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Interview: Energiewende Bolivien – "Uns fehlt eine energiepolitische Vision für die Zukunft"

Boliviens neuer Präsident Luis Arce will erneuerbare Energien ausbauen. Energieexperte Miguel Fernández Fuentes ist vorsichtig optimistisch. Doch vor Bolivien liege noch ein weiter Weg bis zur Energiewende. Was bisher falsch gelaufen ist und wie eine echte Wende aussehen könnte, erklärt Fuentes im Interview.

Miguel Fernández Fuentes, Direktor von Energética, plädiert für eine integrale Energiewende in Bolivien. Foto: Knut Henkel 

Bolivien hat in den letzten Jahren systematisch auf den Ausbau der Kraftwerkskapazität gesetzt und dabei auch auf Megaprojekte mit Wasserkraft. Das könnte sich mit der Vereidigung von Luis Arce ändern. Zumindest deuten darauf die jüngsten Aussagen des neuen Präsidenten hin. Doch Miguel Fernández Fuentes, Direktor von Energética, einem  Dienstleister beim Ausbau regenerativer Energien aus Cochabamba, ist skeptisch.

Luis Arce hat im Wahlkampf angekündigt, dass er mehr auf dezentrale Energieversorgung und mehr auf regenerative Energie setzen will. Ein positives Signal, ein Schritt in Richtung Energiewende?

Wir haben uns natürlich die Programme aller Parteien angesehen und sie analysiert – darunter auch das der Bewegung zum Sozialismus (MAS) von Luis Arce. Grundsätzlich stehen wir einer sehr konventionellen Energiepolitik gegenüber – oft wird Energie mit Elektrizität gleichgesetzt. Das zeigt, dass wir beim energetischen Umbau hin zur Nutzung von mehr regenerativen Energieträgern weitgehend am Anfang stehen. Es geht bisher nicht um ein neues energiepolitisches Modell für das Land – das brauchen wir jedoch, und zwar mit einem stärkeren Fokus auf regenerative Energien.

Ein grundlegendes Konzept für die Senkung des Anteils fossiler Energien gibt es also nicht?

Nein, bisher nicht. In der Ära von Evo Morales ist daran auch nicht gearbeitet worden, es wurde eine sehr konventionelle Energiepolitik verfolgt. Wir stehen vor der zentralen Herausforderung eine nachhaltige Energiepolitik mit einem Fokus auf regenerative Energien zu entwickeln. Die energiepolitische Planung spricht zwar von einem Wechsel der energiepolitischen Matrix, aber von einem integralen Energiekonzept für die Zukunft sind wir weit entfernt.

Bolivien Kraftwerkskapazität liegt mit rund 3500 Megawatt weit über dem Bedarf – der bei maximal 1500 Megawatt liegt. Doch es fehlt an Abnehmern. Das Konzept Bolivien zum Energielieferanten für die gesamte Region zu machen, scheint gescheitert. Mitverantwortlich war auch der damalige Wirtschaftsminister und heutige Präsident Luis Arce, richtig?

Das ist richtig. Uns fehlt eine energiepolitische Vision für die Zukunft mit einem Co2-Einsparungspotential bis 2030 von 25 Prozent. Da gibt es immensen Nachholbedarf und wie wir es bis 2050 schaffen CO2-neutral zu sein, ist mir schleierhaft.

Luis Arce stand als Wirtschaftsminister auch für eine energiepolitische Ausrichtung, die auf Mega-Wasserkraftprojekte wie Chepete und El Bala setzte. Die sind ökonomisch nicht rentabel und umweltpolitisch fragwürdig. Hat er dazu gelernt?

Ja, ich denke schon. Bolivien ist mit seiner Argumentation, dass es wenig zum Klimawandel beitrage, international in die Kritik geraten. Auf der anderen Seite erleben wir die Folgen des Klimawandels von Jahr zu Jahr stärker. Waldbrände sind genauso ein Problem wie Wassermangel in Ballungsräumen. Der Druck wird größer unsere Politik anzupassen und er könnte zukünftig zunehmen – Importeure könnten nach dem ökologischen Fußabdruck unserer Exportprodukte wie Kaffee, Kakao, Soja, Quinoa oder von Früchten nachfragen.

Das ist im Beraterstab von Luis Arce und Vizepräsident David Choquehuanca durchaus ein Thema wie ich aus zuverlässiger Quelle erfahren habe. Themen wie Elektromobilität werden in diesen Kreisen diskutiert. Das ist positiv, aber uns fehlt eine Strategie, ein Grundlagenkonzept -  da stehen wir noch am Anfang.­­­

In diesem Kontext spielt auch das Lithium und die Produktion von Lithium-Ionen-Akkus eine Rolle. Wie geht es da weiter – was denken Sie?

Die Lithium-Förderung hat zwei Komponenten. Zum einen ist es ein Schlüssel-Rohstoff auf internationaler Ebene, aber auch auf nationaler Ebene. Gelingt es diesen Rohstoff im eigenen Land zu verarbeiten und ein neues Kapitel in der Nutzung eigener Ressourcen aufzuschlagen? Die Produktion eigener Akkus ist eine Vision, die die Zukunft Boliviens prägen kann. Die zweite Komponente ist die Frage der Verteilung der Einnahmen aus der Nutzung des Rohstoffs sowohl als unverarbeitetes Produkt als auch als Batterie – wie partizipieren die lokalen Gemeinden und Regionen?

Das ist die zentrale Herausforderung – da fehlt ein Kompromiss, der alle Seiten zufrieden stellt. Das ist der zentrale Grund, weshalb der Vertrag mit dem deutschen Unternehmen ACI Systems auf Eis liegt. Wir brauchen soziale Komponenten in den Verträgen, mehr Partizipation der Gemeinden, in denen gefördert wird und mehr Transparenz. Das ist notwendig!

Wie steht es um die Nutzung regenerativer Energien in Bolivien – gibt es Fortschritte?

Ja und nein. Wir haben die ersten Windparks installiert, das ist positiv, aber das Potential regenerativer Energieträger ist immens. Bolivien verfügt bisher über vier Wind- und drei Solarparks – da fehlt ein wirklicher Impuls, um das Potential besser zu nutzen. Bei der Nutzung der Wasserkraft sieht es besser aus, da sind wir im Bereich von kleinen, dezentralen Anlagen weiter gekommen.

Wie beurteilen Sie die energiepolitische Zukunft Boliviens?

Bolivien hat sich lange auf  die eigene Erdgasförderung verlassen und das Gas auch zur Stromgenerierung im großen Stil eingesetzt. Doch die Förderung sinkt und eine Neudefinition des energiepolitischen Konzepts ist überfällig. Eine Strategie könnte lauten das Gas auch weiterhin zu exportieren und die eigene Stromerzeugung peu á peu auf regenerative Energien umzustellen. Das wäre ein Ansatz.

Interview: Knut Henkel 

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