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Bolivien: Der Anfang vom Ende der Ära Morales?

Bei den Kommunal- und Regionalwahlen am kommenden Sonntag in Bolivien dürfte die regierende Bewegung zum Sozialismus (MAS) selbst verschuldete Niederlagen einfahren. 

Bei einer Kundgebung zum 10. Oktober, dem Tag der Demokratie in Bolivien. singt Präsident Evo Morales mit Anhängern die Nationalhymne. Foto (2018): Adveniat/Martin Steffen

Bei einer Kundgebung zum 10. Oktober, dem Tag der Demokratie in Bolivien. singt Präsident Evo Morales mit Anhängern die Nationalhymne. Foto (2018): Adveniat/Martin Steffen

Sein Sieg bei der Präsidentschaftswahl in Bolivien im Oktober war überwältigend. Doch schon fünf Monate später weht Luis Arce von der linken Bewegung zum Sozialismus (MAS) ein scharfer Wind entgegen. Die zweite Welle der Pandemie und ein schleppender Impfbeginn drücken die Stimmung. Ärzte streiken gegen ein gesundheitliches Notstandsgesetz, Kokabauern demonstrieren gegen Einmischung der Regierung in die Wahl ihrer Gewerkschaftsführung. Die Wirtschaft ist in Rezession, die Staatskassen sind mager bestückt, und die Elite im Tiefland macht gegen Preiskontrollen für Agrarprodukte mobil. Und nun dürfte die MAS bei den Regional – und Kommunalwahlen am Sonntag auch noch eine Schlappe einstecken.

Mehr Show als Inhalte

„Bei der Präsidentschaftswahl hofften die Wähler auf eine Rückkehr zur wirtschaftlich erfolgreichen Ära der MAS unter (Expräsident) Evo Morales. Heute stehen andere Themen und Personen im Vordergrund”, sagt Juan Carlos Núñez von der Stiftung Jubileo, die Sozialforschung betreibt und vom deutschen Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat unterstützt wird. Um das Charisma der MAS ging es im Wahlkampf augenscheinlich auch mehr als um Inhalte. Die Polarisierung zwischen pro- und anti-MAS, die den Präsidentschaftswahlkampf prägte, sei in den Hintergrund gerückt, schrieb auch der Exdiplomat Gabriel Gaspar im Portal „El Mostrador“. Die Kampagne mit ihren laut beschallten Autokorsos und Massenveranstaltungen ohne Mundschutz und Abstand wirkte oft eher wie ein Ersatz für die wegen der Pandemie ausgefallenen Karnevalsfeiern. Kandidaten seilten sich von Hochhäusern ab, legten Tanzeinlagen hin oder ließen sich in Talkshows zu ihrem Liebesleben befragen. Auf eine prominente Figur musste ausgerechnet die MAS in dieser Show allerdings weitgehend verzichten: ihr Parteichef Morales fiel wegen Covid-19 einen Monat lang aus.

Die MAS in der Krise

Das Ergebnis des Politkarnevals, das sich derzeit in den Umfragen widerspiegelt, ist mehrdeutig. Für die MAS-Kandidaten sieht es zweifelsohne nicht gut aus. Aber auch auf Seiten der Opposition stechen mehr einzelne Charaktere unterschiedlichster politischer Richtungen hervor als eine strategische Alternative zur jahrzehntelangen Dominanz der MAS. Am Regierungssitz in La Paz führt Umfragen zufolge bei den Bürgermeisterwahlen Iván Arías, ein Soziologe der alten Garde und ehemaliger Minister der rechten Interimsregierung von 2019 bis 2020. In El Alto, der indigen geprägten Satellitenstadt von La Paz, liegt Eva Copa vorne. Die junge Politikerin war bis vor kurzem Senatspräsidentin der MAS und gehörte dem sozialdemokratischen Reformflügel an, der die Partei aus dem eisernen Caudillo-Griff von Morales befreien wollte – was der ihr übel nahm und ihre Kandidatur unterband. Nun tritt sie für die indigene Bewegung Jalalla an und kann mit einem überragenden Wahlsieg rechnen. Die MAS, die zuletzt mit den kämpferischen Basisbewegungen der Arbeiter-Vorstadt über Kreuz lag, kann sich glücklich schätzen, wenn sie ein Gemeinderatsmitglied stellt.

Rechtspopulist Camacho hat Chancen auf Gouverneursposten

In Cochabamba dürfte der erst voriges Jahr aus dem Exil zurückgekehrte, konservative Ex-Militär und Altpolitiker Manfred Reyes Villa die Kontrolle über die Stadt erneut übernehmen. Er gilt zwar als korrupt, aber jemand, der Parks, Brücken und Straßen baut. Die Wirtschaftsregion Santa Cruz im Tiefland dürfte fest in rechter Hand bleiben. Die Bürgermeisterwahlen machen wohl zwei konservative Kandidaten unter sich aus; neuer Gouverneur dürfte der junge Rechtspopulist Luis Fernando Camacho werden, der die Proteste gegen Morales 2019 anführte. 

Die MAS dürfte den Gouverneur von Cochabamba stellen und hat außerdem Chancen auf denselben Posten in La Paz. Der Popularitätsverlust der MAS insbesondere in den Städten ist symbolisch für das Ende der Ära Morales. Vertuschte Korruptionsskandale, wie der um die Veruntreuung von Millionen im Indigenen Entwicklungsfonds, belasten das Image der MAS in der urbanen Mittelschicht. An der Basis stößt Evos autoritärer, patriarchaler Führungsstil auf Missfallen. In seiner Hochburg im Chapare wurde er deshalb auf einer Parteiveranstaltung mit einem Stuhl beworfen, in Potosí ausgepfiffen. 

Morales hält Umfragen für gefälscht

Das will Morales nicht wahr haben. Die Umfragen erklärte er für gefälscht, nachdem sie ergaben, dass seine Favoriten in El Alto und Santa Cruz nicht einmal mit zehn Prozent rechnen können – obwohl Präsident Arce die Wähler pflichtschuldig zur Parteidisziplin ermahnt. Dabei würde ihm eine Niederlage der Evo-Kandidaten mehr Autonomie verschaffen. Zumal er noch einen Kniff in der Hinterhand hat, um oppositionelle Amtsträger zu disziplinieren: Vier Fünftel der öffentlichen Mittel vergibt die Zentralregierung. Auf diese Weise erkaufte die MAS bislang politische Gefolgschaft. „Nun sind die Staatseinnahmen und damit die Überweisungen an die Gemeinden aber um 30 Prozent gesunken“, rechnet Núñez vor: „Das zwingt alle Politiker dazu, öffentliche Gelder effizienter einzusetzen.”

Text: Sandra Weiss, Mexiko

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