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Wahlen in Ecuador: "Sie müssen für eine transparente Neuauszählung sorgen"

Bei den Präsidentschaftswahlen in Ecuador seht noch nicht fest, wer gegen Andrés Arauz in die Stichwahl einzieht. Aktuell werden Stimmen neu ausgezählt. Mario Melo spricht im Interview über Vorwürfe des Wahlbetrugs und Vertrauensverluste der Demokratie.

Präsidentschaftskandidat Yaku Pérez der Partei Pachakutik (Archivbild). Foto: Asamblea Nacional del EcuadorCOMUNIDADES INDÍGENASCC BY-SA 2.0

Mario Melo ist Menschenrechtsanwalt und Dozent an der Päpstlichen katholischen Universität von Ecuador in Quito. Er leitet das Menschenrechtszentrum der Universität und kennt Ecuadors Wahlsystem en détail. Das steht nun unter dem Verdacht des Wahlbetrugs.

Am Morgen des 8. Februar nach Auszählung von 97,56 Prozent der abgegebenen Stimmen der Präsidentschaftswahl betrug der Vorsprung von Yaku Pérez 0,2 Prozentpunkte gegenüber dem konservativen Bankier Guillermo Lasso. Dann ordnete der Wahlrat (CNE) eine Neuauszählung einzelner Wahlbezirke an – warum? Gibt es Indizien für einen Wahlbetrug?

Ich halte es für verfrüht zu beurteilen, ob es einen Wahlbetrug gab. Sicher ist, dass die Wahl und der Prozess der Auszählung der Stimmen nicht ausreichend transparent ist – sonst hätte es niemals die Gerüchte über Wahlbetrug gegeben, für den bestimmte politische Kreise verantwortlich gemacht werden.

Warum hat das nationale Wahlgericht die Weisung ausgegeben teilweise nachzuzählen?

Der Grund dafür sind fehlenden Angaben, Unterschriften, Wahlunterlagen, Wahlscheine oder auch Fehler beim Zusammenzählen der Stimmen – alle möglichen Auffälligkeiten. Alle Unterlagen der Auszählung mit diesem Vermerk werden dann gemeldet, erst den regionalen Wahlräten, dann dem Nationalen Wahlrat.

Wenn die politischen Parteien auf Unstimmigkeiten aufmerksam gemacht werden, können sie den nationalen Wahlrat auffordern, die Überprüfung der Urnen anzuordnen und das ist geschehen – das ist ein festgelegter Vorgang.

Der hat zur Neuauszählung einzelner Urnen geführt und dabei hat Yaku Pérez, der Kandidat der Partei Pachakutik seinen Vorsprung gegenüber dem konservativen Kandidaten Guillermo Lasso verloren. Allerdings sind auch Wahlscheine für Yaku Pérez in mindestens einem Ort im Müll gefunden worden. Daraufhin forderte die Partei Pachakutik die Neuauszählung aller Urnen ein, richtig?

Nicht aller Urnen, aber in sieben der 21 Provinzen in Ecuador.

Das heißt, es wird dauern bis klar ist, wer in den zweiten Wahlgang einziehen wird. Sorgt das nicht für sinkende Glaubwürdigkeit des Wahlsystems sowie des politischen Systems?

Ja, leider. Ecuador hat seit Jahren ein Wahlsystem, welches das Vertrauen mehrfach enttäuscht hat. Bei diesen Wahlen hat die Nichtzulassung von Álvaro Noboa, (einem Bananen- und Immobilienmilliardär und Politiker) für Aufsehen und Unverständnis gesorgt. Dabei handelte es sich wohl um einen Fehler, der aber weder eingeräumt noch korrigiert wurde. Das trägt zum Vertrauensverlust in die Institution bei, genauso wie der Wahlprozess und all die Widersprüche bei der Auszählung.

Derzeit ist der Sieger des ersten Wahlgangs mit Andrés Arauz recht unstrittig. Doch ob Guillermo Lasso oder Yaku Pérez gegen Andrés Arauz am 11. April antreten werden ist vollkommen offen – das könnte aber entscheidend für die Zukunft des Landes sein.

Richtig. Der Wahlrat hat in der Nacht nach der Wahl die Aussage gemacht, dass die Tendenz für Yaku Pérez spreche. Das wurde wenig später vom Vizepräsident des Wahlrats dementiert. Seitdem kursieren die Gerüchte über eine mögliche Manipulation. Das sind schlechte Nachrichten für die Demokratie und gute Gründe die Ergebnisse unter die Lupe zu nehmen.

Ist Yaku Pérez eine Gefahr für den Status Quo des politischen Systems in Ecuador?

Yaku Pérez tritt für die Rechte der Natur und die der indigenen Völker Ecuadors ein und er bringt frischen Wind in die Politik – schon jetzt ist das Wahlergebnis relevant, weil es die politischen Spielregeln verändern wird. Pachakutik ist die zweitstärkste Kraft im Parlament, das ist ein Erfolg. Zudem verleiht er den Jungwählern, für die der Klimawandel, der Schutz der natürlichen Ressourcen ein Thema ist, eine Stimme. Yaku Pérz hat an den Protesten gegen die neoliberale Sparpolitik der Regierung von Lenín Moreno im Herbst 2019 teilgenommen, besitzt hohe Glaubwürdigkeit und hat sich zu einer wichtigen Figur im aktuellen politischen Spektrum entwickelt.

Dazu trägt auch sein umsichtiges Auftraten in der jetzigen Krise bei, oder?

Ja, er hat Guillermo Lasso zu Gesprächen gebeten – im zentralen Wahlrat. Sein Ziel ist es ein transparentes Ergebnis zu ermöglichen, was dem politischen System etwas Glaubwürdigkeit zurückgibt. Die beiden haben sich auf eine Neuauszählung aller Stimmen in der Provinz Guayas geeinigt und die Auszählung der Hälfte der Stimmzettel in sechzehn weiteren Provinzen. Das ist ein Signal, genauso wie die Ansage in Richtung Korruption zu ermitteln. Die ist in Ecuador zu einem gravierenden Problem geworden.

Sehen Sie einen Ausweg aus der politischen Krise, vor der das Land nun steht?

Ich denke, vieles hängt vom Wahlrat ab und deren Gremien auf regionaler Ebene. Sie müssen für eine transparente Neuauszählung sorgen, unter internationaler Beobachtung. Das ist die zentrale Herausforderung und das gilt natürlich auch für den 2. Wahlgang – wer auch immer antreten wird gegen Andrés Arauz.

Das Interview führte Knut Henkel 

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