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Klare Mehrheit für neue Verfassung in Chile

Die Chilenen haben in einem Referendum mit deutlicher Mehrheit für eine Verfassungsreform votiert. Hochrechnungen zufolge stimmten 78 Prozent für eine Änderung der Verfassung, die noch aus der Militärdiktatur stammt.

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Befürworter einer neuen Verfassung werben in der Hauptstadt Santiago de Chile mit ihrem Slogan "Apruebo" - "Ich stimme zu". Foto: Klaus Ehringfeld

Chile ist offenbar auf dem Weg zu einer neuen Verfassung. Nach Auszählung der Stimmen bei einem Referendum in 45 Prozent der Wahllokale lagen die Befürworter der Ausarbeitung eines neuen Grundrechts mit rund 78 Prozent vorn. Das Referendum gilt als wichtigste Abstimmung in Chile seit der Rückkehr zur Demokratie vor 30 Jahren. 14,8 Millionen Bürger des südamerikanischen Landes waren aufgerufen, zu entscheiden, ob die aktuell gültige Verfassung von 1980, die in der Zeit der Militärdiktatur von General Augusto Pinochet (1973-1990) geschrieben wurde, ersetzt werden soll.

Der konservative Präsident Sebastián Piñera sprach nach Schließung der Wahllokale in einer Ansprache von einem Sieg für die Demokratie und die Einigkeit. "Bisher hat uns die Verfassung gespalten", sagte der 70-Jährige. Auf der Plaza Italia in der Hauptstadt Santiago, die seit den Protesten von vielen "Plaza de la Dignidad" (Platz der Würde) genannt wird, und auf zentralen Plätzen in anderen Stäten feierten zahlreiche Menschen friedlich.

Massenproteste führten zum Referendum

Zahlreiche Bürgerbewegungen und politische Parteien der Linken und der Mitte sehen die aktuelle chilenische Verfassung als ein Hindernis für tiefgreifende soziale Reformen. Piñera hatte der Abhaltung eines Referendums zugestimmt, nachdem es vor einem Jahr zu Massenprotesten im Land gekommen war. Ausgelöst wurden die Proteste im Oktober 2019, als die chilenische Regierung eine Erhöhung der Fahrscheinpreise im öffentlichen Nahverkehr um 30 Pesos (umgerechnet 3 Cent) verkündete. Bei gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizisten wurden mehr als 30 Menschen getötet.

Ursprünglich war das Referendum für April angesetzt, wegen der Corona-Krise wurde die Abstimmung jedoch auf Oktober verschoben. Die Chilenen mussten bei dem Referendum auch über die Frage entscheiden, wer eine mögliche neue Verfassung entwerfen soll: eine gemischte Versammlung, zusammengesetzt aus Abgeordneten und Bürgern, oder eine reine Bürgerversammlung mit 155 Mitgliedern, die je zur Hälfte aus Männer und Frauen besteht. In beiden Fällen sind Quoten für indigene Gruppen vorgesehen. Hier führte die zweite Variante nach ersten Auszählungen mit rund 79 Prozent der Stimmen. Das Verfassungsgremium soll im April 2021 gewählt werden; über den von ihm erarbeiteten Entwurf soll dann im Jahr 2022 ein erneutes Referendum abgehalten werden.

Alte Verfassung mit vielen Mängeln

An der aktuellen Verfassung gab es wegen ihres autoritären Ursprungs, der starken Bündelung von Machtbefugnissen bei der Zentralregierung und begrenzter Einflussmöglichkeiten der Bürger stets viel Kritik. Sie weist erhebliche Mängel auf, wie der Politologe Gabriel Negretto erklärt: "Es fehlen grundlegende soziale Rechte, insbesondere auch die von Indigenen. Die Verfassung hat zudem in ihrer Ausgestaltung dafür gesorgt, dass der Staat auf ein Minimum reduziert und das Sozialsystem privatisiert wurde."

Die Folgen sind ein unzureichendes öffentliches Bildungs- sowie Gesundheitswesen, hohe Lebenshaltungskosten, mickrige Renten und eine hohe private Verschuldung. "Man darf nicht vergessen, dass die neoliberale Verfassung Chile auch einen beachtlichen wirtschaftlichen Aufschwung beschert und das Entstehen einer neuen Mittelklasse ermöglicht hat. Das Paradoxe ist, dass es zu einem guten Teil genau diese Menschen sind, die jetzt unzufrieden sind und auf die Straße gehen", sagt Negretto, der an der Päpstlich-Katholischen Universität von Chile lehrt und bereits die Vereinten Nationen beraten hat.

Viele Chilenen würden sich ausgebeutet fühlen. Sie arbeiteten teilweise sieben Tage die Woche, merkten aber, wie wenig sie vom Staat zurück bekämen, meint der Politikwissenschaftler. "Der Staat - also auch die demokratischen Regierungen nach Pinochet - haben es bisher versäumt, wirklich tiefgreifende Reformen durchzuführen."

Die Befürworter einer neuen Verfassung wollen nun die soziale Rolle des Staates stärken, Grundrechte auf Arbeit, Gesundheitsversorgung, Bildung und Trinkwasser aufnehmen sowie die Anerkennung der indigenen Völker festschreiben.

Quelle: Deutsche Welle, kle/ack (afp, dpa, rtre)

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