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Kolumbien |

Kolumbianer zwingen Präsident Duque und seine Steuerreform in die Knie

Nach tagelangen Protesten hat die kolumbianische Regierung die geplante Steuerreform zur Sanierung des wegen der Coronakrise angeschlagenen Staatshaushalts zurückgezogen. Präsident Iván Duque hatte das Militär gegen die eigene Bevölkerung auf die Straße geschickt.

Kolumbiens Präsident Iván Duque hat dem Druck der Straße nachgegeben und die Steuerreform zurückgenommen. Foto (2018): Iván Duque, Casa de América, CC BY-NC-ND 4.0

Kolumbiens Präsident Iván Duque hat dem Druck der Straße nachgegeben und die geplante Steuerreform zurückgenommen. Symbolfoto (2018): Iván Duque, Casa de AméricaCC BY-NC-ND 4.0

Es war Sonntagmittag kurz nach zwölf, als Iván Duque aufgab. Mit deutlicher Verärgerung im Gesicht trat der kolumbianische Präsident vor die TV-Kameras und bat den Kongress, das vom Finanzministerium eingebrachte Projekt einer Steuerreform zurückzuziehen. Die Parlamentarier mögen neue Vorschläge erarbeiten, wie die schwer angeschlagenen Staatsfinanzen zu sanieren seien, sagte der Präsident.

Militär gegen Protestierende

In diesem Moment ging ein Aufschrei der Erleichterung und des Triumphs durch Kolumbien. Nach einer knappen Woche sich intensivierender Proteste mit rund einem Dutzend Toten, Vandalismus und Zerstörungen von Regierungseinrichtungen sowie harter politischer Repression vor allem in den Großstädten Bogotá, Cali und Medellín zwang die Bevölkerung den ungeliebten Präsidenten in die Knie. Noch am Samstagabend hatte Duque eine umstrittene Verfassungsklausel aktiviert und so das Militär auf die Straßen und gegen die eigene Bevölkerung in Marsch gesetzt, um die öffentliche Ordnung wieder herzustellen. Spätestens da wurde es sehr einsam um den Präsidenten. Immer mehr Politiker, Minister und Bürgermeister äußerten Kritik und bezeichneten das Projekt als „großen nationalen Unsinn“. 

Coronakrise belastet Staatshaushalt

Der rechte Staatschef hatte völlig verkannt, dass inmitten der schweren dritten Welle der Coronakrise ein Projekt scheitern muss, das den Menschen noch mehr ökonomische Opfer abverlangt. Die Reform sollte 6,3 Milliarden Dollar (ungefähr zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts) in die Staatskasse der viertgrößten Volkswirtschaft Lateinamerikas spülen. Dafür sollten auch diejenigen Einkommensteuer zahlen müssen, die umgerechnet nur 550 Euro im Monat verdienen. Zudem sollte die Mehrwertsteuer (19 Prozent) auf bisher ausgenommene Waren und Dienstleistungen erhoben werden, etwa auf Wasser, Strom und Gas sowie auf Beerdigungen und Computer. Es sollten also vor allem die Armen und die Mittelklasse das Loch stopfen, das der Kampf gegen die Coronapandemie in den Staatshaushalt gerissen hat. Unternehmen und Banken hingegen wären fast ungeschoren davongekommen.

Arbeitslosigkeit und Armut steigen

Vergangenes Jahr fiel das kolumbianische BIP um 6,8 Prozent. Die Arbeitslosigkeit stieg durch mehrere harte Lockdowns zeitweise auf 20 Prozent. 500.000 Geschäfte mussten seit Beginn der Pandemie schließen. 2,3 Millionen Familien können sich nur zwei Mahlzeiten am Tag leisten. Und die Armut stieg laut dem Statistikamt DANE auf 42,5 Prozent. Kaum nachvollziehbar, warum die Regierung gerade in einem solchen Moment der Bevölkerung noch tiefer in die Tasche greifen will. 
 
Leicht kann Duque die Rücknahme der Reform nicht gefallen sein. Er hört selten auf seine Bevölkerung und noch weniger gerne gibt er dem Druck der Straße nach. Aber die am Mittwoch mit einem Generalstreik begonnenen Proteste wurden im Laufe der Tage immer massiver und stießen auf ein immer breiteres Echo. Das Image des Staatschefs, dessen erste Amtszeit kommendes Jahr endet, war schon vorher schlecht. Zwei Drittel der Kolumbianer bescheinigten ihm eine miserable Amtsführung. Die Zahl dürfte sich jetzt noch erhöht haben.

Duque mit schlechten Imagewerten

Zumal der Großteil der Bevölkerung Duque als Anwalt der Großindustriellen sowie der Bananen-, Zucker- und Bergbauoligopole wahrnimmt. Die Menschen hingegen fordern mehr Demokratisierung im Bildungs- und Gesundheitssektor und eine Abschaffung des Prinzips der Gewinnmaximierung in diesen Bereichen.
 
Duque, politischer Ziehsohn des früheren ultrarechten Präsidenten Álvaro Uribe, sah sich schon Ende 2019 massiven sozialen Protesten gegenüber, als vor allem junge Kolumbianer gegen die langsame Umsetzung des Friedensprozesses mit der Linksguerilla Farc sowie das ökonomische Modell des südamerikanischen Staates auf die Straße gingen. Das defizitäre Management der Coronakrise hat den Ärger der Menschen auf die Regierung nur vergrößert. Mit 500 Toten pro Tag und der Rekordzahl von 20.000 Neuinfektionen leidet Kolumbien gerade jetzt massiv unter der dritten Welle der Pandemie. Bis Ende April wurden nur vier der 51 Millionen Kolumbianer mit einer ersten Anti-Corona-Impfdosis versorgt. Aber Duque versprach, dass es Ende Mai bereits acht Millionen Menschen sein sollen.

Autor: Klaus Ehringfeld

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