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Der Windkraft-Champion Uruguay

In Deutschland kommt der Ausbau der Windenergie nicht vom Fleck, die Energiewende stockt. Wie es gehen könnte, zeigt das südamerikanische Land Uruguay.

Windpark. Symbolbild: Flickr, CCO1.0

Windpark. Symbolbild: Flickr, CCO1.0

Für Harald Rudolph liegen zwischen Hohfleck in Baden-Württemberg und Minas und Pastorale in Uruguay nicht nur ein wenig mehr als 11.000 Kilometer. Für den Geschäftsführer des Windparkentwicklers Sowitec sind es Welten, welche die Flecken im Süden Deutschlands und in Südamerika trennen. Auf der einen Seite ein Windpark, der in 2024 stehen soll - stolze elf Jahre, nachdem die Landesregierung grünes Licht gegeben hat. Am anderen Ende der Welt 30 von Sowitec geplante Turbinen, die im Schnellverfahren gebaut wurden. Rudolph sagt: "In Uruguay ziehen die Behörden alle an einem Strang. Man setzt sich gemeinsam an einen Tisch, sucht nach Lösungen und findet in den allermeisten Fällen einen Konsens. Und hierzulande suchen wir nicht nach Lösungen, sondern nach Problemen."

Harald Rudolph ist wahrscheinlich genau der richtige Mann, um zu erklären, warum Deutschland bei dem Umbau auf erneuerbare Energien nicht in die Pötte kommt. Die Hürden in der unendlichen Geschichte vom Windpark Hohfleck 50 Kilometer südlich von Stuttgart lauten wie folgt: Denkmalschutz, die Rotoren stören die Postkartenidylle des Schlosses Lichtenstein. Artenschutz, der streng geschützte Greifvogel Rotmilan nistet in der Nähe, Haselmäuse müssen umgesiedelt werden. Und vor allem Genehmigungsverfahren, die sich schier endlos in die Länge ziehen.

"Beim Rotmilan haben wir der Behörde gesagt, wir schalten die Anlagen morgens bis abends ab, wenn der Vogel in den Gefahrenbereich fliegen könnte. Sie haben also das Rotmilan-Problem gelöst, und dann kommen Bürgerinitiativen mit der Fledermaus um die Ecke. Dann löst man dieses Problem und dann sagt die Behörde: 'Aber das Gutachten, das ist jetzt zu alt.' Natürlich ist das zu alt, wenn man jahrelang nichts entschieden hat."

Deutsche Energiewende in Zeitlupe

Geschichten wie diese sind in Deutschland Standard - dabei soll im Jahr 2030 80 Prozent des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden. Vor allem die Windkraft muss in den nächsten Jahren massiv zulegen. "Macht Euren Job, Bundesländer!", lautete der flammende Appell von Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck dieser Tage bei der Messe Windenergy in Hamburg.

Kein Wunder, in Bayern gingen 2021 gerade einmal acht Windanlagen ans Netz, in Baden-Württemberg lediglich 28. In ganz Deutschland wurden im vergangenen Jahr nur 484 Onshore-Windenergieanlagen errichtet. Macht Deutschland in dem Tempo weiter, bleiben die ehrgeizigen Ziele ein Wunschtraum.

Uruguay: Vorzeigeland und Vorreiter bei erneuerbaren Energien

Der Physiker Ramón Méndez ist der Mastermind hinter dem Windkraft-Wunder in dem dünn besiedelten Land. 2008 entwarf Méndez den 25-Jahres-Plan für die Energiepolitik Uruguays, für den er anfangs von vielen noch belächelt wurde, zu dem sich aber alle Parteien verpflichteten. Heute stammt mit 98 Prozent nahezu der gesamte Strom in Uruguay aus erneuerbaren Quellen, an der Spitze liegt die Windkraft mit 40 Prozent, gefolgt von Wasserkraft, Biomasse und Solarenergie.

Das renommierte Magazin Fortuna listete Méndez vor einigen Jahren als eine der 50 herausragenden globalen Führungspersönlichkeiten, weil er gezeigt habe, dass es möglich sei, eine Wirtschaft ohne Kohleverbrennung zu schaffen. Das Ergebnis dieser Erfolgsgeschichte fasst Méndez so zusammen: "Wir sind heute vollkommen unabhängig von den Gas-, Öl- und Kohlepreisen, der Krieg in der Ukraine hat für uns keinerlei Auswirkungen, wir kennen die Strompreise schon für die nächsten zehn Jahre. Im Gegenzug hat uns diese Transformationen Investitionen in Höhe von 13 Prozent des Bruttoinlandsproduktes beschert und 50.000 Arbeitsplätze geschaffen. Uruguay hat sich von einem Importeur von Strom zu horrenden Preisen zu einem Exporteur gewandelt, was uns Hunderte Millionen Euro pro Jahr in die Kassen spült."

Die Energiewende hat trotzdem ihren Preis

Doch die Erfolgsgeschichte der Energiewende Uruguays hat auch ihre Schattenseiten. Nicht nur, dass die Kosten für die Investitionen auf den Verbraucher umgelegt werden, der Staat sieht die Energiepreise auch als sprudelnde Einnahmequelle für andere Politikbereiche. Die Bevölkerung zahlt für den sauberen Strom deshalb wesentlich mehr als in Chile, Brasilien oder Argentinien, ärmere Familien geben bis zu 15 Prozent ihres monatlichen Einkommens für Strom aus. Für Méndez ist dies aber auch ein Resultat der gestiegenen Lebensqualität in dem südamerikanischen Land:

"Wir haben hier die Armut in den letzten 15 Jahren von 38 Prozent auf unter zehn Prozent gedrückt, die extreme Armut ist verschwunden. Was bedeutet, dass die Menschen auch mehr konsumieren. Das heißt, früher hatten viele von ihnen keine Klimaanlage, heute schon. Und das sehen die Uruguayer auf ihren Stromrechnungen."

Bevölkerung hat Umstellung als Chance begriffen

Ramón Méndez leitet heute die Stiftung Ivy in Montevideo, die Politiker, Wirtschaftsbosse und Bürgerinitiativen in ganz Lateinamerika berät, nachhaltiger zu leben. Gerade erst war er als Redner für eine Konferenz in Buenos Aires geladen, um das Geheimnis der Energiewende Uruguays zu erklären. In dem kleinen 3,5-Millionen-Einwohner-Land leben mehr Rinder Menschen, trotzdem sei ein so ehrgeiziges Projekt in jedem Land der Welt möglich - auch in Deutschland, ist sich Méndez sicher.

"Uruguay hat weder die Sonne Chiles noch den Wind Patagoniens. Ich würde sagen, unsere Ausgangsbedingungen sind okay, aber auch nicht sehr gut. Aber wir haben hier alle die Vision, dass es gut ist, Teil der Modernität zu sein. Die Menschen sehen mit großem Stolz auf die Windkraftanlagen und betrachten diese nicht als Verschandelung der Landschaft. Die Sicht auf eine Turbine ist doch der kleinste aller möglichen Schäden. Und über allem steht ja die Frage: 'Was wäre denn die Alternative?'"

Quelle: Deutsche Welle, Autor: Oliver Pieper

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