Verladung auf hoher See: Chinas Fischzüge vor Lateinamerikas Küste
Umweltschützer sind ebenso besorgt wie die lokale Fischerei. Chinas Fangflotte greift die Fischbestände vor Südamerika ab. Legal, aber grenzwertig. Protest der Staaten gegen die wirtschaftliche Großmacht ist selten.
Konteradmiral John Merlo wusste, was die Radarbilder zu bedeuten hatten: "Heute haben wir genau die richtige Wasser-Temperatur für die Tintenfischjagd, also haben sie sich bis an unsere Gebietsgrenze genähert." Gemeint ist die chinesische Fischerei-Flotte, die sich im Juni wieder einmal vor dem Hoheitsbereich Ecuadors positioniert hatte. Die Tageszeitung "El Universo" hatte über die Beobachtungen des ecuadorianischen Militärs berichtet. Inzwischen setzt die Regierung auf Aufklärungsflüge der Luftwaffe und Überwachungsspezialisten der Marine, um zu erkunden, wer wann und wo vor ihrer Küste unterwegs ist.
Die Antwort ist ziemlich eindeutig. Im vergangenen Jahr waren es 98,7 Prozent der Fischerei-Schiffe, die unter chinesischer Flagge in den internationalen Gewässern vor der Küste Südamerikas unterwegs waren. Der Tintenfisch-Fang in dem Gebiet wird komplett von den Chinesen dominiert. "Unser Meer hält diesem Druck nicht mehr stand", sagte jüngst Alberto Andrade, ein Fischer von Galapagos der "New York Times". "Nicht einmal die Pandemie hat die Chinesen aufgehalten."
Großer Hunger nach Fisch
Besorgniserregend ist aber eine weitere Zahl: Der Umschlag der Fänge findet meist im Verborgen auf offener See statt. Im gesamten Jahr 2021 zählt die Statistik nur noch drei Hafenbesuche chinesischer Tintenfisch-Schiffe in Südamerika. Umgeladen und abtransportiert in Richtung China wird inzwischen auf hoher See. 2021 waren es mit 2.511 solcher Umschlagbegegnungen rund 1.000 mehr als im Vorjahr. Und niemand hat die Möglichkeit zu überprüfen, was da verladen wird. "Umladungen auf hoher See ermöglichen es den Flotten, außerhalb der Sichtweite der Behörden zu operieren, was es ihnen erleichtert, illegale Fänge zu verbergen", berichtete Luisina Vueso von Greenpeace dem argentinischen Portal "Bariloche Digital".
2009 bis 2021 hat sich die Zahl der unter chinesischer Flagge fahrenden Schiffe, die teilweise monatelang im Südpazifik fischen, verachtfacht. Das macht die Dimensionen des chinesischen Hungers nach Fisch deutlich. Hinzu kommen allerhand Zwischenfälle. Seit die ecuadorianischen Behörden 2017 das Schiff "Fu Yuang Yu Leng 999" mit 300 Tonnen Fisch, darunter 6.620 Haie, kontrollierten, ist die Sorge groß, dass China die Küsten dramatisch überfischt. Der beschlagnahmte illegale Fang stammte aus den Gewässern vor den Galapagos-Inseln, die wegen ihrer ökologischen Diversität besonders geschützt sind.
Ecuador, Peru, Argentinien und zurück
Allerdings: China fischt meist nur in internationalen Gewässern und nutzt das Fischereirecht dabei maximal aus. Zumindest verrät dies das Vessel Monitoring System, ein satellitengestütztes Überwachungssystem für Fischerei-Schiffe. Sofern die Sender eingeschaltet sind. Zwar ist es legal, ethisch aber hoch umstritten, wenn Chinas Schiffe bis an die Seegrenzen lateinamerikanischer Staaten auf der anderen Seite des Planeten vordringen, um den eigenen Fischbedarf zu stillen.
Stimmen die Beobachtungen von Umweltschützern, dann wandert die chinesische Fischerei-Flotte mit den Jahreszeiten von den Küsten Ecuadors über Peru bis nach Argentinien - immer auf und ab. "Bei der Langstreckenflotte, die im südamerikanischen Pazifik insbesondere für den Riesentintenfisch operiert, ist es eine Tatsache, dass die meisten Schiffe unter chinesischer Flagge fahren. Aber es gibt auch Fahrzeuge unter Flagge Südkoreas oder Taiwans", erklärt Nancy De Lemos, Sprecherin der NGO "Global Fishing Watch" auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Ecuadors Regierung wiederum bleibt wie so viele andere zurückhaltend. Man will die Handelsbeziehungen mit China weiter auszubauen und keine Verstimmungen mit dem wachsenden Riesen auf der anderen Seite des Ozeans provozieren. Präsident Guillermo Lasso berichtete erst im September über eine Neuverhandlung der ecuadorianischen Auslandsschulden bei China. Das würde dem Land 1,4 Milliarden Dollar einsparen. Ein großer Erfolg für Ecuadors Wirtschaft, so Lasso.