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Chile: "Mapuche sind Akteure für ein gerechteres Chile"

Interview mit dem Steyler-Missionar Padre Fernando Díaz (64) von der Organisation JUPIC (Gerechtigkeit, Frieden und Einheit der Schöpfung) in der Region Arakaunía im Süden Chiles. Die kirchliche Organisation, die vom Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat gefördert wird, unterstützt den friedlichen Einsatz der Mapuche für ihre Rechte. 

Padre Fernando ist Koordinator der Pastoral Mapuche der Diözese Villarrica und Mitglied der nationalen Kommission für die Indigenen-Pastoral. Außerdem ist er im Ökumenischen Rat der Pastoral Mapuche und forscht und lehrt an der Katholischen Universität von Temuco. Foto: Adveniat/Klaus Ehringfeld

Padre Fernando ist Koordinator der Pastoral Mapuche der Diözese Villarrica und Mitglied der nationalen Kommission für die Indigenen-Pastoral. Außerdem ist er im Ökumenischen Rat der Pastoral Mapuche und forscht und lehrt an der Katholischen Universität von Temuco. Foto: Adveniat/Klaus Ehringfeld

Chile wählt am Sonntag einen neuen Staatschef, es geht um die Nachfolge des glücklosen konservativen Präsidenten Sebastián Piñera. Die größten Aussichten haben der Linkskandidat Gabriel Boric (35), der die Forderungen des Sozialaufstands von 2019 in sein Programm aufgenommen hat, und der ultrarechte Juan Antonio Kast (55). Er macht aus seiner Nähe zu dem früheren Diktator Augusto Pinochet keinen Hehl und baute seinen Wahlkampf auf den Themen Ordnung, Sicherheit und Migration auf. Auch beim Konflikt mit den Mapuche setzt er nicht auf Verständigung, sondern Militarisierung und Unterdrückung.  

Blickpunkt Lateinamerika: Padre Díaz, seit einem Monat sind vier Provinzen im Süden Chiles militarisiert. Wie wirkt sich das auf den Konflikt zwischen den Mapuche und dem Staat sowie den Unternehmen aus?
 
Padre Fernando Díaz: Es ist eine komplizierte Situation. Aber nicht die ganze Araukanía ist betroffen, sondern nur Teile. Alle Mapuche wissen über den Konflikt Bescheid, und viele sind mit der Gewalt nicht einverstanden, die sich in brennenden LKW, Schießereien und Attentatsversuchen äußert. Es sind auch nicht die Gemeinden, die gewalttätig sind, sondern Gruppen in den Gemeinden. Insofern ist der pauschale Vorwurf der Regierung, dass die Mapuche gewalttätig seien, nicht richtig.
 
Der Konflikt ist ja auch schon viel älter…
 
Die Mapuche sehen sich in Chile der andauernden Aggression des Staates gegenüber. Die unterschiedlichen Regierungen haben dies auch nach der Rückkehr zur Demokratie nicht geändert. Und dann kamen die Holz- und Bergbaufirmen, welche in die Territorien der Ureinwohner drängen. Demgegenüber sind die aktuellen Angriffe von Seiten der Mapuche nichts im Vergleich zur staatlichen, über Jahrzehnte ausgeübten Aggression in Form von Gewalt, Enteignung, Landraub und Demütigung. 
 
Hat die Militarisierung etwas gebracht? 
 
Nein, das Ergebnis der Militarisierung ist nur, dass es mehr Tote gibt. Der Ausnahmezustand sollte die ultrarechten Gruppen und vor allem die LKW-Fahrer und Transportunternehmer beruhigen. Sie haben eine große Lobby und Macht, denn sie können mit einem Streik das Land lahmlegen. Und sie sind oft mit den stärksten und reichsten Gruppen des Landes verbunden. Diese Klientel wollte Präsident Piñera beruhigen. Aber die ständige Ablehnung der Rechte der Mapuche gerät in Chile selbst, aber auch international immer stärker unter Druck. Der Verlängerung des Ausnahmezustands haben die Zentrumsparteien im Parlament jetzt nur aus taktischen Gründen in der Hoffnung zugestimmt, bei der Wahl am Sonntag mehr Stimmen zu bekommen und nicht als Unterstützer angeblicher Terroristen dazustehen.
 
