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Brasilien: Antidemokrat Bolsonaro droht und provoziert

Am Unabhängigkeitstag haben in ganz Brasilien Menschen für und gegen Präsident Jair Bolsonaro demonstriert. Dieser provozierte erneut mit antidemokratischen Äußerungen und drohte den Richtern, die gegen ihn wegen Geldwäsche, Bereicherung und Fake News ermitteln. 

Demonstration gegen Präsident Jair Bolsonaro am 3. Juli 2021 in São Paulo, Brasilien. Foto (Symbolbild): CSP-Conlutas, Flickr, CCO1.0

Demonstration gegen Präsident Jair Bolsonaro am 3. Juli 2021 in São Paulo, Brasilien. Foto (Symbolbild): CSP-Conlutas, Flickr, CCO1.0

Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht, die von diesem 7. September, dem brasilianischen Nationalfeiertag ausgeht. Die Gute: Es ist ruhig geblieben, es gab keinen Sturm wütender Bolsonaro-Anhänger auf das Parlament in Brasilia, keinen Angriff auf den Obersten Gerichtshof STF, keine Schießereien. All das war vor diesem Tag befürchtet worden, so sehr hatte der radikal rechte Präsident Jair Bolsonaro die Institutionen diskreditiert, das politische Klima angeheizt und seine Unterstützer aufgeputscht. 
 
Die schlechte Nachricht ist: Der Präsident hat den Tag genutzt, um seine antidemokratische Seite erneut mit aller Deutlichkeit zu zeigen und vor allem dem STF und seinen Richtern zu drohen. Das Gericht hat gegen Bolsonaro und seine Söhne Ermittlungen wegen Geldwäsche, Bereicherung und Verbreitung von Fake News eingeleitet, unter anderem weil der Populist seit Monaten Zweifel am Funktionieren der elektronischen Wahlurnen sät. Die Vision eines Präsidenten Bolsonaro im Gefängnis ist nicht mehr ganz abwegig. 

Bolsonaro will mögliche Wahlniederlage nicht anerkennen

Auch daher wohl kündigte er am Dienstag an, keinem Urteil der höchsten Juristen des Landes mehr Folge leisten zu wollen. Den Richter Alexandre de Moraes, der die meisten Verfahren gegen ihn eingeleitet hat, bezeichnete Bolsonaro bei Auftritten in der Hauptstadt Brasilia und später in São Paulo wiederholt als „Kanaille“.
 
Und einmal mehr machte der 66-Jährige deutlich, dass er nicht gewillt ist, im Falle einer Niederlage bei der Präsidentenwahl kommendes Jahr seinen Platz im Amtssitz Palácio do Planalto zu räumen. „Gott hat mich in dieses Amt gebracht, und nur Gott nimmt es mir auch wieder weg“, wiederholte er sein Mantra am Dienstagnachmittag auf der Avenida Paulista, der Hauptschlagader der brasilianischen Wirtschaftsmetropole vor rund 125.000 Anhängern. Bolsonaros Unterstützer hatten zuvor angekündigt, ohne Probleme zwei Millionen Menschen in São Paulo mobilisieren zu können. 

Zustimmungswerte für Bolsonaro sinken

Die Demonstrationen galten als wichtiger Gradmesser für den Rückhalt Bolsonaros in der Bevölkerung. Seine Zustimmungswerte sind in der jüngsten Zeit dramatisch eingebrochen. Der Großteil der Bevölkerung des größten Landes Lateinamerikas bewertet seine Regierung negativ. Gut zwölf Monate vor der Wahl kann der ehemalige Militär nur noch 25 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Demgegenüber führt Brasiliens linker Ex-Präsident Lula da Silva in allen Umfragen. 
 
Allerdings gelang es dem Präsidenten, am Nationalfeiertag im ganzen Land seine Anhänger auf die Straße zu bringen. In 27 Städten gingen „Bolsonaristas“ mit martialischen Gesten und antidemokratischen Forderungen wie der nach einem Militärputsch und der Schließung des Parlaments auf die Straßen. Aber genauso gingen die Gegner des Staatschefs raus und manifestierten ihre Ablehnung gegenüber dem Autokraten, der Brasilien gerade weg in eine tiefe institutionelle, politische, wirtschaftliche und auch gesundheitspolitische Krise manövriert hat.

Gegner: Bolsonaro hat die Krise verschlimmert

Die Brasilianer werfen Bolsonaro vor allem vor, die Bedrohung der Pandemie dramatisch falsch eingeschätzt oder sie nicht ernst genommen zu haben. Das Sars-Cov2-Virus hat in Brasilien bislang annähernd 585.000 getötet. Nur in den USA gibt es mehr Todesopfer. Derzeit sterben knapp 600 Menschen jeden Tag am oder mit dem Virus in Brasilien. 
 
Erschwerend kommt die Ökonomie der wichtigsten Volkswirtschaft Lateinamerikas nicht in Gang. Armut, Arbeits- und Obdachlosigkeit nehmen stark zu, und die Währung Real verliert an Wert. Zudem könnte die anhaltende Trockenheit sich wegen Wassermangels in den Stauseen zu einer Energiekrise entwickeln. 

"Wer Frieden will, muss bereit sein für den Krieg"

Aber anstatt sich um diese Probleme zu kümmern, poltert Bolsonaro und versucht seine Macht durch den Abbau des Rechtsstaates zu sichern, er hetzt gegen Richter und ihre „Toga-Diktatur“ und entwickelt sich zu einer unkalkulierbaren Bedrohung für die Stabilität eines der größten und wichtigsten Länder der Welt. „Wer Frieden will, der muss bereit sein für den Krieg.“ Mit diesen Worten hatte Bolsonaro seine Anhänger zu den landesweiten Protesten am Nationalfeiertag aufgerufen. Und er empfahl ihnen gleichzeitig, sie mögen sich bewaffnen. Der wichtigsten Zeitung des Landes, der „Folha de S.Paulo“ fiel daraufhin nur noch ein bissiger Leitartikel ein: „In einem anständigen Land sähe sich Bolsonaro schon seit langer Zeit einem Amtsenthebungsverfahren gegenüber.“ 
 
Auch politische Beobachter wähnen Bolsonaro auf einem sehr gefährlichen Weg. Er sei angesichts seiner Hetzerei, seiner Anschuldigungen und den schwachen Ergebnissen seiner  Regierung politisch immer mehr isoliert, was ihn unberechenbar mache. Der Rechtsprofessor Gustavo Binenbojm sieht zudem neuen Ärger auf den Präsidenten zukommen: „Die Drohung gegen Richter des Obersten Gerichtshofs und die flagrante Missachtung der Gewaltenteilung“ rufe zwingend weitere Ermittlungen auf den Plan, sagt Binenbojm, Verfassungsjurist an der Staatsuniversität von Rio de Janeiro. 

Mitteilung von Adveniat anlässlich des Unabhängigkeitstags: "Für ein demokratisches Brasilien" 

Autor: Klaus Ehringfeld, Mexiko

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