Unerwartete Rückkehr: Gericht in Brasilien hebt Urteil gegen Lula auf
Überraschung in Brasilien: Ein Oberster Richter annulliert vier Urteile gegen den linken Ex-Präsidenten Lula. Damit kann der ehemalige Gewerkschaftsführer voraussichtlich Ende 2022 bei den Präsidentenwahlen gegen Jair Bolsonaro antreten.
Die Entscheidung des Obersten Richters Edson Fachin überraschte ganz Brasilien, allen voran den mittlerweile 75-jährigen Ex-Präsidenten selbst. Nachdem Luiz Inacio "Lula" da Silva, Regierungschef von 2003 bis 2010, zwischen April 2018 und November 2019 bereits 580 Tage wegen Korruption und Geldwäsche in Haft saß und dadurch die Wahlen im Oktober 2018 verpasst hatte, sind alle vier in der Stadt Curitiba anhängigen Prozesse nun annulliert. Präsident Jair Messias Bolsonaro, der 2018 in Lulas Abwesenheit gewann, dürfte sich auf den Wahlkampf 2022 gegen seinen Erzfeind freuen.
Bisher war Lulas juristische Lage kritisch. Nach Überzeugung der Anti-Korruptions-Task-Force "Lava Jato" (Operation Waschstraße) und dem damals zuständigen Richter Sergio Moro soll er von einem Bauunternehmen ein Strand-Luxus-Apartment erhalten haben. Dafür musste Lula ins Gefängnis. In einem zweiten Prozess wurde er wegen illegaler Gelder für einen angeblich ihm gehörenden Landsitz verurteilt. Zwei weitere Prozesse, die die Finanzierung von Lulas politischem Institut betreffen, befinden sich noch am Anfang.
Neuer Prozess gegen Luiz Inacio "Lula" da Silva
Wegen der beiden Verurteilungen durfte Lula laut dem von ihm selbst 2010 erlassenen "Saubere-Westen-Gesetz" nicht bei den Wahlen antreten. Die nun getroffene Entscheidung hebt diese Suspendierung jedoch auf. Alle vier Prozesse werden nun an ein Bundesgericht der ersten Instanz in der Hauptstadt Brasilia weitergereicht. Dort beginnen sie von Null - was ausschließen dürfte, dass Lula vor der Anmeldung seiner Kandidatur in rund 16 Monaten erneut verurteilt und damit aus dem Rennen genommen wird.
Die Annullierung überraschte selbst Lulas Verteidigung. Der Oberste Richter Fachin erklärte, dass die Richter in Curitiba überhaupt nicht zuständig gewesen seien - und daher nie die Prozesse gegen den früheren Gewerkschaftsführer hätten führen dürfen. Dass diese Entscheidung nun, dreieinhalb Jahre nach Lulas erster Verurteilung, so plötzlich gefällt wurde, zeigt, wie sehr sich der politische Wind seither gedreht hat.
Justiz zielte direkt auf Lulas Verurteilung ab
2019 hatten Hacker die Handys der Richter und Ermittler in Curitiba geknackt und geheime Absprachen zwischen Staatsanwaltschaft und Gericht zutage gefördert. Daraus wird klar, dass man es gezielt auf eine Verurteilung Lulas vor den Wahlen 2018 abgesehen hatte. Dass Lulas Richter Sergio Moro später gar Justizminister unter Wahlsieger Bolsonaro wurde, schwächte den Anti-Korruptionskampf zusätzlich.
Nun drohte wegen der gehackten Absprachen eine Annullierung von Moros Urteilen. Zudem hatte Lulas Verteidigung ihn wegen der Nähe zu Bolsonaro der Befangenheit bezichtigt. Experten glauben, dass die Annullierung der vier Lula-Prozesse der einzige Ausweg des Obersten Richters Fachin war, um einen Domino-Effekt und damit eine Annullierung aller Prozesse zu verhindern. Juristen zweifeln allerdings, ob der Plan aufgeht. Rund 100 Politiker und Unternehmer wurden bislang verurteilt. Auch ihre Richtersprüche könnten kassiert werden.
Bolsonaro gegen Lula
Präsident Bolsonaro soll laut Medienberichten entspannt auf das Comeback seines politischen Erzfeindes reagiert haben. Schließlich profitierte er bei den Wahlen 2018 erheblich von der Ablehnung der Bürger gegenüber Lulas Arbeiterpartei PT. So glaubt Bolsonaro auch jetzt, gegen den mit dem Korruptions-Image behafteten Lula 2022 leichtes Spiel zu haben. Allerdings sollten Umfragen ihn warnen, Lula zu unterschätzen. So erklärten zuletzt zwar 44 Prozent, auf keinen Fall Lula wählen zu wollen. Bolsonaros Ablehnung war mit 56 Prozent jedoch noch höher.
Die Börse im Land reagierte gereizt; am Montag verlor sie rund vier Prozent. Gleichzeitig stieg der Dollar gegenüber dem Real um 1,7 Prozent. Beobachter vermuten, dass Bolsonaro nun populistische Maßnahmen ergreift, um Lula die Wähler abzujagen. Eigentlich erwartete man einen Sparkurs nach dem teuren Corona-Jahr. Die Finanzmärkte hätten sich statt des linken Lula deshalb einen moderaten Kandidaten aus der Mitte gewünscht.