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Peru: Pedro Castillo - Präsident der vertanen Chancen

Ein Jahr ist Pedro Castillo in Peru im Amt. Mit zahlreichen Versprechen ist er angetreten, doch er hat kaum etwas umsetzen können. Der ehemalige Dorflehrer scheint ein Opfer schlechter Berater, eigener Unzulänglichkeiten und eines Parlaments zu sein, das eigene Interessen verfolgt. 

Pedro Castillo Terrones am 7. Februar 2021 auf Wahlkampftour als Präsidentschaftskandidat für die Partei Perú Libre. Foto: Pedro Castillo Terrones, ANDINA/ Braian Reyna, CC BY 4.0

Pedro Castillo Terrones am 7. Februar 2021 auf Wahlkampftour als Präsidentschaftskandidat für die Partei Perú Libre. Foto: Pedro Castillo TerronesANDINA/ Braian ReynaCC BY 4.0

Die Vorsätze waren gut. „Eine Regierung mit dem Volk und für das Volk" wollte Pedro Castillo auf die Beine stellen. So hatte der ehemalige Dorfschullehrer mit indigenen Wurzeln es bei seiner Vereidigung am 28. Juli 2021 versprochen. Doch ein Jahr später sieht sich der Präsident, dessen Markenzeichen der breitkrempige Strohhut seiner Heimatregion Cajamarca ist, Kritik von links und rechts gegenüber. 

Kritik von rechts und links

Die von rechts war erwartet worden, so Carlos Herz, Entwicklungsexperte und Leiter einer katholischen Bildungs- und Forschungsinstitution in der Inkastadt Cusco. „Es war schon vor der Vereidigung von Pedro Castillo klar, dass die Partei von Keiko Fujmori, der unterlegenen Kandidatin von Fuerza Popular, alles unternehmen würde, um Pedro Castillo nicht in Ruhe regieren zu lassen.“ Das war auch in der Vergangenheit so, als die Tochter des ehemaligen Diktators Alberto Fujimori nicht nur den Ex-Präsidenten Pedro Pablo Kuczynski zu Fall brachte, sondern auch dessen Nachfolger Martín Vizcarra. Letzteren vor allem, weil er eine Verfassungsreform auf den Weg bringen wollte, die die Macht und die Möglichkeiten des als korrupt geltenden Parlaments beschneiden wollte. Eine Verfassungsreform steht auch auf der politischen Agenda von Pedro Castillo, der überraschend die Stichwahl zur Präsidentschaft mit gerade 45.000 Stimmen Vorsprung vor der konservativen Keiko Fujimori gewonnen hatte. Gegen Fujimori ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Korruption – und auch Castillo muss mit Ermittlungen rechnen, wenn er aus dem Amt scheidet. 

Korruption und Vetternwirtschaft

Hartnäckig halten sich die Vorwürfe gegen den Präsidenten und seine Familie, er würde sein Amt zugunsten von Familie, darunter Schwägerin Yenifer Paredes, und eventuell auch Freunden missbrauchen. Castillo streitet das ab, aber das Image des Präsidenten ist beschädigt. Laut Umfragen hat Castillo, der als Hoffnungsträger für die Demokratisierung des Landes angetreten war, nur noch 30 Prozent Zustimmung in der Bevölkerung. Castillo versprach eine neue Verfassung, wirtschaftliche Gerechtigkeit und eine Agrarreform, kombiniert mit staatlicher Sozialpolitik, sowie Investitionen in Bildung und Gesundheit. Sein Slogan "Keine Armen mehr in einem reichen Land" haben die Peruanerinnen und Peruaner noch im Ohr. Doch viele fühlen sich betrogen, weil die Versprechen auf die lange Bank geschoben werden. Selbst die Ansage, nicht im Präsidentenpalast leben zu wollen, hat der 52-jährige Pädagoge nicht umgesetzt. 

