Argentinien: Veganer im Steak-Paradies
Ausgerechnet im Land mit dem "besten Fleisch der Welt" gibt es immer mehr Veganer. Tier- und Klimaschützer in Argentinien erhöhen den Druck auf die Fleischindustrie. Die versucht, Ruf und Geschäft zu retten.
"Veganismus ist Gerechtigkeit, Veganismus ist Gleichheit", steht auf den Plakaten geschrieben, die in Buenos Aires immer öfter zu sehen sind. "Rette den Planeten und iss keinen Fisch", ist auf einem anderen zu lesen. Klug platziert in der Nähe von Schulwegen oder Zufahrtsstraßen von Universitäten in der argentinischen Hauptstadt. Sie sind optischer Beleg, dass die vegane Klima- und Tierschutzbewegung auch im Land des wohl besten Fleisches der Welt angekommen ist und ihre Basis ausweiten will. Die traditionelle Viehzucht stellt das vor neue Herausforderungen. Denn die junge Generation in Argentinien stellt immer mehr Fragen, wie die Fleischproduktion organisiert ist.
Wachsende ökologische Produktion
Hinzu kommt eine wachsende Zahl von kleinen Betrieben, die auf nachhaltig und ökologisch bewusst produzierte Lebensmittel setzen. Wie Pablo Andres Bobadilla Echenique (37): "Ich bin der erste Vegetarier in vier Generationen meiner Familie", berichtet der in Chubut geborene Argentinier im Gespräch mit der DW. Er bewirtschaftet ein Stück Land in Pilar, einem Vorort der Hauptstadt. Ohne auf chemischer Basis hergestellter Düngemittel und Pestizide zurückzugreifen, wie Bobadilla erklärt. Das auf seinem Grundstück lebende Pferd reitet er nicht. Aufgrund seiner familiären Wurzeln fühlt er sich der indigenen Lebens- und Produktionsweise verbunden.
Er kritisiert das Image, das sich große Fleischkonzerne in Argentinien selbst aufgebaut hätten: "Die Unternehmen, denen die größten Ländereien gehören, sind keine romantischen Gauchos, die Gitarre spielen und Martin Fierro auswendig rezitieren", sagt Bobadilla. Tatsächlich seien diese großen Unternehmen durch ihre industrielle Produktion mit Hilfe von chemischen Düngemitteln für Ausplünderung und Zerstörung der Landschaft verantwortlich. Diese Pestizide und Düngemitteln würden oft von internationalen Konzernen geliefert, sagt Bobadilla.
Dem gegenüber steht die argentinische Kultur der "Asados" - das gemütliche, oft stundenlange familiäre Beisammensein beim Grill. "Das ist das Ritual der Rituale für die meisten Argentinier" sagt Adrian Bifaretti vom Institut zur Förderung von argentinischem Rindfleisch zu DW.
"Grünes Wasser" und keine Anabolika
Die Fleischproduzenten haben die langsame kulturelle Veränderung im Verhalten der Konsumenten aber längst bemerkt und versuchen, auf die wachsende vegane Bewegung zu reagieren. "Der Großteil der Produktion erfolgt auf naturbelassenen Weiden und Freilandwiesen. Das bedeutet, dass die Nutztierhaltung als System einen sehr geringen Einsatz von Betriebsmitteln wie Düngemitteln und Agrochemikalien hat. Der Einsatz von Anabolika ist im Land verboten", sagt Bifaretti.
Der größte Teil des verwendeten Wassers sei gemäß durchgeführter Studien "grünes Wasser". Es stamme aus Regenwasser und werde auf natürliche Weise im Wasserkreislauf recycelt. Die Emissionen seit Beginn der Kyoto-Verpflichtung (1990) sei deutlich zurückgegangen.
Kulturkampf auf der Agrar-Messe
Mit Spannung erwarten beide Seiten nun die nächste Landwirtschaftsmesse in Buenos Aires im Juli. Bei der letzten öffentlichen Show noch vor der Pandemie gelang einigen veganen Aktivistinnen und Aktivisten ein medialer Coup: Sie stürmten den Platz und schafften es so in die Zeitungen und TV-Sender. Damit wurde die vegane Bewegung erstmals auch in Argentinien einem breiteren Publikum bekannt. Es folgten TV-Debatten und gegenseitige Vorhaltungen. Die Pandemie, die in Argentinien besonders hart zuschlug, beendete erst einmal die öffentliche Debatte.
Doch mit dem Ende der Corona-Debatte kommt nun auch dieses Thema wieder auf die Tagesordnung. Der Veganismus verbindet die Tier- und Klimaschutzfrage auch mit Diskussion über Landbesitz und sozialer Gerechtigkeit. Die Forderungen gehen deshalb über die des reinen Fleischbesitzes hinaus: Es geht auch um Landrückgabe an indigene Völker und Zugang für Kleinbauern, kurzum um einen Systemwechsel.