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Regierung in Bedrängnis: Brasiliens Landlosenbewegung will ungenutzte Farmen besetzen

Die Landlosen in Brasilien planen die Besetzung von brachliegenden Landgütern. Damit setzen sie ihren alten Verbündeten, Präsident Lula da Silva, unter Druck. Der sucht gerade die Nähe zum Agrarsektor.

Die Landlosenorganisation MST steht dem ehemaligen Gewerkschaftsführer und aktuellen brasilianischen Präsidenten Lula da Silva nahe. So steht auf der MST-Kappe des Mannes "Ich unterstütze Lula". Foto: CC BY-NC 2.0

Am vergangenen Montag startete die brasilianische Landlosenbewegung MST ("Movimento dos Trabalhadores Rurais sem Terra") ihren "Roten April" mit der Besetzung von drei Farmen - zusammen 800 Hektar - im nordöstlichen Bundesstaat Pernambuco. Die Farmen erfüllen laut MST nicht "ihre soziale Aufgabe", sprich: das Land werde nicht produktiv genutzt und dürfe deshalb von Landlosen besetzt werden. Als Auftakt zu einer massiven Landbesetzung bezeichnete die Bewegung ihre Aktion.

Der "Rote April" erinnert an die Ermordung von 19 MST-Anhängern, die am 17. April 1996 bei Protesten von der Polizei erschossen wurden. Der Aktionsmonat soll zudem eine alte Forderung der Landlosen wieder auf die Agenda setzen: die längst überfällige Agrarreform. In Brasilien besitzen Großgrundbesitzer riesige Flächen, auf denen Lebensmittel wie Soja und Fleisch, auch für den Export nach Europa, produziert werden. Mit mehr als 140 Millionen Tonnen Soja hat der hochproduktive Agrarsektor gerade erst eine Rekordernte erzielt. Derweil müssen Kleinbauern ohne ausreichende Anbauflächen auskommen.

Laut der Verfassung hat der Staat das Recht, ungenutztes Land zu enteignen und an Landlose zu verteilen. Doch seit Jahren hakt es mit der Umsetzung, die Zahl der angesiedelten Familien dümpelt auf niedrigem Niveau. Der Rechtspopulist Jair Messias Bolsonaro, der von 2019 bis 2022 regierte und die MST als Terrororganisation bezeichnete, verteilte zwar rund 400.000 Besitztitel für bereits besiedelte Güter. Allerdings fanden kaum neue Landzuteilungen statt.

Weitere Besetzungen geplant

Die MST entstand 1984 in Südbrasilien mit Förderung der katholischen Landpastoral. In den 1990er Jahren nahmen die teils gewaltsamen Landnahmen durch die Bewegung rasant zu, weshalb der Agrarsektor sie als kommunistische Terrormiliz bezeichnete. Unter der Regierung der linken Arbeiterpartei PT von Luiz Inacio Lula da Silva (2003-2010) und seiner Nachfolgerin Dilma Rousseff (2011-2016) wurde Hunderttausenden Bauernfamilien Land zugeteilt.

Seitdem steht die MST dem ehemaligen Gewerkschaftsführer nahe. Nach seiner Verhaftung im April 2018 führte die MST die Bewegung für seine Freilassung an. Nun, da Lula seit Januar zum dritten Mal Präsident ist, erwartet sie eine Wiederaufnahme der Bodenzuteilungen.

Bisher sei es jedoch noch zu keinem Treffen mit Lula gekommen, erklärte ein MST-Sprecher. Man erwarte baldige Gespräche im Präsidentenpalast. Gleichzeitig bereite man landesweit Demonstrationen und Besetzungen vor, um der Forderung nach Land und Krediten für die Bauernfamilien Nachdruck zu verleihen. Landwirte hätten jedoch nichts zu befürchten, da man nur brachliegendes, ungenutztes Land besetzen werde.

Drohungen gegen die Regierung

Die mächtige Agrarlobby ist bereits alarmiert. Im Kongress erklärte die Agrarfraktion diese Woche zur "Woche des Kampfes gegen Besetzungen landwirtschaftlicher Güter". Man werde die Besetzer zur Rechenschaft ziehen. Dass sich die Regierung bisher noch nicht gegen die MST ausgesprochen hat, führt zu Ärger unter den Abgeordneten und Vertretern der Landwirtschaft.

So gibt es erste Drohungen gegen die Regierung, die auch drei Monate nach ihrem Amtsantritt immer noch keine sichere Mehrheit im Kongress gefunden hat. "Es ist schließlich die Regierung, die unsere Stimmen braucht", stellte der Abgeordnete Pedro Lupion klar, der die Agrarfraktion anführt. Sollte es Angriffe auf Landwirte oder ihre Farmen geben, werde man sich zu verteidigen wissen. Andere Abgeordnete bringen einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss über die Aktivitäten der MST ins Spiel.

Die Regierung versichert derweil, der Schutz von Privateigentum habe oberste Priorität. Lula braucht den Agrarsektor auch als Motor für das stockende Wirtschaftswachstum, Konflikte kann er nicht gebrauchen. So besetzte er strategisch wichtige Posten in den zuständigen Behörden mit MST-Funktionären, um diese zu besänftigen. Ob das ausreicht, um die Bewegung der Landlosen von einer landesweiten Besetzungswelle abzuhalten, ist ungewiss.

Autor: Thomas Milz (KNA)

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