Schwere Proteste in Chile nach Tötung eines Straßenkünstlers durch Polizisten
Am Wochenende haben schwere Proteste einige Regionen in Chile erschüttert. Die Demonstrationen waren ausgebrochen, nachdem ein Polizist einen Straßenkünstler erschossen hatte.
Nach der Tötung eines Jongleurs durch einen Polizisten in Chile ist es in der Hauptstadtregion von Santiago in der Nacht zu Sonntag zu Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten gekommen. Laut lokalen Medienberichten sind dabei zahlreiche Menschen festgenommen worden. Bereits eine Nacht zuvor eskalierten im Süden Chiles Proteste. In der Stadt Panguipulli brannten Demonstranten zehn öffentliche Gebäude nieder, darunter das Rathaus, die örtliche Poststation und ein Gerichtsgebäude.
Die Proteste waren ausgebrochen, nachdem ein Polizist den jungen Straßenkünstler Francisco Martínez in Panguipulli erschossen hatte. Martínez soll sich zuvor bei einer Routinekontrolle geweigert haben, dem Beamten seine Papiere zu zeigen. Daraufhin soll der Polizist seine Waffe gezogen haben, wie Augenzeugen lokalen Medien mitteilten. Im Anschluss sei es zu Schüssen gekommen. Ein Video der Tat, das in den Sozialen Medien zirkuliert, zeigt, wie der Straßenkünstler Martínez versuchte, den Schüssen auszuweichen, und dann auf den Beamten zu rannte. Er hielt dabei zwei Macheten in der Hand, die Teil seiner künstlerischen Darbietung waren. Nachdem ihn Schüsse des Polizisten getroffen hatten, brach er mitten auf einer viel befahrenen Straße zusammen.
Der Beamte plädierte auf Notwehr. Die Behörden der Region teilten mit, dass sie den mutmaßlichen Schützen festgenommen hätten. Derzeit würden Beweisvideos ausgewertet, zitiert die New York Times ein lokales Gericht. Der Innenminister von Chile, Rodrigo Delgado, forderte die örtliche Polizei auf, alle Beweismittel offenzulegen. Er sagte auch: "Wir sprechen hier von einem Polizisten, der seine Waffe als letztes Mittel einsetzen kann, wenn sein Leben oder das anderer bedroht ist. Es muss geklärt werden, ob er sich an die geltenden Vorschriften gehalten hat."
Polizeigewalt in Chile
Immer wieder steht die Polizei in Chile, die Carabineros, in der Kritik, massive Gewalt gegen Landsleute anzuwenden. Während der landesweiten Proteste im Jahr 2019, bei denen 36 Menschen ums Leben kamen, setzte sie immer wieder Tränengas und Wasserwerfer gegen Demonstranten ein. Mehr als 450 Menschen erlitten laut Menschenrechtlern daraufhin Augenverletzungen. Zudem sieht sich die Polizei mit 8.500 Vorwürfen von Polizeigewalt konfrontiert, die allein im Jahr 2019 begangen worden seien. Menschenrechtsorganisation wie Amnesty Internationel werfen vereinzelt Polizisten vor, an Folter an Festgenommenen nach Protesten beteiligt gewesen zu sein. Zudem prangert die Organisation eine "Tradition der Straflosigkeit" an, die Polizeigewalt in Chile häufig nach sich zöge.
Viele Chilenen fordern deshalb umfassende Reformen innerhalb der Sicherheitskräfte. Bereits im vergangenen Jahr musste der umstrittene Polizeichef Mario Rozas seinen Platz räumen, nachdem zwei Minderjährige bei Protesten erschossen worden waren. Auch sein Nachfolger muss am 25. Februar aufgrund von Vorwürfen der Menschenrechtsverletzungen während der Proteste 2019 vor einem Gericht aussagen.
Seit Oktober 2019 durchlebt Chile immer wieder Wellen von sozialen Protesten. Die ersten Demonstrationen waren ausgebrochen, nachdem die Regierung von Sebastian Piñera die Ticketpreise des öffentlichen Nahverkehrs erhöht hatte. Die Demonstranten fordern umfassende gesellschaftliche Reformen. Ende vergangen Jahres sprach sich eine Mehrheit der Chilenen in einem Referendum für die Ausarbeitung einer neuen Verfassung aus, die den Weg für weitere Reformen freimachen soll.