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Brasilien: Senat stimmt für den Bruch von Corona-Patenten

Impfstoffe und Medikamente gegen Corona könnten in Brasilien einer Gesetzesvorlage zufolge auf der Basis einer Zwangslizenz produziert werden. Erst muss jedoch noch das Abgeordnetenhaus über die Initiative abstimmen.

Verteilung des Impfstoffs CoronaVac Anfang Februar in Porto Alegre, Brasilien, an die regionalen Gesundheitskoordinatoren. Foto: CoronaVac, Itamar Aguiar/Palácio Piratini, Governo do Estado do Rio Grande do Sul, CC BY-NC 4.0

Verteilung des Impfstoffs CoronaVac Anfang Februar in Porto Alegre, Brasilien, an die regionalen Gesundheitskoordinatoren. Foto: CoronaVacItamar Aguiar/Palácio Piratini, Governo do Estado do Rio Grande do SulCC BY-NC 4.0

Mit 55 zu 19 Stimmen hat Brasiliens Oberhaus Ende vergangener Woche einem Gesetzentwurf zugestimmt, der einen temporären Patentbruch für Impfstoffe und Medikamente zur Behandlung von Covid-19 erlaubt. Möglich soll dies dann sein, wenn der Patentinhaber nicht den Bedürfnissen Brasiliens inmitten eines nationalen Notstands entspricht. Der Patentinhaber kann damit gezwungen werden, sämtliche für die Produktion nötigen Informationen zur Verfügung zu stellen. Allerdings erhält er eine Erfindervergütung.

Umgehung internationaler Urheberrechtsabkommen

Senator Paulo Paim von der linken Arbeiterpartei PT (Partido dos Trabalhadores) hatte ursprünglich beantragt, Bestimmungen des TRIPS-Abkommens auszusetzen, solange das Land noch unter der Pandemie leide. Das „Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums“ regelt die Fragen zum Urheberrecht bei Patenten. 

„Es ist an der Zeit, dass wir für das Leben stimmen, mit Impfstoffen für alle. Und die einzige Brücke, um über diese Pandemie hinwegzukommen, sind Impfungen“, so Paim. „Leben sind unbezahlbar!“

Eine Aussetzung der TRIPS-Bestimmungen ist unter bestimmten Bedingungen bereits möglich. Da die Zentralregierung jedoch einen internationalen Konflikt vermeiden will, machte sie im Senat Druck, eine alternative Lösung zu finden. Schließlich stimmten die Senatoren einer Änderung des brasilianischen Gesetzes über geistiges Eigentum zu. Auf diesem Weg wäre ein Patentbruch am TRIPS-Abkommen vorbei möglich.

Ein weiterer Gesetzentwurf sieht zudem vor, dass auch für das antivirale Medikament Remdesivir eine Produktion nach Verhängung einer Zwangslizenz möglich ist. Das Mittel war ursprünglich zur Behandlung der Viruserkrankung Ebola entwickelt worden. Tests zeigten auch bei der Behandlung von Covid-19-Patienten Erfolge.

Adveniat fordert Aufhebung des Patentschutzes

Der Gesetzentwurf muss nun noch vom Abgeordnetenhaus beraten und verabschiedet werden. Fraglich ist, ob Präsident Bolsonaro dem Gesetz zustimmt. Allerdings kann der Kongress ein eventuelles präsidentielles Veto überstimmen.

