Brasilien: Bolsonaro baut inmitten der Pandemie Kabinett um
Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro hat sein Kabinett umgebaut und zentrale Posten neu besetzt. Aufgrund rasant steigender Corona-Todeszahlen steht der Präsident zunehmend unter Druck.
Inmitten der Corona-Pandemie hat Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro sein Kabinett umgebaut und zentrale Posten neu besetzt. Damit reagierte er auf den zunehmenden Druck aufgrund der rasant steigenden Corona-Todeszahlen. Das berichten mehrere lokale Medien übereinstimmend. Zuerst mussten am gestrigen Montag (Ortszeit) der brasilianische Außenminister Ernesto Aráujo und Verteidigungsminister Fernando Azevedo e Silva ihre Plätze räumen. Beide galten bislang als enge Anhänger des Präsidenten.
Der für sein Faible für Verschwörungstheorien bekannte Außenminister Araujo hatte das Coronavirus vor einem Jahr als "Comunavirus" bezeichnet, also als von Chinas Kommunisten erfundenes Virus. Auch Bolsonaros in der Politik aktive Söhne hatten scharfe Kritik an China geäußert. Die Äußerungen hatten die Beziehungen zu Brasiliens wichtigstem Handelspartner belastet. So stockten in den vergangenen Monaten Lieferungen von Grundstoffen für die Impfstoffherstellung aus China.
Überraschender war die Ablösung von General Fernando Azevedo e Silva als Verteidigungsminister. Bolsonaro soll von Azevedo und von General Edson Pujol, Kommandant der Streitkräfte, mehrmals verlangt haben, sich öffentlich zu seiner Corona-Politik zu bekennen. Bolsonaro hatte angedeutet, dass die Streitkräfte notfalls gegen von Gouverneuren angeordnete Lockdowns vorgehen könnten. Mit Pujols Entlassung wird in Kürze gerechnet.
Zahlreiche Neubesetzungen im Kabinett
Als neuen Verteidigungsminister ernannte Bolsonaro den General und bisherigen Regierungspalast-Chef ("Chefe da Casa Civil") Walter Braga Netto. Im Außenamt rückt der Karrierediplomat Carlos Alberto Franco França nach, berichtet das brasilianische Politikmagazin "Congresso Em Foco". Für den frei gewordenen Regierungspalast-Chefposten ("Casa Civil") wurde General Luiz Eduardo Ramos bestimmt, der bisher das Sekretariat leitete. Für ihn rückt die Parlamentarierin Flávia Arruda nach.
Im Justizministerium musste André Mendonça seinen Hut nehmen, der nun wieder Chef der Bundesanwaltschaft wird. Er wird ersetzt durch Anderson Torres, bisheriger Sicherheitsminister im Bundesstaat Brasilia. Die neuen Minister gehören dem Lager anderer Parteien an und sind keine Anhänger des "Bolsonarismo".
Ebenfalls entlassen wurde Bundesstaatsanwalt Jose Levi, der sich geweigert hatte, eine Verfassungsbeschwerde gegen Lockdown-Maßnahmen von drei Gouverneuren zu unterzeichnen. Bolsonaro hatte vergeblich versucht, mit der Klage vor dem Obersten Gericht härtere Maßnahmen zu verhindern.
Brasilien durchlebt derzeit die schlimmste Phase der Pandemie. In den vergangenen Tagen wurden mehrmals über 3.000 Tote innerhalb von 24 Stunden gemeldet. Zudem gehen den überfüllten Krankenhäusern Sauerstoff und Medikamente aus. Die Pandemie wird zusätzlich durch die aggressivere Mutante P.1 aus dem Amazonasgebiet befeuert. Trotzdem sträubt sich der Präsident, härtere Maßnahmen zu erlassen: Dadurch würde die Wirtschaft zu sehr geschwächt, so Bolsonaro. (bb/jl/kna)