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Kolumbien: Flusskarawane für den Frieden

Seit Unterzeichnung des Friedensabkommens in Kolumbien im Jahr 2016 sind allein in der Region Cauca 271 soziale Aktivisten ermordet worden. Die Menschen in der von Gewalt geprägten Pazifikregion fordern dringend eine humanitäre Lösung des bewaffneten Konflikts.

Der Sonnenaufgang taucht den Fluss Guapi in einen morgendlichen Glitzer. Es herrscht ein reges Treiben an den Treppen des Bootsanlegers. Die Kapitäne verstauen das Gepäck sicher vor Sonne und Regen in den Laderäumen. Die Zeit drängt. Denn am kolumbianischen Pazifik bestimmen die Gezeiten den Rhythmus der Bewohnerinnen und Bewohner dieser Region. Der Vikar von Guapi, Carlos Alberto Correa Martínez, wünscht den Reisenden, dass Gott ihnen beistehe. Weiße Westen werden verteilt. „Pakt für das Leben und den Frieden. Das Leben respektieren, um Frieden zu schaffen", steht auf den Rückenseiten. 

Flusskarawane für den Frieden

Unter diesem Motto startet die "Caravana Fluvial", die Flusskarawane, über das Meer, die Flüsse und Buchten der Pazifikregion im Departamento Cauca. „Wir sind ein amphibisches Volk mit jahrhundertealter Tradition. Das Wasser ist uns heilig, ein Symbol des Lebens und unserer Spiritualität“, erklärt Orlando Pantoja, Sprecher des Zusammenschlusses der Gemeinschaftsräte der schwarzen Bevölkerung an der Pazifikküsste des Cauca (COCOCAUCA). Insgesamt 17 solcher Räte der schwarzen Bevölkerung gibt es hier, die laut Gesetz ein Recht auf die kollektive Selbstverwaltung ihrer Territorien haben.

An allen Stationen der Reise finden Rituale zu Ehren der Orishas, der Götter, statt, um sie um sicheres Geleit auf dem Weg über das Wasser zu bitten. Für die schwarze Bevölkerung, Nachfahren afrikanischer Sklaven, gehen Katholizismus und die Religion der Yoruba durchaus zusammen.

Konflikt um Drogen und illegalen Bergbau

Die Bevölkerung in den drei Verwaltungsbezirken Guapi, Timbiquí und López de Micay befindet sich im Widerstand gegen den Terror und die Einschüchterung bewaffneter Gruppen verschiedener Couleur. Dissidenten der FARC-EP, Einheiten der ELN-Guerilla, verschiedene paramilitärische Verbände und die Marine-Einheit des staatlichen Militärs liefern sich fast täglich bewaffnete Auseinandersetzungen. Die Interessen sind vielfältig. Es geht um die Kontrolle der Kokaproduktion und Schmuggelrouten gen Norden, um illegalen Bergbau, Schutzgelderpressung, Verkauf von Edelhölzern und nebenbei um die soziale Revolution. Die palafitos, traditionellen Holzhäuser auf Stelzen, bieten zwar Schutz vor Gezeiten und Überschwemmungen, aber eben nicht gegen den Kugelhagel. Daher flüchten immer wieder Menschen aus den Dörfern in die größeren Städte.

Menschen flüchten vor der Gewalt

Zuletzt ist es vor einem Monat in den Gemeinden am Fluss Saija zu Gefechten gekommen. 44 Familien mussten nach Timbiquí fliehen, wie die Mitarbeiterin einer Nothilfeorganisation berichtet. Insgesamt 6.000 Menschen seien zwischen die Fronten der bewaffneten Auseinandersetzung geraten. Die Geflüchteten verblieben jedoch nur eine Woche in der Kleinstadt. Sie hätten sich aufgrund der inadäquaten Unterbringung und ausbleibenden Hilfe zu einer Rückkehr in ihre Dörfer trotz der ungeklärten Sicherheitslage entschlossen. Es sei hier bereits der zweite Fall massiver Vertreibung in diesem Jahr gewesen. Aus diesem Grund macht die Karawane auch Station in Puerto Saija. „Unsere Botschaft ist, dass wir in unserem angestammten Territorium bleiben, das wir von unseren Vorfahren geerbt haben. Wir werden es an niemanden abtreten“, gibt sich Pantoja kämpferisch.

Gemeinschaft und Glaube nähren die Hoffnung

Neben der spirituellen Kraft nährt sich der Widerstand vor allem auch aus kulturellen Überlieferungen. Die Klänge der Marimba, der Trommeln, der Guasá, begleitet von den Chören der Menschenmenge, bringen das Kollektiv in einen fast ekstatischen Zustand. Über Arullos, traditionelle Lieder der Afro-Gemeinden, werden Geschichten erzählt, Götter angebetet oder die Gemeinschaft beschworen. Auf diese Weise werden die Erinnerungen und das Wissen von Generation zu Generation weitergetragen. Von den Booten aus sind die Menschen an den Ufern zu sehen, die die Karawane mit Musik und weißen Fahnen empfangen. Umzüge und Sprechchöre schaffen Momente des Zusammenkommens, der Hoffnung. 

Für die OrganisatorInnen der Karawane ist klar, dass eine weitere Militarisierung ihrer Region keine Lösung darstellt. Ein aktueller Bericht verschiedener Menschenrechtsorganisationen zählt allein im Cauca die Ermordung von 271 sozialen Aktivistinnen und Aktivisten seit Unterzeichnung des Friedensabkommens mit der FARC-EP 2016, trotz enormer Militärpräsenz. Die Bürgermeisterin Neyla Yadira Amú von Timbiquí fordert alle bewaffneten Akteure in der Region zum Dialog unter Einbezug der ethnisch-territorialen Organisationen auf – eine Position, die sich im Manifest der Karawane wiederfindet.

Dialog für den Frieden

Wie dringend dieser Dialog ist, zeigt ein Vorfall keine zwei Tage nach Abschluss der Karawane. In den Morgenstunden des 24. April sind die Dörfer am unteren Fluss Saija wieder Schauplatz von Gefechten. Berenice Celeyta von der sozialen Organisation nomadesc ruft daher die internationale Gemeinschaft in ihrer Rolle als Garanten des Friedensabkommens dazu auf, auf dessen Umsetzung hinzuwirken. „Denn der einzige Weg zum Frieden für die Menschen vor Ort ist eine humanitäre Lösung des Konflikts“, so Celeyta.

Autor: Andreas Hetzer, Kolumbien

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