Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
Mexiko, USA |

USA: Corona als Vorwand für ausgesetztes Asylrecht

An der US-Grenze werden seit Beginn der Corona-Pandemie Geflüchtete nach Mexiko abgeschoben. Grund dafür ist das Dekret "Title 42", das dafür sorgen soll, dass das Coronavirus nicht eingeschleppt wird. Damit bleibt auch unter Präsident Biden das Asylrecht faktisch ausgesetzt.

Kinder spielen auf dem Boden einer zur Migrantenherberge umfunktionierten Turnhalle in Ciudad Juárez, einer mexikanischen Stadt an der Grenze zu den USA. Foto: Carolina Rosas Heimpel

Kinder spielen auf dem Boden einer zur Migrantenherberge umfunktionierten Turnhalle in Ciudad Juárez, einer mexikanischen Stadt an der Grenze zu den USA. Foto: Carolina Rosas Heimpel

Michelle hält das Handy an die tränennasse Wange. „Wir sind wieder in Mexiko“, bringt sie schluchzend hervor. Auf ihrem Schoß sitzt ein Baby, zwei kleine Mädchen schmiegen sich neben ihr an einen Teddy und lauschen dem Telefongespräch der Mutter. 

Die kleine Familie aus Honduras hatte es vermeintlich geschafft. War horrenden Schutzgeldforderungen der Jugendbanden für den kleinen Essensstand vor der Haustür entkommen, hatte die gefährliche schuldenträchtige Reise durch das riesengroße Mexiko überstanden und sich hinter der Mauer zur USA der Border Patrol ausgeliefert, um Asyl zu beantragen, berichtet Michelle. Sie seien festgenommen und über eine Brücke geleitet worden. „Dahinter wird euer Asylantrag aufgenommen“, habe der Beamte gesagt und sie vorwärts geschoben. 'Welcome to Mexico' habe sie entsetzt auf einem Schild gelesen.

Das Asylrecht an der Grenze bleibt ausgesetzt

Die Mitarbeiter der Geflüchtetenunterkunft Kiki Romero in der mexikanischen Grenzstadt Juárez versuchen, die verzweifelte junge Frau und weitere 100 Menschen, die heute angekommen sind, zu beruhigen. Die meisten sind alleinreisende Mütter mit Kindern aus Mittelamerika; andere Geflüchtete sind aus Südamerika und der Karibik. Draußen hat UNICEF Waschbecken, Toiletten, Duschen und Zelte zum Windelwechseln aufgestellt. Die Stadt stellt das Personal, die Regierung Essen sowie Stockbetten, die auf dem Basketballfeld der umfunktionierten Sportanlage stehen. 

„Das Asylrecht bleibt ausgesetzt, die Türen zu den USA geschlossen“, berichtet Rogelio Pinal, Menschenrechtsbeauftragter von Ciudad Juárez. Laut dem gesundheitspolitischen „Title 42“, den der amerikanische Ex-Präsident Donald Trump zu Beginn der Pandemie erließ, sollen an der Grenze Festgenommene am nächsten internationalen Übergang abgeschoben werden, um eine Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern. „Tatsächlich werden aber unzählige Personen nach El Paso, Texas, gebracht und von dort aus nach Juárez abgeschoben.“ Ein Verwirrspiel, das vor allem zu Lasten der Betroffenen gehe.

Kinder in kritischem Gesundheitszustand

„Achzig Prozent der Kleinkinder und Babies kommen in kritischem Gesundheitszustand an“, berichtet Pinal. Flucht und Abschiebehaft hinterließen ihre Spuren. Dehydrierung und Lungenentzündung seien eine ständige Konstante und die schwersten Fälle müssten sie ins Kinderkrankenhaus bringen. So ist er froh, wenn Kinderlärm durch die Sportanlage dringt und nicht das „alarmierende kleine Husten“, das ihm eine Gänsehaut bereitet.

