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Lulas holpriger Start in die dritte Amtszeit

Ende Januar war Bundeskanzler Scholz zu Gast bei Brasiliens neuem - alten - Hoffnungsträger. Doch es zeigt sich, dass Lula nicht einfach auf EU-Kurs steuert. Gerade ist er auf Handelsreise beim großen Partner China.

Lulas dritte Amtszeit: Armut, Umweltzerstörung und eine Handelsreise nach China. Foto (Symbolbild): Mídia NINJACC BY-NC 2.0

Mit großen Erwartungen hatte man im In- und Ausland auf die dritte Amtszeit des Linken Luiz Inacio Lula da Silva gewartet. Und auch die Bundesregierung hatte ihm mit einem frühen Antrittsbesuch im Januar ihre Reverenz erwiesen. Nach den ersten 100 Tagen erhält Lula nun in Umfragen unter Brasilianern 39 Prozent Zustimmung und 26 Prozent Ablehnung. Das ist besser als der knappe Wahlsieg von Oktober mit nicht einmal zwei Prozentpunkten Vorsprung vor Jair Messias Bolsonaro. Sorgen bereiten jedoch die überraschende Zunahme der Abholzung und die ersten Korruptionsfälle im Kabinett.

Besonders beim Umweltschutz erwartete man nach der als desaströs empfundenen Politik des Rechtspopulisten Bolsonaro große und rasche Fortschritte. Lula hatte eine sofortige Null-Toleranz-Politik versprochen. Doch die Abholzung in Amazonien und in den zentralbrasilianischen Savannen zeigt mit rund 850 beziehungsweise 1.400 Quadratkilometern an Waldverlust in den ersten drei Monaten überraschend hohe Werte. Umweltministerin Marina Silva macht die Ausdünnung beim Personal unter Bolsonaro dafür verantwortlich.

So habe die Umweltbehörde Ibama vor 15 Jahren 1.700 Kontrolleure gehabt, nun nur rund 700, so die Ministerin. Noch in diesem Halbjahr werde es Stellenausschreibungen geben. Auch ein Aktionsplan zur Reduzierung der illegalen Abholzung auf null im Jahr 2030 - ein zentrales Wahlversprechen Lulas - soll wieder vorangetrieben werden, nachdem Bolsonaro ihn außer Kraft gesetzt hatte. Daraufhin stieg die Abholzung um 60 Prozent.

Sozialprogramme neu aufgelegt

Die angeschlagene Wirtschaft wartet ebenfalls auf Wachstumssignale. Bisher ist es Lula nicht gelungen, die Zentralbank zu Zinssenkungen zu überreden. Brasilien hat die weltweit höchsten Zinsen, die Zentralbank beharrt jedoch auf ihrer Autonomie und will zuerst die Inflation bekämpfen. Lula hat es eilig, die Pandemie hat Millionen Arbeitsplätze gekostet, und rund 33 Millionen der 210 Millionen Brasilianer leiden an Hunger.

So hat Lula seine alten Sozialprogramme wie "Bolsa Familia" (Familienstipendium) neu aufgelegt, mit deutlich höheren Bezügen. Zudem wurde das Ärzteprogramm "Mais Medicos" neu lanciert, das Ärzte für die ärmsten Regionen, darunter die Indigenengebiete, bereitstellen soll. Auf die katastrophale Versorgungslage in dem Gebiet der Yanomami-Indigenen reagierte Lula rasch und entsandte Lebensmittel und Ärzte.

Doch der Kampf gegen das in den Reservaten aktive organisierte Verbrechen erweist sich zäher als gedacht. Unter Bolsonaro sind Zehntausende Goldsucher nach Amazonien gekommen, die nun mühsam von der Polizei vertrieben werden müssen. Neben indigenen Organisationen fordert auch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, die überfällige Landzuteilung an die indigenen Völker zu beschleunigen - auch dies ein Wahlkampfversprechen Lulas.

Kritik aus Gesellschaft und Kirche

Kritik aus Reihen der Zivilgesellschaft kommt nicht zuletzt wegen der Kabinettsbesetzungen. So liegen gegen zwei Minister bereits Korruptionsvorwürfe vor. Allerdings kann Lula sie nicht entlassen, ohne wichtige Koalitionsparteien zu vergraulen. Denn er hat noch keine Mehrheit im Kongress, was die Umsetzung seiner ehrgeizigen Pläne gefährdet. Besonders unter den evangelikalen Abgeordneten, die rund ein Fünftel des Kongresses stellen und treu zu Bolsonaro stehen, fehlt ihm Unterstützung.

Von Katholiken kommt ebenfalls Kritik, nachdem Lula im Januar eine Lockerung der Abtreibungsregeln eingeleitet hatte. Odilo Scherer, der Erzbischof von Sao Paulo, stellte auf Twitter klar: "Die katholische Kirche ist nicht für Abtreibungen, war es nie und wird es nie sein." Die Bischofskonferenz erklärte, dass "jedes Attentat auf das Leben auch ein Anschlag auf den demokratischen Rechtsstaat" sei. Vizepräsident Geraldo Alckmin, ein bekennender Katholik, soll nun die Beziehungen zur Kirche kitten.

Vermittler im Krieg

Auch außenpolitisch stolpert Lula noch. Hoffnungen auf eine engere Zusammenarbeit mit der EU kühlten sich rasch ab. So verlangt die EU jetzt plötzlich feste Zusagen zum Umweltschutz, bevor man den Handelspakt mit dem Südamerika-Block Mercosur unterschreibt. Lula hatte zudem die von Deutschland erbetene Lieferung von für die Ukraine bestimmter Munition blockiert. Zudem gab er der Ukraine eine Mitschuld am Ausbruch des Krieges mit Russland. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich bei seinem Brasilien-Besuch Anfang des Jahres irritiert.

Nun will Lula sich als Vermittler in dem Konflikt versuchen. Im Westen befürchtet man, dass er damit Moskaus Position stärkt und Brasilien enger an die Achse Moskau-Peking rücken könnte. Derzeit ist der neue Präsident in China, um Handelsabkommen abzuschließen und eine gemeinsame Linie im Ukraine-Konflikt zu suchen. In Asien scheint er sich durchaus wohl zu fühlen. Der Westen, der Lula im brasilianischen Wahlkampf offen unterstützte, wird es besorgt beobachten.

Autor: Thomas Milz (KNA)

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