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Guatemala: Protest gegen den "Pakt der Korrupten"

In Guatemala gehen die Menschen erneut gegen die Regierung von Präsident Alejandro Giammattei auf die Straße. Auslöser ist die Entlassung des obersten Antikorruptions-Ermittlers durch die Generalstaatsanwältin. Doch längst geht es um mehr, denn die Menschen haben es satt, dass sich eine Clique um den Präsidenten gnadenlos selbst bereichert. 

Protest Indigener in Guatemalas Hauptstadt gegen die Regierung. Foto (2016): Knut Henkel

Protest Indigener gegen die Regierung in Guatemalas Hauptstadt. Foto (2016): Knut Henkel

Die Demonstrationswelle vom 29. Juli fand vor allem in den ländlichen Regionen Guatemalas statt. Doch die Proteste haben Symbolcharakter. Plakate mit der Forderung nach Rücktritt von Präsident Alejandro Giammattei und der Generalstaatsanwältin Consuelo Porras waren überall neben den Plakaten gegen die omnipräsente Korruption zu sehen. Kein Wunder, denn die Entlassung des Mannes, den US-Außenminister Antony Blinken als „Champion der Korruptionsbekämpfung“ gerühmt hatte, schlägt in Guatemala hohe Wellen. Juan Francisco Sandoval heißt der Leiter der „Spezialisierten Staatsanwaltschaft gegen die Straflosigkeit“ (FECI), der seit 2015 den Posten bekleidet hatte und mit seinem Ermittlungen den Regierenden schon lange ein Dorn im Auge war. „Der Pakt der Korrupten“, der sich bereits unter der Regie von Ex-Präsident Jimmy Morales etabliert hatte, greift unter seinem Nachfolger Alejandro Giammattei immer schamloser in die öffentlichen Kassen.

Die Justiz als Gegengewicht hat es in Guatemala nicht erst seit dem Abzug der CICIG, der UN-Kommission gegen die Straflosigkeit im September 2019, immer schwerer. Richter werden nicht mehr nach Qualifikation sondern nach Willfährigkeit ernannt – das Kriterium lautet: "Du machst mit oder stellst Dich gegen uns“, so Claudia Samayoa, Direktorin der Menschenrechtsorganisation Udefegua. Mit der Entlassung Sandovals gehe die Regierung aufs Ganze, die Botschaft sei klar. „Guatemala hat keinen Platz für ehrliche Funktionäre“.

Welle der Proteste

Doch genau dagegen mehrt sich der Widerstand. Der Fall Sandoval sei der berühmte Tropfen, der das Glas zum Überlaufen bringe, so Samayoa und Protest die einzige Option. „Die Institutionen in Guatemala wurde von Korrupten übernommen. Anklagen, Eingaben, Beschwerden sind wirkungslos - und diese Erkenntnis macht sich breit“, analysiert die international bekannte Menschenrechtlerin. Zum Schwungrad des Widerstands gegen die Übernahme des Staates durch den "Pakt der Korrupten" ist die Organisation der 48 Kantone von Totonicapán im Zentrum des mittelamerikanischen Landes geworden. Straßenblockaden, unter anderem bei Kilometer 163 der Autobahn CA-2 in Mazatenango oder in Quetzaltenango in der Nähe von Los Encuentros, gehörten dazu. Protestierende versammelten sich aber auch vor dem Verfassungsgericht und vor dem Ministerio Público im Herzen der Hauptstadt. Unter dem Hashtag #ParoNacional29J koordinierten sich die Demonstranten in den sozialen Netzwerken.

Korruption als Teil des Systems

Juan Francisco Sandoval ist in Guatemala eines der bekanntesten Gesichter der Korruptionsbekämpfung. Der Staatsanwalt, der keine politischen Ambitionen verfolgt und den Job des obersten Korruptionsbekämpfers seit 2015 inne hat, war bis 2019 das Bindeglied zur UN-Kommission gegen die Straflosigkeit (CICIG). Die war 2015 und 2016 auf dem besten Weg, das Justizsystem so effektiv zu gestalten und zu stärken, dass es wirklich unabhängig von politischen Einflüssen gewesen wäre. Damals seien die progressiven Kräfte nahe daran gewesen, die Strukturen im korrupten und unter den Nachwehen des Bürgerkrieges (1960-1996) leidenden Landes zu ändern, so der deutsche Rechtsanwalt Michael Mörth, der eine Menschenrechtskanzlei in der Hauptstadt berät. Dann folgten die Ermittlungen gegen Präsident Jimmy Morales, dessen Familie und die korrupte Clique um den Präsidentenpalast. Die Oligarchie aus Politik, Militärs und Unternehmern formierte sich neu und hat bis heute einen Roll Back unter den Augen der USA durchgesetzt. Sandoval ist quasi das letzte Opfer. Er ist in die USA gegangen und hofft dort auf Unterstützung.

Fehlende Unterstützung der USA

Die Regierung von Joe Biden hat zwar in den letzten Monaten signalisiert, dass sie in der Region wieder aktiver werden will, um der Korruption ebenso wie der steigenden Migration in Richtung USA den Boden zu entziehen, aber bisher fehlt es an Konzepten. Zwar ist Ende 2020 mit der „Liste Engel“ ein Gesetz verabschiedet worden, dass Sanktionen für korrupte Politiker und andere vorsieht, aber die für die gesamte Region des Triangulo Norte vorgesehene Antikorruptions-Kommission hat noch keine sichtbaren Konturen. Zum Triangulo Norte, dem nördlichen Dreieck, zählt neben Guatemala und Honduras auch El Salvador. Korruption und Auswanderung prägen alle drei Gesellschaften. Unter dem ehemaligen amerikanischen Präsidenten Donald Trump wurden die Probleme nur benannt, aber nicht angegangen. Internationale Initiativen, wie die CICIG, die UN-Kommission gegen die Straflosigkeit, erhielten keine Rückendeckung und liefen auch deshalb aus.

Doch das Grundproblem ist für Claudia Samayoa ein anderes. „Wir Guatemalteken und Guatemaltekinnen müssen selbst aktiv werden, müssen uns für den Wandel, für ein anderes Gesellschaftsmodell engagieren. Das geht derzeit nur durch Demonstrationen und Geschlossenheit", so die Udefegua-Direktorin. Ein Hoffnungsschimmer ist die Tatsache, dass sich die oppositionellen Parteien näher kommen und ab und zu gemeinsam agieren. Ein Indiz, dass der Fall Sandoval mehr sein könnte als der Abgang eines engagierten Juristen ins Exil. Von denen hat es viele gegeben. Zuletzt war im April die Verfassungsrichterin Gloria Porras gegangen, um einem Strafbefehl zu entgehen – ähnlich wie Sandoval.

Autor: Knut Henkel

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