Menschenrechtler: Bolsonaro-Lager greift Journalisten an
Nach dem Sturm auf brasilianische Regierungseinrichtungen hat die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) auf eine Zunahme der Gewalt gegen Journalisten im Land hingewiesen. Bei den Ausschreitungen am Sonntag seien Medienschaffende gezielt schikaniert, teilweise auch bedroht, ausgeraubt oder körperlich angegriffen worden, teilte die Organisation am Dienstag in Berlin mit.
Diese Übergriffe stünden in einer pressefeindlichen Tradition, die sich unter Anhängern des ehemaligen Präsidenten Jair Messias Bolsonaro verbreitet habe, so ROG weiter. "Das Klima des Hasses, das Bolsonaro in den vergangenen Jahren befeuert hat, hat dazu geführt, dass Journalistinnen und Journalisten als Feinde wahrgenommen werden, die bekämpft werden müssen", erklärte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. "Diese Atmosphäre der Gewalt ist eine nachhaltige Bedrohung für die brasilianische Demokratie."
Am vergangenen Sonntag hatten Tausende Bolsonaro-Anhänger den Kongress, das Oberste Gericht und den Präsidentenpalast in Brasiliens Hauptstadt Brasilia gestürmt und verwüstet. Sie werfen Präsident Luiz Inacio Lula da Silva Korruption sowie Manipulation der Präsidentschaftswahlen im vergangenen Oktober vor. Diese hatte Lula mit weniger als 2 Prozent Vorsprung gegen Amtsinhaber Bolsonaro gewonnen. Der Rechtspopulist hat seine Niederlage jedoch bislang nicht eingestanden und seine Anhänger zu Protesten ermutigt.
7 Angriffe in einer Woche
Seit dem Ausgang der Stichwahlen am 30. Oktober hat die Organisation nach eigenen Angaben bereits mehr als 70 Angriffe auf Journalisten, die über die Mobilisierung extremistischer Gruppen berichteten, dokumentiert. Diese reichten von Drohungen über Belästigung und körperliche Angriffe bis hin zur Zerstörung von Ausrüstung und Schüssen sowie einer Brandstiftung in einer Nachrichtenredaktion. Alleine in der ersten Woche des Jahres habe es mindestens sieben Angriffe auf Medienschaffende gegeben, die meisten davon im Zusammenhang mit der Berichterstattung der Presse über Lager der Bolsonaro-nahen Putschbewegung.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit, die ROG jährlich veröffentlicht, stand Brasilien zuletzt auf Platz 110 von 180 Staaten.