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El Salvador - das neue Panama?

Als erstes Land der Welt hat El Salvador Bitcoin zur offiziellen Währung gemacht. Ist das nun gut für ärmere Menschen oder ein Weg zum Schwarzmarkt-Paradies à la Panama?

Als erstes Land der Welt hat El Salvador Bitcoin zur offiziellen Währung gemacht. Der Weg zum Schwarzmarkt-Paradies? Foto: Jose Cabezas/REUTERS

Es ist ein gewagtes Experiment, das weltweit für Furore sorgt: Ab September wird die Kyptowährung Bitcoin legales Zahlungsmittel in El Salvador. Anfang Juni verabschiedete das von Präsident Nayib Bukele kontrollierte Parlament im Schnellverfahren ein entsprechendes Gesetz. Über die Motivation hinter der Entscheidung wird seitdem gerätselt.

"Ein Land, das in einem verrückten Geldsystem (Dollarisierung) gefangen ist, bewegt sich auf ein noch verrückteres System zu. Es ist schwer, einen Grund zu finden, wie das gut ausgehen könnte", fasste der angesehene Harvard-Ökonom Dani Rodrik sein Erstaunen in einem Tweet zusammen.

"Es fällt auf, dass Bukele sich in seinen Erklärungen vor allem an die Investoren gewandt und im eigenen Land wenig zu dem Gesetz erklärt hat", sagt der Politikwissenschaftler und Zentralamerika-Experte Christian Ambrosius von der FU Berlin.

Vorgeschobene Argumente für Bitcoin

Für die Legalisierung des Bitcoin werden immer wieder zwei Vorteile genannt: Er würden armen Menschen, von denen viele kein Bankkonto besitzen, einen besseren Zugang zu Zahlungssystemen bieten und die hohen Gebühren entfallen, wenn Salvadorianer im Ausland Geld in ihre Heimat überweisen. Ambrosius hält beide Argumente für vorgeschoben und für nicht besonders stichhaltig. "Jeder, der Bitcoins verschicken möchte, kann dies auch jetzt schon tun. Dafür braucht es keine staatliche Genehmigung", sagt er. Zudem müssten viele Migranten vermutlich ihr Geld ersteinmal in Bitcoins tauschen und dabei fielen Transaktionskosten an.

Bitcoin benutzen zu dürfen oder zu müssen ist nicht gleichzusetzen mit finanzieller Inklusion, betont Ambrosius. "Finanzielle Inklusion, Zugang zu Finanzdienstleistungen, bedeutet: zuverlässige Sparoptionen, Zugang zu Krediten zu vernünftigen Konditionen, Zugang zu Versicherungen oder anderen Finanzprodukten." Aufgrund der großen Wertschwankungen sei der Gebrauch von Bitcoins letztendlich aber ein Glücksspiel. "Und da sind arme Menschen eher im Nachteil, weil sie nicht dieselben Möglichkeiten haben, ihr Risiko zu streuen. Das als finanzielle Inklusion zu verkaufen, ist zynisch."

El Salvador auf dem Weg zum Geldwäsche-Paradies?

Es stellt sich also die Frage: Was verspricht sich Präsident Bukele von der Einführung des Bitcoin? "Das ist es, worüber viele rätseln", sagt Ambrosius. Er kenne keinen seriösen Wirtschaftswissenschaftler, der den Plan El Salvadors für eine gute Idee halte. "Zum einen wegen der extremen Volatilität des Bitcoin; zum anderen ist das Land ja schon dollarisiert."

Seit Anfang 2001 ist der US-Dollar offizielles Zahlungsmittel in El Salvador. Dessen Einführung war damals - ähnlich wie heute die des Bitcoin - als Weg in Prosperität und Wohlstand beschrieben worden. Zwanzig Jahre später gehört El Salvador weiter zu den ärmsten Ländern der Hemisphäre.

Das Land benutzt also bereits ein fremdes Zahlungsmittel. "Das jetzt zu ergänzen um eine zweite Währung, über die man auch keine Kontrolle hat, die aber sehr viel volatiler ist, ist mit Blick auf die währungspolitische Stabilität kein besonders nachvollziehbarer Grund", sagt Ambrosius. Er vermutet, dass Bukele eine Marktnische für sein Land sieht, attraktiv für Bitcoin-Investoren zu werden.

"Vielleicht ist die Hoffnung, zu einer Art von Panama zu werden, das ja auch eine Ökonomie rund um den Finanzsektor aufgebaut hat." Der Experte vermutet, Bukele wolle etwas ähnliches in El Salvador rund um Kryptowährungen schaffen, "ein Paradies für alle möglichen finanziellen Schwarzmarkt-Aktivitäten und Geldwäsche."

Das Problem der Intransparenz

Transaktionen in Bitcoins seien zudem eine Möglichkeit, "sich einer Kontrolle über die eigenen finanziellen Transaktionen zu entziehen", sagt Ambrosius und verweist auf die antidemokratischen und autoritären Tendenzen Bukeles. So beschloss die Regierung erst Anfang Juni, die Zusammenarbeit mit den Korruptionsermittlern der Internationalen Kommission gegen Straflosigkeit in El Salvador (CICIES) zu beenden. Und vor wenigen Tagen veröffentlichte die US-Regierung die so genannte "Engel-Liste", eine Liste von zentralamerikanischen Beamten, denen Washington Korruption, Behinderung der Justiz oder Schwächung der Demokratie vorwirft. Darauf finden sich: Bukeles Stabschefin, sein Arbeitsminister und weitere Vertreter der Regierung.

Das Thema Transparenz ist vielleicht das größte Problem, sagt Ambrosius. Alles geschehe hinter verschlossenen Türen und auf Entscheidung eines einzelnen Mannes hin, der das politische System des Landes innerhalb seiner ersten beiden Regierungsjahre schon sehr umgekrempelt hat. Selbst die Weltbank zeigt sich skeptisch. Die von der Regierung angefragte technische Unterstützung bei der Implementierung des Bitcoin-Gesetzes lehnte sie wegen Intransparenz und Umweltbedenken ab.

Überhaupt ist die genaue Umsetzung unklar und ob El Salvador dazu technisch in der Lage sein wird. Zuletzt erklärte Bukele, die Verwendung des Bitcoin werde nicht verpflichtend sein. "Niemand wird Bitcoins akzeptieren müssen, wenn er es nicht will", so der Präsident.

Vieles sei weiterhin unklar, sagt Ambrosius und blickt skeptisch in die Zukunft. "Die Legalisierung des Bitcoins hat weitreichende Konsequenzen und wird das Land radikal verändern - auf eine relativ unbestimmte Art und Weise. Es ist ein großes Experiment, bei dem die Salvadorianer die Versuchskaninchen sind und keiner genau weiß, was am Ende dabei herauskommt."

Quelle: Deutsche Welle, Autor: Andreas Knobloch

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