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Brasilien: Corona-Untersuchungsausschuss droht Regierung mit Konsequenzen

In Brasilien steigt die Zahl der Corona-Toten rasant an. Präsident Bolsonaro hatte Schutzmaßnahmen immer wieder verhindert. Nun untersucht ein Ausschuss sein Handeln - und sieht Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Corona-Station in einem Krankenhaus in Itapevi, Brasilien. Foto: pacientes com COVID-19, Felipe Barros | ExLibris | PMI, Prefeitura de Itapevi, CC BY 4.0​​​​​​​, Zuschnitt

Corona-Station in einem Krankenhaus in Itapevi, Brasilien. Foto: pacientes com COVID-19, Felipe Barros | ExLibris | PMI, Prefeitura de ItapeviCC BY 4.0, Zuschnitt

Mit 3.074 Todesopfern innerhalb von 24 Stunden hat Brasilien am Donnerstag, 29. April 2021 (Ortszeit) die Marke von 400.000 Corona-Toten überschritten. Die außer Kontrolle geratene Gesundheitskrise hat nun auch politische Konsequenzen. So droht ein diese Woche gestarteter Untersuchungsausschuss die Regierung von Präsidenten Jair Messias Bolsonaro wegen Verfehlungen bei der Pandemiebekämpfung bloßzustellen. Ärger droht Brasilien auch wegen des russischen Impfstoffs Sputnik V.

Bolsonaro hatte in den zurückliegenden 13 Monaten nicht nur das Virus mehrfach verharmlost und Schutzmaßnahmen sabotiert. Er weigerte sich auch lange, ausreichende Mengen an Impfdosen zu bestellen. Zudem empfahl er, unwirksame Medikamente wie das Malariamittel Chloroquin gegen Covid-19 einzusetzen. Zuletzt drohte er gar mit einem Militäreinsatz, um von Gouverneuren und Bürgermeistern verhängte Lockdowns aufzubrechen.

400.000 Tote - 14,5 Millionen positiv Geteste

Der Pandemieverlauf in Brasilien hat sich zuletzt beschleunigt. Nach 149 Tagen verzeichnete das Land 100.000 Tote, nach weiteren 152 Tagen 200.000; die Marke von 300.000 Toten wurde nach nur 76 Tagen erreicht. Für den Anstieg von 300.000 Toten auf 400.000 reichten nun 36 Tage. Für Mai und Juni geben Wissenschaftler ähnlich düstere Prognosen. Bisher wurden rund 14,5 Millionen der 210 Millionen Brasilianer positiv auf das Virus getestet.

Seit dieser Woche tagt nun im Senat ein Untersuchungsausschuss, der die Hintergründe der Covid-Krise untersuchen soll. Der Berichterstatter des Ausschusses, Senator Renan Calheiros, schlug scharfe Töne an. "Es war kein Zufall oder eine göttliche Strafe, die uns in diese Situation geführt hat. Natürlich gibt es Verantwortliche, schuldig wegen unterlassener oder getätigter Aktionen oder aufgrund von Inkompetenz." Calheiros erinnerte daran, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht verjähren.

Vorwurf: Inkompetenz und Sabotage

Ausdrücklich verwies der Senator auf die Rolle des Militärs in der Krise. So hatte Bolsonaro Mitte des vergangenen Jahres den in Sachen Gesundheit unerfahrenen General Eduardo Pazuello zum Gesundheitsminister ernannt. "Das Ergebnis spricht für sich", so Calheiros. "Militärs gehören in die Kasernen, und Ärzte ins Gesundheitssystem. Wenn man das umdreht, ist der Tod garantiert."

Der inzwischen entlassene Pazuello soll demnächst vor dem Ausschuss gehört werden. Der General soll an Krankenhäuser im ganzen Land das unwirksame Chloroquin ausgeliefert haben, während es an Narkosemitteln und Sauerstoff mangelte. Derzeit bereite die Regierung den stets unsicher wirkenden General akribisch auf seine Aussage vor, berichten Medien.

Beobachter wie der Politologe Oliver Stuenkel vom ThinkTank FGV in Sao Paulo rechnen zwar nicht damit, dass die Ermittlungen des Ausschusses zu einem Amtsenthebungsverfahren gegen Bolsonaro führen werden. Allerdings sei nun die Opposition am Drücker. "Da werden die Fabrikanten der Impfstoffe vorsprechen, die sagen, dass sie Bolsonaro im Jahre 2020 Impfstoffe angeboten haben, die brasilianische Regierung jedoch kein Interesse daran gezeigt hat." Bolsonaros Wiederwahl 2022 könnte darunter leiden, so Stuenkel.

Schleppende Impfkampagne

So soll Bolsonaro insgesamt elf Angebote von Impfstofflieferanten abgelehnt haben, darunter im August 2020 die Offerte von Pfizer/Biontech zur Lieferung von 70 Millionen Impfdosen bis Jahresende 2020. Angesichts der derzeit schleppend verlaufenden Impfkampagne wächst die Kritik an Bolsonaros zögerlicher Impfstoffbeschaffung. Bisher haben rund 15 Prozent der Brasilianer die erste Impfung bekommen, rund sieben Prozent die zweite Impfung.

Anfang der Woche erlitt die Impfkampagne einen weiteren Rückschlag. So untersagte die staatliche Behörde für Gesundheitsüberwachung (Anvisa) den geplanten Import von rund 66 Millionen Dosen des russischen Impfstoffs Sputnik V. Laut Anvisa sollen in den untersuchten Chargen replizierende Adenoviren nachgewiesen worden sein. Das bedeutet, dass der lediglich zum Transport des genetischen Materials vorgesehene Adenovirus sich selber repliziert und ein Gesundheitsrisiko darstellt.

Ärger um russischen Corona-Impfstoff Sputnik V 

Russland reagierte empört und kündigte eine Klage an. Die Negierung der Genehmigung sei rein politisch motiviert. Die angeführten Mängel bei Sputnik V seien nichts als "Fake News". In einer Stellungnahme am Donnerstag hielt Anvisa jedoch an ihren Argumenten gegen die Importzulassung fest. 14 der 27 brasilianischen Gliedstaaten sowie einige Städte hatten zuvor bereits Verträge über den Import abgeschlossen. Auch die Zentralregierung hatte die Absicht, zehn Millionen Impfdosen von Sputnik V zu importieren.

Quelle: kna, Autor: Thomas Milz

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