Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
Brasilien |

Brasilien: Um Bolsonaro wird es einsam

Brasiliens Präsident Bolsonaro steht in der Corona-Krise mit dem Rücken zur Wand. Nun brechen auch noch ranghohe Militärs mit seinem Kurs – und stürzen Bolsonaro damit in eine tiefe Krise. Wie steht es um sein Amt?

Präsident Bolsonaro bricht in Brasilien der Rückhalt weg. (Archivbild) Foto:  Jair Bolsonaro, .Palácio do PlanaltoCC BY 2.0

Brasiliens ultrarechter Präsident Jair Bolsonaro ist in nur zwei Tagen in die tiefste Krise seiner bisherigen Amtszeit gerutscht. Der überraschende Rücktritt am Dienstag der Oberbefehlshaber der drei Waffengattungen und der damit einhergehende Bruch mit weiten Teilen der Streitkräfte könnte Bolsonaro sogar sein Amt kosten. Mit dem Rücktritt protestieren die Chefs von Heer, Edson Pujol, von Marine (Ilques Barbosa Junior) und Luftwaffe (Antonio Carlos Bermudez) gegen den Versuch Bolsonaros, die Streitkräfte immer weiter für seine politischen Zwecke einzuspannen. Bereits am Montag hatte der Staatschef eine große Kabinettsumbildung vorgenommen und dabei sechs der 23 Minister ersetzt, unter anderem Verteidigungsminister Fernando Azevedo und Außenminister Ernesto Araújo.

Gut zwei Jahre nach Beginn seiner Amtszeit und nach Monaten eines katastrophalen Managements der Coronapandemie steht der Präsident nun mit dem Rücken zur Wand. Am Dienstag starben 3.668 Brasilianerinnen und Brasilianer an dem Covid-Erreger, ein neuer trauriger Tagesrekord. Das größte Land Lateinamerikas hat sich inzwischen mit dramatischen Infektions- und Todeszahlen sowie Mutationen zum weltweit gefährlichsten Zentrum der Pandemie und so zu einer Bedrohung der globalen Gesundheit entwickelt.

Militärs: „Wir wollen kein Teil der Politik sein"

Und dem 65 Jahre alten Präsidenten fällt jetzt seine Laisser-faire-Politik auf die Füße, mit der er bis vor kurzem die Bedrohung der Krankheit immer heruntergespielt hatte. Mittlerweile verliert er rasant an Zustimmung in der Bevölkerung und im Kongress. Dort liegen inzwischen 70 Anträge auf ein Amtsenthebungsverfahren gegen Bolsonaro, der sich 2022 unbedingt wiederwählen lassen will. Und nun scheint auch noch die Allianz mit den Militärs zerbrochen, die der ehemalige Fallschirmspringer bisher besonders gepflegt hatte. Sechs Minister und zahlreiche hohe Regierungsbeamte sind ehemalige Generäle oder Offiziere.  

Bolsonaro hatte in dem Konflikt mit den Gouverneuren und Bürgermeistern um Corona-Lockdowns wiederholt damit gedroht, die widerspenstigen Politiker durch die Streitkräfte auf Linie bringen zu lassen. Vor drei Wochen sagte er: „Mein Heer wird das Volk nicht dazu zwingen, zu Hause zu bleiben“. Dieser Satz stieß den Militärs sehr übel auf. Vor allem Heereschef Pujol machte wiederholt seinem Ärger über die „Politisierung“ der Streitkräfte Luft. „Wir wollen kein Teil der Politik sein, vor allem darf sie nicht in die Kasernen einziehen“.

Der Entfremdung zwischen dem Präsidenten und den Militärs hat sich auch in der großen Kabinettsumbildung vom Montag niedergeschlagen, im Rahmen derer Bolsonaro den wichtigen Posten der Kabinettschefin an die Abgeordnete Flávia Arruda von der Mitte-rechts-Partei Partido Liberal (PL) gab. Arruda ist nun für die Vermittlung zwischen Regierung und Kongress zuständig. Mit der Nominierung geht der radikal rechte Staatschef auf die bürgerliche politische Mitte zu, die er bisher immer verachtete. Aber angesichts der Coronakrise hat das mächtige Mitte-rechts-Lager, das sogenannte „Centrão“, seine Angriffe auf Bolsonaro intensiviert und könnte nun zu einer Bedrohung für ihn werden.

Buhlen um die politische Mitte 

Mit der Annäherung an diese gemäßigte Rechte beginnt Bolsonaro auch schon den Wahlkampf, bei dem er als Gegner im Herbst kommenden Jahres den linken Ex-Präsidenten Lula da Silva als seinen Herausforderer vermutet. Alle Urteile gegen den Politiker der Arbeiterpartei PT wurden kürzlich aufgehoben und ihm seine politischen Rechte wiedergeben. Sollte Lula bei der Präsidentenwahl antreten, buhlen sowohl er als auch Bolsonaro um die politische Mitte. Ohne diese können sie die Wahl nicht gewinnen.

Derweil scheint Brasilien weiter den Kampf gegen die Coronapandemie zu verlieren. Mit dem neuen Rekord an Todesopfern starben in Brasilien allein im März fast 63.000 Menschen, das ist doppelt so viel im Juli 2020, dem bisher tödlichsten Pandemiemonat. Nirgendwo anders auf der Welt erliegen dem Corona-Erreger derzeit so viele Menschen.

Zudem sind die Krankenhäuser in den meisten Städten des südamerikanischen Riesenlandes längst an und über der Kapazitätsgrenze angelangt. Und es fehlt zunehmend nicht nur an Sauerstoff, sondern auch an Narkosemitteln, die für die Beatmung von Patienten benötigt werden. Gleichzeitig stottert die Impfkampagne, weil die Vakzine knapp sind, was daran liegt, dass die ultrarechte Regierung beim Ankauf der Impfstoffe ideologische Aspekte über gesundheitliche Erwägungen gestellt hat. Bis Dienstag wurden erst 17 Millionen Brasilianerinnen und Brasilianer mit der ersten Impfdosis sorgt, was gerade einmal acht Prozent der Bevölkerung entspricht. 

Autor: Klaus Ehringfeld

Cookie Einstellungen

Erforderliche Cookies sind für den reibungslosen Betrieb der Website zuständig, indem sie Kernfunktionalitäten ermöglichen, ohne die unsere Website nicht richtig funktioniert. Diese Cookies können nur über Ihre Browser-Einstellungen deaktiviert werden.

Anbieter:

Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.

Datenschutz

Marketing-Cookies werden verwendet, um Besuchern auf Webseiten zu folgen. Die Absicht ist, Anzeigen zu zeigen, die relevant und ansprechend für den einzelnen Benutzer sind und daher wertvoller für Publisher und werbetreibende Drittparteien sind.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz

Statistik-Cookies dienen der Analyse und helfen uns dabei zu verstehen, wie Besucher mit unserer Website interagieren, indem Informationen anonymisiert gesammelt werden. Auf Basis dieser Informationen können wir unsere Website für Sie weiter verbessern und optimieren.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz