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Chile |

Kinofilm "Los Reyes" aus Chile zeigt einen Park als Mikrokosmos

Ein Skaterpark, zwei streunende Hunde und eine Gruppe Jugendlicher aus prekären Verhältnissen: Aus diesen Komponenten entsteht ein ungewöhnlicher Spielfilm, der einen Einblick in die chilenische Gesellschaft bietet.

Vor der Gebirgskette der Anden hat sich inmitten der dichten Hochhauslandschaft Santiago de Chiles eine kleine Oase gebildet. Der Skaterpark "Los Reyes" zieht mit seinen tiefen Becken aus Beton Jugendliche an, die ihrem Alltag entkommen möchten oder bereits aus den sozialen Rastern gefallen sind. Ihre Schicksale und Geschichten stehen jedoch nur indirekt im Zentrum der kontemplativen Ethnografie von Bettina Perut und Ivan Osnovikoff. Ihre Kameras begleiten lieber die beiden Hunde Futbol und Chola. Die Streuner haben den Skaterpark als ihr Revier auserkoren und sich hier einen eigenen Lebensraum geschaffen. Ohne menschlichen Besitzer, dafür immer als Paar gehen sie ihren Routinen nach.

Sozialstudie über Hunde und Menschen

Hunde verkörpern oft den Anspruch, über eine gezähmte Natur zu verfügen. Sie werden als Rassen gezüchtet, dressiert und abgerichtet, um Frauchen oder Herrchen zu gefallen. Futbol und Chola zeigen dagegen, wie die Tiere abseits ihrer Rolle als bester Freund des Menschen leben und wie vielschichtig ihre Interaktionen miteinander sind. Man sieht sie mit Bällen spielen, die sie selbst in die Becken der Skateboarder rollen, um ihnen nachzujagen. Ab und zu lassen sie sich von Besuchern streicheln, aber eigentlich sind sie mehr mit ihrem eigenen Dasein beschäftigt. Ihre Handlungen sind oft rätselhaft, doch der Film macht deutlich, dass sie für die Tiere einen Sinn erfüllen.

Während die Kamera auf den Hunden ruht, werden im Off des Films immer wieder die Stimmen von Jugendlichen hörbar. Sie drehen zusammen ein paar Joints, reden über die versäumten Schulstunden, wütende Mütter und ihre Träume vom eigenen Drogengeschäft. Da sie nie zu sehen sind und nur als akustische Atmosphäre der beiden Tiere auftauchen, wird der Zuschauer selbst zum Ethnografen.

Der Skaterpark als Ort

Die Gespräche erzeugen Bilder im Kopf: über Klassenunterschiede, soziale Prekarität, fehlende Vaterfiguren und ethnische Zugehörigkeiten. "Ich hasse es hier", sagt einer, während die Sommerhitze keine Zuflucht im schattenlosen Park zulässt. Und doch ist klar, dass "Los Reyes" die einzige Möglichkeit ist, überhaupt einen Ort zu haben - für die Hunde und die Jugendlichen gleichermaßen.

Filmisch stellt sich eine Beziehung zwischen den Bewohnern des Parks und seinen Besuchern her, die mal mehr, mal weniger explizit gelingt. Als ein Junge erzählt, wie seine Großmutter ihn auf die Straße gesetzt und als Köter beschimpft habe, scheinen sich menschliche und tierische Streuner zu überlagern.

Doch die meiste Zeit bleiben die Körper der beiden Hunde im Fokus, oft im studierenden Blick der Großaufnahme. Abgewetzte Zähne, borstige Pfoten und wache Augen zeichnen ein berührendes Bild dessen, was Hunde in ihrem Wesen ausmacht. Für die Regisseure, die auf eine wahre Fülle politischer Dokumentarfilme in Chile zurückblicken, war die Gestaltung von "Los Reyes" eine besondere Herausforderung.

Fokus auf Hunde ermöglicht Jugendlichen freies Reden

Die Gespräche der Jugendlichen, durch die sich ihre soziale Situation erschließt, drifteten sogleich ins Künstliche ab, sobald sich die Kamera direkt auf sie richtete. Der ethnografische Film braucht immer ästhetische Strategien, um an Momente des Authentischen und Alltäglichen heranzukommen; die Anwesenheit der Kamera verstellt den Zugang oft mehr, als dass sie ihn ermöglicht. Über die Hunde Futbol und Chola gelang es den Filmemachern, den Jugendlichen Raum für Spiel und Improvisationen zu geben. Auch wenn deren Verwunderung über den Fokus auf die beiden Hunde anfänglich groß war, konnten sie ohne das auf sie gerichtete Objektiv freier assoziieren und von sich und ihren Schwierigkeiten erzählen.

Darüber hinaus gewährt "Los Reyes" ebenso Einblick in den Mikrokosmos eines Hundelebens und erzählt von der Klugheit und der Eigensinnigkeit der Tiere, die Bindungen eingehen und um Verluste trauern. Perut und Osnovikoff gelingt es, in ruhigen Bildern mit gleichschwebender Aufmerksamkeit die überkreuzenden Lebensräume von Menschen und Tieren zu entfalten und einen Ausschnitt der sozialen Disparitäten in der chilenischen Hauptstadt erfahrbar zu machen.

Quelle: kna, Autorin: Silvia Bahl

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