“. Dazu bräuchte es Chancen für den Vermögensaufbau, Absicherung gegen finanzielle Risiken und Zugang zu günstigen Krediten und Versicherungen. Dies leiste ein Zahlungsmittel wie der Bitcoin nicht. 

Kritik: Bitcoin fördert Geldwäsche und Schwarzmarkt

Ambrosius vermutet, Bukele wolle mit der Bitcoin-Ökonomie eine Nische im globalen Finanzsektor besetzen, ähnlich wie es Panama mit seinen Banken und Steuermodellen tut. Mit allen Gefahren, die das mit sich bringt, vor allem der, „Anlaufpunkt für Geldwäsche und Schwarzmarkt-Aktivitäten“ zu werden. Krypto sei ja gerade aus der Idee entstanden, Finanztransaktionen dem Staat und dessen Regulierung zu entziehen. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass El Salvador parallel zur Verabschiedung des Bitcoin-Gesetzes die Zusammenarbeit mit den Korruptionsermittlern der Internationalen Kommission gegen Straflosigkeit in El Salvador (CICIES) aufkündigte.
 
Je näher der 7. September rückt, desto häufiger werden die Proteste. Immer ist der Tenor: die Verwendung von Bitcoin sei nicht im Interesse der Bevölkerung. Kaum eine Woche vor dem Stichtag äußerten Hunderte Demonstranten die Befürchtung, dass der volatile Wert des Bitcoins die oft knappen Ersparnisse und Einkommen der Menschen zerstören könne. „Wir wissen, dass diese Kryptowährung drastisch im Wert variiert“, sagte der Gewerkschafter Stanley Quinteros. „Er ändert sich von einer auf die andere Sekunde und wir haben darüber keine Kontrolle“. 

Wertschwankungen können Insolvenzen verursachen

Auch Teile der salvadorianischen Wirtschaft sehen das so. Der „Verband der Internationalen Frachtunternehmen“ (ASTIC) will sich bei Bitcoin-Zahlungen mit einer Gebühr von 20 Prozent vor den Aufs und Abs schützen. Die Ängste sind berechtigt. In diesem Jahr schwankte ein Bitcoin zwischen 24.111 Euro im Januar und fast 50.000 Euro im April. Anfang September lag der Wert bei 401.700 Euro. „Mit einer solchen Fluktuation steigen die Gefahren von Unternehmenspleiten und Privatinsolvenzen“, sagt im Gespräch Pavel Vidal, kubanischer Ökonom an der Javeriana-Universität im kolumbianischen Cali, der sich mit der Einführung der Kryptowährung in Kuba beschäftigt hat. In El Salvador, wo ein Drittel der Menschen in Armut lebt, birgt das großen sozialen Sprengstoff.

Autor: Klaus Ehringfeld

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