Enttäuschung bei den Wählern

Das sorgt für Enttäuschung unter seinen Anhängerinnen und Anhängern, vor allem aber auf dem Land, wo Castillo viele Stimmen erhielt, ist die Enttäuschung groß. In Agrargemeinden wie in der Region Huancayo, wo es im April Demonstrationen gab und der geringe Frauenanteil seines Kabinetts mit gerade zwei Ministerinnen kritisiert wurde, stellte sich Castillo der Kritik. Doch geändert hat sich wenig, so die Juristin Ana María Vidal, die mit mehreren indigenen Organisationen zusammenarbeitet. „Die Frustration ist quasi greifbar“, meint Vidal, „gerade in den indigenen Organisationen, die oft in Regionen leben, wo der Bergbau ihre Lebensgrundlagen unterminiert, ist wenig bis gar nichts passiert“. Schlecht beraten sei Castillo, der in einem Interview zugab, auf das höchste Staatsamt nicht gut vorbereitet gewesen zu sein. 

Schlecht beraten, inkompetentes Personal

Doch das ist nur ein Problem. Noch gravierender ist, dass er bei der Zusammensetzung seines Parlaments immer wieder ein unglückliches Händchen beweist. Über 60 Ministerinnen und Minister haben in knapp zwölf Monaten das Kabinett durchlaufen, darunter dubiose Gestalten wie Premierminister Héctor Valer Pinto, der aufgrund eines Verfahrens wegen häuslicher Gewalt gegen seine Frau und Tochter schon nach drei Tagen sein Amt wieder räumen musste. Da Castillo in der marxistisch-leninistischen Partei Perú Libre (Freies Peru) über keine echte Machtbasis verfügt, umgibt er sich mit einem Kreis von Beraterinnen und Beratern, deren fragwürdige Personalentscheidungen er offenbar kritiklos abnickt. Mittlerweile ist er aus Perú Libre ausgetreten, hat mit dessen Gründer Vladimir Cerrón gebrochen und versucht, durch personelle Zugeständnisse an die konservative Opposition seine Regierung über Wasser zu halten. 

Indigene vermissen Reformagenda

Bei indigenen Basisorganisationen, die einst große Hoffnungen auf den Präsidenten setzten, kommt das nicht gut an. „Es ist ein Problem, dass Castillo schlecht beraten ist und dass er von Beginn an unter Beschuss der rechten Parlamentsmehrheit stand. Es ist jedoch ein strukturelles Problem, dass wir am Rande der Unregierbarkeit stehen, weil Exekutive, Legislative und Judikative nicht miteinander, sondern oftmals gegeneinander und im eigenen Interesse agieren“, so Melania Canales von der indigenen Frauenorganisation ONAMIAP aus der Nähe von Ayacucho. Aus Perspektive indigener Organisationen sowie indigener Aktivistinnen und Aktivisten ist Castillos Bilanz verheerend: „Für die indigene Bevölkerung hat er nichts getan, für Frauen noch weniger“, so Canales. Eine Einschätzung, die auch Entwicklungsexperte Carlos Herz teilt: „Die Regierung hat schlicht keine Reformagenda, es fehlt der rote Faden und das politische Personal, das in der Lage ist, eine derartige Agenda auch umzusetzen. Das ist das zentrale Dilemma.“

Chance auf Wandel verspielt

Hinzu kommt, dass Castillo von zentralen Wahlversprechen wie der Agrarreform de facto abgerückt ist, dass die Proteste gegen Bergbauprojekte im Süden des Landes wieder zunehmen und dass der Rückhalt für seine Regierung wie Butter in der Sonne schmilzt. Der Ruf nach Neuwahlen wird lauter. Doch die hätten wenig Sinn, weil es einer Strukturreform bedürfe, um die Machtspiele zwischen Parlament und Regierung, die Peru seit mindestens zehn Jahren prägen, zu beenden, meint Herz. Für ihn ist Castillo zum einen Opfer dieser strukturellen Defizite des demokratischen Systems in Peru geworden, zum anderen aber auch ein Präsident, der die Chance auf einen Wandel verspielt hat.

Autor: Knut Henkel

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