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Peru: Der neue Präsident in der Warteschleife

Pedro Castillo hat nach Auszählung aller Stimmen die Wahl zum Präsidenten mit 44.240 Stimmen Vorsprung vor der Kandidatin Keiko Fujimori gewonnen. Trotzdem hat die Wahlbehörde das Wahlergebnis noch nicht offiziell verkündet und provoziert damit Kritik. Die unterlegene Kandidatin spricht von Wahlbetrug und will die Wahl anfechten. 

Die Menschen auf dem Land und in den Armenvierteln, wie hier in Chorrillos am Stadtrand von Lima, hoffen mit Pedro Castillo als Präsidenten auf eine neue Politik. Foto: Adveniat/Achim Pohl

Die Menschen auf dem Land und in den Armenvierteln, wie hier in Chorrillos am Stadtrand von Lima, hoffen mit Pedro Castillo als Präsidenten auf eine neue Politik. Foto: Adveniat/Achim Pohl

In den Straßen von Lima ist das Antlitz von Keiko Fujimori nahezu überall präsent und auch in den Medien dominiert die Parteichefin von „Fuerza Popular“. Die Tochter des inhaftierten Ex-Diktators Alberto Kenya Fujimori (1990-2000) hat die Unterstützung des gesamten konservativen Lagers, des Gros der Medien und großer Teile der Unternehmer, so Carlos Herz. Der 62-jährige Entwicklungsexperte leitet in Cusco eine Bildungseinrichtung. 

Die Polarisierung in der Bevölkerung macht ihm Sorgen, denn während in Lima und in einigen Städten der Küstenregion konservativ gewählt wurde, heißt im andinen Hochland, der Amazonasregion und im Norden des Landes Pedro Castillo der Sieger an den Urnen. „Es geht ein Riss durch das Land und die Polarisierung kann dafür sorgen, dass die Anhänger des einen oder anderen Lagers auf die Straße gehen“, warnt Herz.

Die katholische Kirche fordert, den Wahlsieg des linksgerichteten Präsidentschaftskandidaten Pedro Castillo offiziell anzuerkennen. Die Verzögerung der Bekanntgabe sei unmoralisch, sagte Limas Erzbischof Carlos Castillo Mattasoglio laut der Zeitung "La Nacion" in ihrer Online-Ausgabe am Mittwoch, 30. Juni 2021. Die Auszählung der Stimmen durch die Wahlbehörde habe ergeben, dass Castillo die Stichwahl gewonnen habe, so der Erzbischof. Die Verhältnisse in Peru erinnerten an die Zustände in den USA, als Ex-Präsident Donald Trump und seine Anhänger Wahlbetrug reklamierten, ohne dafür Beweise zu haben. Es gebe in Peru Teile der Gesellschaft, die eine Regierung Castillos verhindern wollten.

Keiko Fujimori kämpft ums politische Überleben

Auf juristischer Ebene hat Keiko Fujimori alle Register gezogen, um den Wahlsieg des Dorflehrers aus dem im Norden Perus gelegenen Distrikt Tacabamba zu verhindern. Kein Wunder, denn für Keiko Fujimori geht es um ihr politisches Überleben. Die Staatsanwaltschaft hat bereits Untersuchungshaft gegen die 46-jährige beantragt, gegen die wegen Korruption und illegaler Wahlkampffinanzierung ermittelt wird. 2011 und 2016, als sie ebenfalls als Präsidentschaftskandidatin antrat, soll sie Geld vom brasilianischen Baukonzern Odebrecht angenommen haben.  Die Beweise dafür sind erdrückend, so Parlamentarier wie Marco Arana von der linken Frente Amplio. „Keiko Fujimori drohen bis zu dreißig Jahre Haft. Es wird schon spekuliert, in welches Nachbarland sie gehen könnte, um politisches Asyl zu erhalten“, meint Carlos Herz.

