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Peru |

Viele Bewerber für Perus Schleudersitz

Am Sonntag wählt Peru einen neuen Präsidenten - mit erstaunlich vielen Kandidaten für ein Amt, das in den vergangenen Jahren von Skandalen bestimmt war. So dominiert bei der Bevölkerung  der Frust über die politische Klasse, keiner der 18 Kandidaten begeistert die Wähler. Und dann ist da noch die Corona-Krise.

Das Parlamentsgebäude in Lima. Foto: Congreso de la República del Perú/CC BY 2.0

Es ist noch kein halbes Jahr her, da zog ein kurzer, aber sehr heftiger politischer Wirbelsturm über Peru, der das Land an den Rand eines Bürgerkriegs brachte. In zehn Tagen hatte Peru drei Präsidenten, einer davon blieb nur sechs Tage im Amt. Zehntausende vor allem junge Menschen gingen seinerzeit auf die Straße, um gegen die korrupte und unfähige politische Klasse zu protestieren. Mindestens zwei Jugendliche starben durch Polizeigewalt, Hunderte wurden verletzt. Dieser Sturm flaute aber so schnell wieder ab, wie er aufgebrandet war. Seither führt Übergangspräsident Francisco Sagasti das südamerikanische Land. Und am Sonntag wird ein Nachfolger für ihn gesucht. 
 
Dafür bewerben sich anderthalb Dutzend Politikerinnen und Politiker aller Couleur. Aber das Interesse an Wahl und Bewerbern könnte in der Bevölkerung kaum geringer sein. Für niemanden unter den 18 Kandidatinnen und Kandidaten erwärmen sich die Menschen. Nur fünf von ihnen erreichen den Umfragen zufolge überhaupt mehr als zehn Prozent in der ersten Runde am Sonntag. Es sind drei Rechte, eine Linke und ein „Populist". Unter diesen Bewerbern mit Aussicht auf die Stichwahl befindet sich auch Keiko Fujimori, mehrfache Ex-Kandidatin und Tochter des früheren autokratischen Herrschers Alberto Fujimori. 28 Prozent der Wähler haben hingegen überhaupt keine Idee, wen sie wählen sollen und ob überhaupt. In dem Andenstaat herrscht totale Desillusionierung mit dem politischen System. Und das liegt nicht in erster Linie am chaotischen Management der Coronapandemie.

Kein Traumjob
 

Ohnehin verwundert, dass das Präsidentenamt noch so anziehend ist. Ein Traumjob sieht in dem Krisenstaat wahrlich anders aus. Der Regierungssitz in der „Casa de Pizarro“ in Lima hat sich in den vergangenen Jahren zum gefährlichen Schleudersitz entwickelt. Staatschefs saßen mitunter kürzer im Präsidentenpalast als anschließend dann im Hausarrest oder auch in Haft.
 
Alberto Fujimori ist der bekannteste Fall, aber auch Alejandro Toledo, der in den USA in Auslieferungshaft sitzt, und Ollanta Humala gehören ebenso wie Pedro Pablo Kuczynski dazu. Alan García schoss sich vor knapp zwei Jahren eine Kugel in den Kopf, als die Ermittler anrückten. Und immer ging oder geht es um Bestechlichkeit, Mauschelei und Vorteilsnahme. Der Korruptionsskandal um den brasilianischen Baukonzern Odebrecht hat nirgends in Lateinamerika solche Schneisen in die politische Elite geschlagen wie in Peru. Aber gerade deswegen steckt das Land seit Jahren in einer tiefen politischen Krise. Die zehn Chaostage im November seien nur „die dramatische Spitze der Dekadenz unserer politischen Klasse gewesen“, sagt die peruanische Filmemacherin Sonia Goldenberg. 

Vor fünf Monaten gingen genau deshalb vor allem junge Menschen auf die Straßen, nachdem das Parlament Staatspräsident Martín Vizcarra in einem undurchsichtigen Verfahren wegen „moralischer Untauglichkeit“ seines Amtes enthoben hatte. Er soll als Gouverneur der südlichen Region von Moquegua im Jahr 2014 Bestechungsgeld angenommen haben. In der Bevölkerung und auch in Teilen des Auslands wurde diese Absetzung wie ein politisches Manöver gesehen, um einen unliebsamen Politiker loszuwerden. Vizcarra war in der Bevölkerung trotz der schwerwiegenden Auswirkungen der Corona-Krise beliebt. Sein Nachfolger, Interimspräsident Manuel Merino, gab nach wenigen Tagen entnervt auf. Seither regiert der Technokrat Sagasti überraschend unaufgeregt. 
 
Vizcarra war gerade deshalb beliebt, weil er den Filz in Regierung und Parlament beenden wollte, der Peru seit Ewigkeiten paralysiert. Denn auch der Kongress gilt als höchst korrupt: Gegen 68 der 130 Abgeordneten laufen Ermittlungen wegen verschiedener Vergehen oder Verbrechen.  

Vision, Ideen und Mut benötigt
 

Das südamerikanische Land benötigt dringend ein Staatsoberhaupt mit Vision, Ideen und Mut. Denn die Herausforderungen sind unfassbar groß. Mehr als anderthalb Millionen Infizierte und fast 55.000 Tote machen Peru zu einem der von Covid am härtesten getroffenen Länder Lateinamerikas im Verhältnis zur Einwohnerzahl. Die Wirtschaft brach vergangenes Jahr um elf Prozent ein. Die offizielle Arbeitslosenzahl sprang auf fast 14 Prozent. Und politisch ist das Land stets am Rande einer neuen Explosion. 
 
In den jüngsten Umfragen liegen neben Fujimori auch die Kandidaten Yonhy Lescano (Acción Popular) und Hernando de Soto (Avanza País) gut im Rennen. Lescano (62) ist ein Mitte-links-Kandidat, der 18 Jahre im Parlament gesessen hat. De Soto, der demnächst 80 wird, ist ein ausgewiesener Wirtschaftsexperte, der Alberto Fujimori und internationalen Regierungen als Berater diente. Einen Aufbruch in die Zukunft versprechen weder Lescano noch de Soto. 
 
Der könnte mit Verónika Mendoza (41) gelingen. Die Kandidatin von „Juntos por el Perú“ ist ideologisch am klarsten zuzuordnen und vertritt linke und moderne Positionen. Sie thematisiert Frauenrechte, LGBT, Ausbeutung der Naturschätze und die Frage nach einer geeinten linken Bewegung in Lateinamerika.

Klaus Ehringfeld

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