Wie präsent ist der Mapuche-Konflikt im Wahlkampf? 
 
Es ist vor allem bei den rechten Kandidaten ein Thema und dient angeblich als Beweis dafür, dass in Chile Sicherheit und Ordnung fehlen. Vor allem der ultrarechte Kandidat Kast will mit repressiven Maßnahmen gegen die Indigenen vorgehen.
 
Was und wie haben die Präsidentschaftskandidaten sich denn sonst zum Thema der indigenen Völker geäußert?
 
Bis auf den favorisierten Kandidaten Boric von „Apruebo Digindad“ hat sich keiner explizit dazu geäußert. Ihnen fehlt das Verständnis dafür, Chile als einen plurinationalen Staat zu begreifen. Boric ist jünger und hinterfragt die kolonialen Strukturen des Staates.
 
Für was kämpfen denn die Mapuche?
 
Die Mehrheit, die noch auf dem Land lebt, will vor allem ihre kulturelle Identität bewahren und ihre Territorien zurück. Aber es gibt auch immer mehr Mapuche in den Städten, die sich in die Gesellschaft der Mestizen integrieren und die Rolle als marginalisierte Außenseiter loswerden wollen.
 
Die Verfassunggebende Versammlung mit der Mapuche-Vorsitzenden Elisa Loncón gibt dem Thema noch mal eine neue Dimension… 
 
Wer hätte gedacht, dass eine Verfassunggebende Versammlung jemals von einer Frau und Mapuche angeführt werden könnte? Es ist sehr wichtig, dass die Mapuche in der Versammlung stark vertreten sind und auch, dass so viele junge Chileninnen und Chilenen sie da rein gewählt haben. Die Mapuche verändern das Land und erobern neue Räume in der Politik und in der Reorganisation Chiles. Wir hoffen sehr, dass die Verfassunggebende Versammlung die Grundlage für eine Veränderung des Staates legen kann. Die Mapuche sind heute fundamentale Akteure bei der Konstruktion eines gerechteren Chile.
 
Verändert Chile sich also? 
 
Jedenfalls sind die Verfassunggebende Versammlung und das neue Selbstbewusstsein der Ureinwohner ein Meilenstein. Aber die Landbesitzer und Nachfahren der Einwanderer und Kolonisatoren werden um ihre Errungenschaften kämpfen und nicht einfach aufgeben. Es kann sein, dass wir demnächst in der Region Araukanía vor sehr komplizierten Situationen stehen. Vieles wird davon abhängen, wie stark die neue Verfassung wird. Nur ein Beispiel: Die Bergbauunternehmen wollen unbedingt in die Araukaníe vordringen. Es ist bisher praktisch der einzige Landstrich Chiles, wo keine Extraktivisten die Erde aufreißen.
 
Wie ist denn die Rolle der katholischen Kirche in dem Konflikt?  
 
Es ist fast tragisch zu sehen, wie abwesend die katholische Kirche in diesen Prozessen der Suche nach Frieden und Vermittlung ist. Sie wird als Akteur nicht ernst genommen, auch weil sie als zu nahe an der politischen und ökonomischen Macht wahrgenommen wird. Zudem sind einige Bischöfe krank, andere schließen sich in ihren Sakristeien ein und konzentrieren sich auf die Gottesdienste. Sie sind nicht sozial aktiv, wie es zum Beispiel der Papst vorlebt. Die Befreiungstheologie ist hier noch weit entfernt.

Adveniat zum Mapuche-Konflikt: Hoffnung auf eine friedliche Lösung

Interview: Klaus Ehringfeld, Chile

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