Angesichts der Knappheit von Impfstoffen inmitten der weiter auf hohem Niveau grassierenden Pandemie in Brasilien - derzeit liegt der Tagesdurchschnitt bei rund 2.500 Toten und 60.000 Neuinfektionen - hatte es verstärkt Rufe nach einem Patentbruch gegeben. Auch Adveniat-Hauptgeschäftsführer Pater Michael Heinz hatte sich zuletzt für eine temporäre Aufhebung des Patentschutzes ausgesprochen. Zwar sei es grundsätzlich richtig, Patente zu schützen. Angesichts der weltweiten Lage müsse dies jedoch überdacht werden. „In so einem Fall müsste man wirklich die Patente aufheben, sodass die Produktion verstärkt werden kann und somit auch gerade die Menschen in den Ländern des Südens geimpft werden können.“

Lizenzverträge statt Patentbruch

Auf internationaler Bühne hatten bisher Südafrika und Indien um ein Aufbrechen der Patente für Covid-19-Impfstoffe und Medikamente geworben. Die brasilianische Regierung hatte die Initiative der beiden Länder bei der Welthandelsorganisation jedoch nicht unterstützt. Stattdessen stellte sich die Regierung des rechtspopulistischen Präsidenten Jair Messias Bolsonaro hinter einen Antrag Australiens, Kanadas, Chiles, Kolumbiens, Neuseelands, Norwegens und der Türkei, die eine Ausweitung der Produktion und der Verteilung der Produkte fordern. Eine entsprechende Regelung solle im Rahmen der Welthandelsorganisation getroffen werden.

Zahlreiche brasilianische Wissenschaftler halten diesen Weg für geeigneter als den Bruch von Patenten. „Das Patent einer Impfung zu brechen ist keine magische Lösung“, erklärte die Mikrobiologin Natália Pasternak gegenüber brasilianischen Medien. So nehme der nötige Technologietransfer hin zu einem neuen Produzenten sehr viel Zeit in Anspruch. Gleichzeitig würden sich Fragen nach der Qualitätskontrolle stellen. Lizenzverträge mit großen Pharmaunternehmen dürften deshalb für Brasilien sinnvoller sein als Patentbrüche, so Pasternak.

Schleppende Impfstoff-Produktion wegen fehlender Zutaten

Brasiliens schleppend verlaufene Impfkampagne hatte sich bisher auf zwei Impfstoffe gestützt: CoronaVac des chinesischen Herstellers Sinovac sowie AstraZeneca. Während der CoronaVac-Impfstoff, dessen Grundstoffe aus China stammen, im Instituto Butantan in São Paulo abgefüllt wird, verarbeitet das Institut Fiocruz in Rio de Janeiro die aus Indien stammenden Grundstoffe für die AstraZeneca-Impfung weiter. 

Langfristig ist zwar ein Technologietransfer vereinbart, um die Produktion dann in einigen Monaten vollständig in Brasilien vornehmen zu können. Derzeit leidet Brasiliens Impfkampagne jedoch unter Lieferschwierigkeiten der Grundstoffe. So sind Exporte aus Indien aufgrund der dort ausufernden Corona-Lage reduziert. Auch die Lieferungen aus China hatten zuletzt gestockt.

Zusätzlich hatte die Zentralregierung im März weitere Lieferverträge mit Pfizer/Biontech über 100 Millionen Impfdosen sowie mit Janssen über 38 Millionen Dosen abgeschlossen. Allerdings dürfte der Großteil dieser Bestellungen erst in der zweiten Jahreshälfte in Brasilien eintreffen. 

Impfquote in Brasilien liegt bei 15 Prozent

Die Zentralregierung sowie eine Reihe von Gliedstaaten und Bürgermeister hatten auch insgesamt 66 Millionen Dosen des russischen Impfstoffs Sputnik V bestellt. Zudem bereiteten sich brasilianische Unternehmen bereits auf die Produktion von Sputnik V vor. Die Regulierungsbehörde Anvisa hatte Ende April jedoch den Import der Vakzine untersagt. Sie kritisierte den Mangel an „konsistenten und zuverlässigen Daten“. In allen untersuchten Chargen seien zudem replizierende Adenoviren nachgewiesen worden.  

Der Mangel an Impfstoffen hat dazu geführt, dass bisher erst 15 Prozent aller Brasilianer geimpft wurden. Rund acht Prozent haben bereits beide Impfungen erhalten. 

Autor: Thomas Milz

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