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Kolumbien |

Filmkritik: "Encanto" - Eine fantastische Familiengeschichte

Ein animiertes Musical: "Encanto" erzählt die Geschichte einer Familie, deren Mitglieder wunderbar-übermenschliche Gaben haben, die sie zum Wohle der Gemeinschaft einsetzen. Doch es gibt auch ein düsteres Geheimnis.

Collage zum Thema "Film". Foto: Adveniat/Jürgen Escher

Collage zum Thema "Film". Foto: Adveniat/Jürgen Escher

"Abre los ojos, mein Kind" - Öffne deine Augen und lass dir eine Geschichte erzählen! Es ist die leidvolle, zugleich auch geheimnisvoll-fantastische Geschichte deiner Familie, der Madrigals, die von Tod und Vertreibung, aber auch von der Magie der Gnade handelt. Klassisch wie im Märchen beginnt der Film "Encanto". Das Licht ist behaglich gedimmt, die Stimme von Oma Abuela raunt geheimnisvoll aus dem Off und berichtet von einer wundersamen Kerze. Sie beginnt, eine zauberhafte Macht zu verteilen und alle Nachkommen der Madrigals mit einer wunderbar-übermenschlichen Gabe zu beseelen.

Kerze verleiht übermenschliche Gaben

Generationen später leben die Madrigals als Patronen im kleinen kolumbianischen Bergdörfchen Encanto und beglücken mit ihrer Magie die Gemeinschaft. Da ist Abuelas Tochter Julieta, deren Speisen selbst Knochenbrüche heilen, oder ihre Schwester Pepa, deren Launen das Wetter macht, die Nichte Isabela, unter deren Händen Blumen sprießen, ihre Cousine Luisa, der stärkste Mensch der Welt, oder Dolores, die allwissende Klatschtante.

Und da ist Mirabel, deren Initiation als erste in der Familie nicht richtig geklappt zu haben scheint. Nichtsdestotrotz ist die junge Mirabel der Sonnenschein der Familie. Mitreißend fröhlich, wenn auch ein wenig chaotisch und unaufgeräumt, ist sie die Lieblings-Cousine von Antonio, dem schüchternen jüngsten Spross der Familie, der kurz davorsteht, seine persönliche Zauberkraft zu bekommen.

Poppiges Musical als Trickfilm

Die beiden Drehbuchautoren des 60. abendfüllenden Trickfilms des Disney-Mutterkonzerns haben nach dem märchenhaften Intro und der ein oder anderen unbeschwert-poppigen Musicalnummer noch ein bisschen Drama. Es gilt zu klären, ob Mirabel außer guter Laune nicht doch noch etwas Substanzielles zum Wohle der Familie beizutragen hat, und es gibt noch ein dunkles Geheimnis in Form von Onkel Bruno, dem "schwarzen Schaf".

Auch von außen droht Ungemach: Sind es nur nichtige Visionen, die Mirabel dazu veranlassen, vom Schwinden der Kraft der "magischen Kerze" zu orakeln? Oder ist ihr eigenes Schicksal mit dem von Bruno verbunden, dem von Oma Abuela Schuld am drohenden Auseinanderbrechen der engen Familienbande gegeben wird? Bevor es ein wenig düster wird, sehen die Produzenten erst einmal einen freudigen Rausch der Farben und positiven Emotionen vor. In "Encanto" gibt es keine Zwischentöne.

Farbenrausch und lateinamerikanische Rhythmen

Angefangen von der matriarchal organisierten Familienstruktur mit Abuela an der Spitze reihen sich verschiedene Charaktere (kolumbianischer) Frauen um den immer übervollen Esszimmertisch. Eigentlich eine kaum zu harmonisierende Truppe, wäre da nicht die unumstößliche Familienehre als höchstes und bindendes Gut sowie die mitreißende Mirabel als ausgleichendes Element.

Audiovisuell überschütten die Regisseure Byron Howard und Jared Bush diesen kaum zu bändigen Gefühlsvulkan mit den sattesten nur vorstellbaren Farben sowie der Rhythmuspalette lateinamerikanischer Liedkultur. Dem fantastischen Farbsetting steht eine geerdete, höchst moderne Tonspur gegenüber. "Encanto" steht in der Tradition der musik- und gesangslastigen Trickfilme des Hauses.

Raue Seele unter glatter Oberfläche

"Encanto" hätte leicht ein nur schwer erträglicher Kitschfilm werden können. Doch zum Glück gibt es die schwarzen Schafe der Familie! Das Team Mirabel/Bruno sorgt nicht nur für die überzeugendsten Songs, sondern auch für die Seele des Films, die ein wenig rauer ist, als die allzu glatte Oberfläche vermuten lässt. Zu einem flammenden Lobgesang auf das Individuum konnten sich die Verantwortlichen des Films zwar nicht ganz hinreißen lassen. Da sind die Hymnen auf die (lateinamerikanische) Großfamilie dann doch zu stark.

Auch die hier permanent zelebrierte Wichtigkeit des ausgleichenden Charakters von Mirabel wird hier dann doch nicht, wie zu vermuten wäre, als verborgene, aber größte aller "zauberhaften Gaben" der Familie gepriesen. Doch immerhin bescheren die beiden Underdogs dem Film wunderbare Momente. So versöhnt kann man auch das einmal mehr dick aufgetragene Finale als das goutieren, was es ist: ein "Encanto de Ojos", ein wahrer Augenschmaus.
 

Autor: Jörg Gerle, kna

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