Dass es trotz der steigenden Zahl Abgeschobener nicht zur humanitären Krise an der Grenze kommt, zeugt vom guten Zusammenspiel sämtlicher Akteure in der staubigen Grenzmetropole. „Juárez ist auf nationaler wie internationaler Ebene ein Erfolgsbeispiel“, schließt Rogelio Pinal mit Genugtuung. 

Im Jahr 2019 erreichten Flucht und Migration an die Grenze ihren ersten Höhepunkt; im Lockdown von 2020 fielen die Zahlen. Pünktlich zu US-Präsident Joe Bidens Amtsantritt Anfang 2021 schossen sie enorm in die Höhe. Doch Joe Biden hat die Hoffnungen in eine liberalere Migrationspolitik bisher nur punktuell erfüllt. So machte er die Maßnahme seines Vorgängers Trump rückgängig, dass Tausende von Asylanwärtern in den mexikanischen Grenzstädten auf ihr Verfahren warten mussten. 

Corona sorgt für eine neue unsichtbare Mauer

„Es ist eine große Erleichterung für die Menschen, dass sie endlich in die Vereinigten Staaten können“, erklärt Alex Rigol. Der junge Katalane hat das Büro der Internationalen Organisation für Migration (UN-IOM) in Ciudad Juárez aufgebaut. Seit so viele Menschen in der Grenzstadt mitten auf dem Kontinent stranden, installierten sich hier erstmals auch UN-Organisationen. Rigols neuformiertes Team war die letzten Monate im Dauereinsatz. Etwa 5.600 Geflüchtete haben UNHCR und UN-OIM seit Februar von Ciudad Juárez nach El Paso geleitet; insgesamt 12.000 waren es entlang der gesamten Grenze.

Den Titel 42, der eine neue „unsichtbare Mauer“ gegen Asyl aufgebaut hat, hat Biden jedoch bislang nicht zurückgenommen. Fast eine Million Menschen sind seit März 2020 unter diesem Dekret nach Mexiko abgeschoben worden. Doch über die US-amerikanische Migrationspolitik mag und kann Alex Rigol nicht urteilen. „Unsere Aufgabe ist es, für die humanitären Herausforderungen an der Grenze eine Lösung zu finden, egal welcher Präsident in den USA gerade an der Macht ist.“ 

Kirche und Zivilgesellschaft unterstützen Migranten

Ob unter Trump oder Biden müsse Ciudad Juárez auf die Geschehnisse im Nachbarland eine Antwort finden und auf lokaler Ebene auf internationale Politik reagieren. Ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis von katholischen und evangelischen Gemeinden habe daneben erfolgreich ein Herbergennetzwerk und eine vorgeschaltete Quarantänestation für Geflüchtete sowie Migrantinnen und Migranten aufgebaut. „Solidarische Orte, an denen Menschen nach Gewalterfahrungen, Flucht und Abschiebung aufgenommen werden“, so Rigol.

Hilfe für Geflüchtete und Migranten
In Mexiko sind die Migranten der Corona-Pandemie schutzlos ausgeliefert. Die vom Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat unterstützte Herberge "Casa del Migrante" in Saltillo bietet nicht nur Unterkunft sondern auch medizinische und juristische Hilfe.

Autorin: Kathrin Zeiske

Weitere Nachrichten zu: Politik, Soziales

Cookie Einstellungen

Erforderliche Cookies sind für den reibungslosen Betrieb der Website zuständig, indem sie Kernfunktionalitäten ermöglichen, ohne die unsere Website nicht richtig funktioniert. Diese Cookies können nur über Ihre Browser-Einstellungen deaktiviert werden.

Anbieter:

Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.

Datenschutz

Marketing-Cookies werden verwendet, um Besuchern auf Webseiten zu folgen. Die Absicht ist, Anzeigen zu zeigen, die relevant und ansprechend für den einzelnen Benutzer sind und daher wertvoller für Publisher und werbetreibende Drittparteien sind.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz

Statistik-Cookies dienen der Analyse und helfen uns dabei zu verstehen, wie Besucher mit unserer Website interagieren, indem Informationen anonymisiert gesammelt werden. Auf Basis dieser Informationen können wir unsere Website für Sie weiter verbessern und optimieren.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz