Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
Mexiko |

Neues Jahr, altes Leid

Mexiko ist nicht einmal zur Weihnachtszeit und zum Jahreswechsel zur Ruhe gekommen. 2023 begann wie gehabt: Mit Gewalt, Tod und einer Machtdemonstration der Kartelle. Gleichzeitig ist das Land der Gewinner der Globalisierung.

Beobachtungsposten einer Bürgerwehr in der mexikanischen Unruheprovinz Michoacán. Foto (Symbolbild): Adveniat/Tobias Käufer

Kurz vor Weihnachten wurde in der Hauptstadt Mexiko City auf einen der bekanntesten Journalisten des Landes ein Attentat verübt, das er nur aufgrund seines gepanzerten Fahrzeugs überlebte. Fast gleichzeitig verteilte das Kartell „Jalisco Nueva Generación“ (CJNG) in der Millionenmetropole Guadalajara in einer Prozession ganz ungestört Weihnachtsgeschenke und erfreute so Hunderte von Kindern und ihre armen Familien.

Und zu Neujahr zeigten die Kartelle in der Grenzstadt Ciudad Juárez, dass sie aus dem Knast befreien können, wen sie wollen. Angreifer tauchten am frühen Sonntagmorgen mit gepanzerten Fahrzeugen vor der Haftanstalt auf und eröffneten das Feuer auf Polizisten und Wärter. Zugleich kam es innerhalb der Gefängnismauern zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. 14 vor allem Sicherheitskräfte wurden getötet und 13 verletzt. Mindestens 24 Inhaftierte konnten flüchten.
 
Diese drei Beispiele belegen einmal mehr bizarr, wie mächtig und vor allem ungestört das Organisierte Verbrechen in Mexiko agiert. In vielen Regionen haben die Kartelle den Staat als Ordnungsfaktor längst verdrängt. Und der Präsident? Andrés Manuel López Obrador reagiert mit Gleichgültigkeit, Verschwörungstheorien und Schuldzuweisungen an seine Vorgänger. 

Präsident immer zynischer gegenüber Kritikern
 

Jeden Tag werden etwa einhundert Morde verübt, mehr als 100.000 Menschen gelten als vermisst, 33.000 verschwanden allein während der aktuellen Regierung. 15 Reporterinnen und Reporter sind dieses Jahr bereits ermordet worden. Im vierten Jahr in Folge ist Mexiko das gefährlichste Land für Journalistinnen und Journalisten auf dem Globus – außerhalb von Kriegsgebieten. Das bekam auch der bekannte Fernsehjournalist Ciro Gómez Leyva zu spüren. Er wurde kurz vor Weihnachten spät abends auf dem Weg nach Hause an einer Ampel nahe seinem Haus von zwei Motorradfahrern gestellt, die das Feuer auf ihn eröffneten. Da das Auto gepanzert war, überlebte Gómez Leyva das Attentat unverletzt. 
 
Präsident López Obrador verurteilte die Tat zwar, aber zugleich machte er unfasslicherweise Andeutungen, der Journalist könnte das Attentat inszeniert haben, um es dem Staatschef in die Schuhe zu schieben. Dabei wetterte er wiederholt gegen „konventionelle Medien“, die „unausgewogen und unprofessionell“ arbeiteten. Gómez Leyva ist mit seinem Programm ein bekannter und harscher Kritiker des Linkspolitikers. 
 
Reporter und Medienschaffende hatten sich von der Amtszeit von López Obrador, die vor gut vier Jahren begann, Unterstützung erhofft. Genau das Gegenteil ist der Fall. Der linke Präsident diskreditiert wiederholt Journalisten und Medienschaffende und bezichtigt sie der Lüge. Dabei weiß er sehr gut, was er damit in einem Land wie Mexiko bewirkt: er gibt sie zum Abschuss frei. Es ist ein unverantwortliches Handeln eines Staatschefs, der sich so zum Mittäter macht.

Land in den Händen der Kartelle
 
López Obrador, der erste linke Präsident Mexikos, wurde 2018 gewählt, weil er versprach, der Gewalt ein Ende zu setzen. Seine Vorgänger hatten versucht, die Kartelle mit dem Einsatz der Streitkräfte in die Knie zu zwingen, was nur zu noch mehr Blutvergießen führte. Der Neue hingegen trat mit einem völlig anderen Ansatz an: „Abrazos no balazos“, also „Umarmungen statt Kugeln" – ein Konzept, das auf Prävention statt Repression setzte, und vor allem auf Angebote an junge Leute, damit sie nicht den Verführungen der Kartelle erliegen. Stipendienangebote und Straferlässe für leichte Delikte gehörten zu dem Ansatz.
 
Heute muss man sagen, dass diese Taktik krachend gescheitert ist. Immer größere Teile Mexikos sind in den Händen der Kartelle. „Die Situation ist unhaltbar, und das Fehlen einer wirksamen Strategie gegen die Unsicherheit, gepaart mit der Gleichgültigkeit auf allen Regierungsebenen, verschärft täglich die Lage“, warnte der Arbeitgeberverband Coparmex. 
 
Manchmal wirkt Mexiko eher wie ein Land im Krieg als ein G-20-Staat und formell eine der größten Demokratien der Welt. Und bei strenger Analyse befindet sich Mexiko ja auch im Krieg mit sich selbst oder gegen innere Kräfte, die das Land massiv und erfolgreich destabilisieren und den Ruf ruinieren. Und in der Folge gleicht das Land immer mehr einem Schlachtfeld. 

Gewinner der Globalisierung
 
Zugleich aber ist es auch eines der größten Investitionsziele deutscher Unternehmen in Nordamerika. Aber mittlerweile hat auch die Wirtschaft, die sich lange aus dem Thema rausgehalten hat, genug. Die Unsicherheit koste die zweitgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas umgerechnet ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), klagte José Medina Mora, Coparmex-Präsident im Spätsommer. „Das ist ein hoher Preis, der sich darin widerspiegelt, dass weniger Investitionen kommen und keine Arbeitsplätze entstehen“, beklagt Medina Mora. Mexikos BIP belief sich vergangenes Jahr auf 1,3 Billionen Dollar, rund ein Drittel des BIPs von Deutschland. 
 
Dabei positioniert sich das lateinamerikanische Land gerade als ein Gewinner der Globalisierung. Wegen der Corona-Pandemie und dem Handelskonflikt der USA mit China sowie der Nähe zum größten Markt der Welt zieht es zunehmend internationale Unternehmen von Asien nach Mexiko. Mit seiner orthodoxen Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie den hohen Dollarzuflüssen hat der Präsident zudem den Peso zu einer der stabilsten Währungen der Schwellenländer gemacht. 

Autor: Klaus Ehringfeld

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