Castillo punktet mit Reformagenda

Dass auf Pedro Castillos Agenda Bildung, Gesundheit und der Abbau der Ungleichheit ganz oben stehen, hat den Dorflehrer in der Wählergunst ganz nach oben gespült. Da konnte auch die Stigmatisierungs-Kampagne in den Medien, die mehrheitlich Keiko Fujimori unterstützten und Castillo als Kommunisten, der das Land ruinieren werde, darstellten, nicht verfangen. Dagegen wendete sich Castillo auch in einer Rede in Lima im Wahlzentrum seiner Partei: „Wir sind keine Kommunisten, wir sind keine Chávez-Anhänger, wird sind Arbeiter, Kämpfer, Unternehmer“, erklärte Castillo und nahm direkt Bezug auf sein weitverbreitetes Image in der überaus konservativen Hauptstadt Perus. 

Dort, aber eben nicht nur dort, hatten Unternehmer ihre Angestellten aufgefordert konservativ zu wählen, wenn ihnen ihr Arbeitsplatz lieb sei“, so Vilma Villanueva. Sie lebt im Zentrum von Lima in einer Wohnanlage der gehobenen Mittelschicht und hat beobachtet, wie schwer es der 51-jährige Pädagoge hatte, dort zu punkten. „In die Nähe der maoistischen Guerilla 'Leuchtender Pfad' hat man Castillo gerückt – nur weil er in der Lehrergewerkschaft Sutep aktiv ist, wo eine friedliche Fraktion des Leuchtenden Pfades aktiv ist“, meint sie. Für die engagierte Peruanerin, die für mehrere Filmprojekte als Stringer gearbeitet hat, ist Castillo ein Pragmatiker, der in der Lage ist, sich auch Mehrheiten zu suchen.

Bestes Beispiel ist die Tatsache, dass es bereits Treffen mit mehreren Parteien gegeben hat, um der konservativen Parteienallianz unter der Regie von Keiko Fujimori im Kongress Paroli zu bieten. Dabei kann sich Castillo auf eine Basis von 37 von 130 Abgeordneten seiner Partei stützen. Das ist auch für Carlos Herz eine gute Grundlage. Doch Castillo steht nicht nur vor der Herausforderung, Parlamentarier für sich und seine Reformagenda zu gewinnen, sondern auch kategorische Gegner aus dem Unternehmerlager und der Militärs. 

Putschgerüchte entkräftet

Gerüchte, dass die Armee gegen einen linken Dorflehrer im Präsidentenpalast putschen könnten, kursierten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses in Lima. Mittlerweile haben die Militärs erklärt, dass sie das Wahlergebnis akzeptieren und die ohnehin fragile Demokratie nicht weiter schwächen werden. Ein positives Zeichen. Auch im Unternehmerlager scheint es die ersten Manager zu geben, die sich mit einem Präsidenten Castillo arrangieren werden. Langsam gewinnt die Mannschaft des Dorflehrers an Konturen und statt der Nationalisierung der Erdgas-, Erdöl-, Kupfer und Goldförderung geht es wie einst in Bolivien unter Evo Morales eher darum, die Anteile des peruanischen Staates neu zu verhandeln. Das ist für viele Peruanerinnen und Peruaner legitim.

Die Ankündigung, mehr in das öffentliche Bildungs- und Gesundheitssystem zu investieren, ist nach 16 Monaten, in denen die Corona-Pandemie mehr als 180.000 Tote forderte, mehr als mehrheitsfähig. Bildungsexperten wie Salomón Lerner begrüßen sie genauso, wie Entwicklungsexperten wie Carlos Herz. Der Dorflehrer hat durchaus Chancen Peru zu verändern, meint Vilma Villanueva und hofft zugleich, dass der pragmatische Eindruck, den sie von Castillo gewonnen hat, sich bestätigen wird. Das wird sich schnell zeigen, denn Castillo hat es eilig. "Meine Regierung wird eine für die gesamte Bürgerschaft sein" kündigte er an. Das wird er alsbald beweisen müssen. 

Autor: Knut Henkel

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