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Brasilien: Impfstoffskandal wird zum Problem für Bolsonaro

Bei dem geplanten Kauf von Millionen von Impfdosen durch das Gesundheitsministerium soll es zu Schmiergeldforderungen gekommen sein. Präsident Bolsonaro scheint in den Fall verwickelt zu sein.

Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro bei einer Rede anlässlich der Einführung eines neuen Registrierungssystems für Berufsfischer am 29. Juni 2021. Foto: Jair Bolsonaro, Palácio do Planalto - Isac Nóbrega/PR, CC BY 4.0

Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro bei einer Rede anlässlich der Einführung eines neuen Registrierungssystems für Berufsfischer am 29. Juni 2021. Foto: Jair Bolsonaro, Palácio do Planalto - Isac Nóbrega/PRCC BY 4.0

Die Regierung des rechtspopulistischen Präsidenten Jair Messias Bolsonaro gerät angesichts mehrerer Berichte über Korruption bei der Impfstoffbeschaffung zusehends in die Defensive. Im Zentrum der Vorwürfe steht der Anführer der Regierungsparteien im Abgeordnetenhaus, Ricardo Barros. Bolsonaro soll über die Machenschaften seines politischen Verbündeten Bescheid gewusst haben, jedoch untätig geblieben sein. Drei Senatoren haben Bolsonaro deshalb am Montag vor dem Obersten Gerichtshof wegen Amtspflichtverletzung angezeigt. 

Beamte unter Druck gesetzt

Derzeit tagt in der Hauptstadt Brasília ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss, der sich mit mutmaßlichen Verfehlungen der Regierung bei der Bekämpfung der Pandemie befasst. In der vergangenen Woche wurde dort Luis Ricardo Fernandes Miranda, der im Gesundheitsministerium für medizinische Importe verantwortlich ist, angehört. Er sei von seinen Vorgesetzten außergewöhnlich scharf unter Druck gesetzt worden, den Import des Impfstoffes Covaxin des indischen Herstellers Bharat Biotech zu autorisieren.

Miranda kamen jedoch Zweifel an dem Geschäft, weshalb er sein Okay für den Deal nicht gab. Zum einen ist der Impfstoff Covaxin in Brasilien überhaupt nicht zugelassen. Auch der ungewöhnlich hohe Preis von 15 US-Dollar pro Impfdose, rund viermal so viel wie für den Impfstoff von AstraZeneca, erschien Miranda verdächtig. Auch kam ihm eine verlangte Extrazahlung von 45 Millionen Dollar nicht geheuer vor. 

Import von Covaxin zu überhöhtem Preis

Zudem wurde der Vertrag über die Lieferung von 20 Millionen Impfdosen zum Preis von 300 Millionen US-Dollar via dem Unternehmen Precisa Medicamentos abgeschlossen, das Miranda ebenfalls suspekt war. So hatte ein Tochterunternehmen von Precisa im Jahr 2017 den Staat um einen Millionenbetrag geprellt. Trotz derzeit laufender Verfahren konnte das Unternehmen seinen Umsatz mit der Regierung unter Bolsonaro um 6.000 Prozent steigern.

Seine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Geschäfts hatten Miranda und sein Bruder, der Abgeordnete Luis Claúdio Miranda, Ende März persönlich Präsident Bolsonaro vorgetragen. Dieser erklärte gegenüber den Miranda-Brüdern, dass es sich um Deals von Ricardo Barros handele, der im Abgeordnetenhaus die Regierungsfraktion leitet. Der frühere Gesundheitsminister Barros hat enge Verbindungen zur Pharmabranche und hatte zudem im Kongress einen Gesetzentwurf eingebracht, der den Impfstoffimport erleichtern soll. 

Bolsonaro wegen Amtspflichtverletzung angezeigt

Zwar versprach Bolsonaro gegenüber den Miranda-Brüdern, die Bundespolizei auf den mutmaßlichen Korruptionsfall anzusetzen. Allerdings unternahm Bolsonaro nichts. Stattdessen behauptete die Regierung in der vergangenen Woche, dass die Mirandas die Geschichte erfunden und Dokumente gefälscht hätten. Allerdings erwiesen sich die vorgelegten Dokumente als echt. 

Angesichts von Bolsonaros Untätigkeit zeigten drei brasilianische Senatoren Bolsonaro am Montag vor dem Obersten Gerichtshof wegen Amtspflichtverletzung an. Dieser habe "nichts unternommen, nachdem er über ein gigantisches Korruptionsschema im Gesundheitsministerium informiert wurde", erklärte der oppositionelle Senator Randolfe Rodrigues. 

Die für eine Anklageerhebung zuständige Generalstaatsanwaltschaft bat das Oberste Gericht jedoch am Dienstag, erst einmal die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses abzuwarten. Generalstaatsanwalt Augusto Aras gilt als enger Vertrauter von Bolsonaro und dürfte wenig gewillt sein, gegen ihn vorzugehen. 

Das Gesundheitsministerium erklärte angesichts der Vorkommnisse der vergangenen Tage am Dienstag die Aufhebung des Kaufvertrags über die Covaxin-Dosen. Damit wollte man den Kritikern erst einmal Wind aus den Segeln nehmen. 

Schmiergeldzahlung für AstraZeneca-Impfstoff

Am Dienstagabend platzte jedoch ein weiterer Skandal um Impfstoffe. So berichtete die Zeitung „Folha de S. Paulo“ über einen Korruptionsfall rund um den Kauf von 200 Millionen Impfdosen von AstraZeneca. Dabei soll der Direktor für Logistik des Gesundheitsministeriums, Roberto Ferreira Dias, Schmiergelder von 1 US-Dollar pro Impfdose von einem Impfstoff-Verkäufer verlangt haben. Dias war von dem bereits oben mehrfach erwähnten Ricardo Barros für das Amt vorgeschlagen worden.

Die Verdachtsfälle lassen Bolsonaros Impfpolitik in einem anderen Licht erscheinen. So hatte Bolsonaro Mitte vergangenen Jahres mehrere Angebote von Pfizer/BionTech über Millionen von Impfdosen ignoriert. Zudem versuchte Bolsonaro den Kauf eines chinesischen Impfstoffes durch die Landesregierung São Paulo zu verhindern. Generell äußerte Bolsonaro mehrfach sein Misstrauen gegenüber den Impfstoffen. 

Bolsonaros Beliebtheitswerte sinken

Nun scheint klar, dass Bolsonaro sich gleichzeitig für den Deal um die indische Covaxin-Vakzine bemühte. So soll Bolsonaro in einem Gespräch mit Indiens Premierminister Narendra Modi im Januar den Kauf des Impfstoffes eingefädelt haben. Ob die Verwicklungen in den Korruptionsfall Bolsonaro schaden werden, wird bei den Wahlen im Oktober 2022 zu sehen sein. Angesichts der chaotischen Pandemie-Bekämpfung und bereits mehr als 500.000 Corona-Toten brachen Bolsonaros Beliebtheitswerte zuletzt jedoch ein.

Autor: Thomas Milz

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