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Brasilien |

Wie Bolsonaro das Vertrauen in die Demokratie untergräbt

Brasiliens radikal rechter Präsident hat Halbzeit und bereitet schon seine Wiederwahl vor. Politikbeobachter sehen beunruhigende Parallelen zu den USA - denn wie Trump versucht auch Bolsonaro das Vertrauen in die staatlichen Institutionen zu schwächen.

Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro (links) bei einem Treffen mit Präsident Donald Trump am 7. März 2020 in Florida in den USA.

Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro (links) bei einem Treffen mit Präsident Donald Trump am 7. März 2020 in Florida in den USA. Foto: Bolsonaro und Trump, Alan Santos/PR, Palácio do PlanaltoCC BY 4.0, Zuschnitt

Jair Bolsonaro, da darf man sehr sicher sein, hat am 6. Januar genau hingeschaut, als der Mob das Kapitol in Washington gestürmt hat. Und es hat ihm gefallen, was er sah, da machte der radikal rechte Präsident Brasiliens keinen Hehl daraus. „Was war das Problem, das diese ganze Krise verursacht hat? Mangelndes Vertrauen in die Wahl“, sagte Bolsonaro anschließend vor Anhängern. Und genau wie sein großes Vorbild Donald Trump legte er eine Lüge nach und behauptete, dass die Briefwahl in den USA zur mehrfachen Stimmabgabe und damit zum Betrug missbraucht worden sei. Und er schlug die Brücke in sein eigenes Land. „Wenn wir 2022 nicht zur traditionellen Wahl mit papiernen Stimmen zurückkehren, um die Wahl zu überprüfen, werden wir hier ein noch größeres Problem haben als die USA“. 

Bolsonaro beginnt schon zwei Jahre vor der Abstimmung, das Vertrauen in sie zu untergraben. Es ist noch nicht lange her, dass er seine Anhänger gegen die demokratischen Institutionen aufwiegelte. Monatelang demonstrierten sie für die Schließung des Kongresses und des Obersten Gerichtshofes. Und der Präsident war oft in vorderster Front dabei.

Spätestens nach den Szenen aus den USA und der Reaktion Bolsonaros darauf sind bei Brasiliens Opposition und den demokratischen Institutionen sowie der Zivilgesellschaft die Alarmsignale angesprungen. Denn es ist klar, dass Bolsonaro genau zur Halbzeit seiner vierjährigen Amtszeit schon beginnt, die Wiederwahl unter allen Umständen vorzubereiten. Falls er an den Urnen verlieren sollte, liebäugelt er offenbar auch mit einem Sturm auf die Demokratie, die ja nach seinem Duktus nur dem „Establishment“ zum Machterhalt diene. Seine Anhänger würden ihm dann seine Macht sichern. Zur Not mit Gewalt. 

Machterhalt mit allen Mitteln?

Auch Pedro Abramovay, Direktor von „Open Society Foundations“ in Lateinamerika sieht Bolsonaro eine Strategie vorbereiten, um im Falle einer Wahlniederlage auf alle Fälle an der Macht zu bleiben. „Wir reden hier von einem Präsidenten, der sein politisches Leben darauf aufgebaut hat, die Demokratie zu diskreditieren“, unterstreicht der Regionalchef der von US-Milliardär George Soros gegründeten zivilgesellschaftlichen Organisation. Daher müssten die Institutionen des Landes wie das Militär und der Oberste Gerichtshof (STF) und eine geeinte bürgerliche Opposition ein „Gegengewicht“ zu den „anti-demokratischen Aussagen“ der Regierung und des „Bolsonarismus“ bilden. Das Oberste Gericht könne die Einhaltung der Verfassung nur dann garantieren, wenn es wichtige politische Kräfte gebe, die sich den „umstürzlerischen Intentionen des Präsidenten entgegenstellen“, unterstreicht Abramovay und verweist auf die Beispiele Ungarn und Türkei. Dort hätten die autoritären und undemokratischen Regierungen zuvor allmählich die demokratischen Institutionen unterminiert. 

Kommunalwahl: Bolsonaro verliert Zustimmung

João Doria, Gouverneur des Bundesstaates São Paulo und einer der aussichtsreichsten Gegenkandidaten Bolsonaros bei der Wahl im kommenden Jahr, sprach angesichts der Bilder aus der USA von einem „Alarm für Brasilien“. Autoritäre und fanatische Kräfte wollten die Institutionen schwächen.
 
„Brasilien wird von einem Spalter regiert, den Militärs sekundieren, die von Politik keine Ahnung haben,“ resümiert auch der politische Autor Rubens Valente in einem Satz eine ganze Amtszeit. Das lasse für die kommenden 24 Monate nichts Gutes erwarten. Die Opposition von links und rechts müsse sich einigen, damit Bolsonaro wie „eine kurze historische Anomalie in Erinnerung bleibt, die ein Desaster hinterlassen hat“, aber am Ende überwunden wurde, unterstreicht der Analyst Bruno Bimbi. 
 
Hoffnung darauf machen jüngere Umfragen und die Kommunalwahlen Ende November. Jeder dritte Brasilianer hält Bolsonaros Amtsführung für schlecht oder katastrophal. Bei der Kommunalwahl kassierte der Staatschef eine Schlappe. Praktisch alle seine Kandidaten in den Großstädten unterlagen. Die Brasilianer wählen zwar weiterhin mehrheitlich konservativ, aber neigen inzwischen wieder der klassischen „alten“ bürgerlichen Rechten zu und weniger dem polternd-populistischen Hardliner im Präsidentenamt.

Schlechtes Corona-Krisenmanagement

Schließlich ist die bisherige Amtszeit des Rechtspopulisten für das größte Land Lateinamerikas ein gigantischer Rückschritt gewesen. Vor allem deshalb, weil die Amazonas-Abholzung unter ihm neue Rekordstände erreicht hat und Brasilien dabei ist, sich zu einem „Paria-Staat“ zu entwickeln, wie der brasilianische Umweltexperte Carlos Rittl vom Potsdamer „Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung“ (IASS) jüngst sagte.  
 
Zudem hat der Staatschef weder die Corona-Pandemie noch die Wirtschaft nur annähernd im Griff. Das Bruttoinlandsprodukt der größten Volkswirtschaft Lateinamerikas fällt laut Prognosen der Zentralbank dieses Jahr um 4,4 Prozent. Schlimmer noch ist, dass das Land die Corona-Pandemie nicht kontrolliert bekommt. Mit weltweit den drittmeisten Infizierten (8,3 Millionen) und den zweitmeisten Toten (207.000) tut Bolsonaro dennoch immer noch so, als sei diese Infektionskrankheit eine „Gripezinha“ eine kleine Grippe, und wehrt sich mit Händen und Füßen gegen die Impfung, die das Oberste Gericht kurz vor Weihnachten faktisch für jeden Brasilianer verpflichtend gemacht hat. 
 
Eine gute Nachricht aber ist, dass Bolsonaro in den kommenden zwei Jahren auf dem amerikanischen Kontinent mit seinem ultrarechten Chaos-Kurs isoliert sein wird. Sein größter Verbündeter und Bruder im Geiste, Donald Trump, wird in wenigen Tagen als Präsident Geschichte sein. Bolsonaro wollte dessen Pleite bis zuletzt nicht wahrhaben und gratulierte dem künftigen US-Präsidenten Joe Biden als Letzter der G-20-Präsidenten. Der Brasilianer weiß, dass mit dem neuen Chef im Weißen Haus vor allem seine Umweltpolitik an Grenzen stoßen wird.

Autor: Klaus Ehringfeld

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