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Argentinien - letzter Ausweg Preisdeckel

Mit einem Preisdeckel versucht die Regierung in Buenos Aires die Inflation in den Griff zu bekommen. Während es in den Armenvierteln Zustimmung gibt, wächst aus der Wirtschaft die Kritik.

Das Bild zeigt einen Hund, ein Auto und eine heruntergekommene Hütte

Villa Carcova ist eines der gefährlichsten Elendsviertel am Stadtrand von Buenos Aires. Foto: Adveniat/Jürgen Escher

Die blau-weißen Schilder sollen versichern: Der Preis für dieses Produkt ist "fair" und damit Teil einer Preisdeckel-Strategie, mit der die Regierung von Präsident Alberto Fernandez in Argentinien versucht, der Inflation und damit der ständigen Preissteigerung Herr zu werden.

Zwischen dem 1. Februar und dem 30. Juni dürfen die Preise für ausgewählte Produkte des täglichen Bedarfs nur um maximal 3,2 Prozent pro Monat steigen. Allein im Dezember 2022 lag die Inflationsrate in Argentinien allerdings bei knapp 95 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Für die Menschen hat das dramatische Folgen: Die Lebenshaltungskosten steigen viel schneller als die Löhne und Gehälter.

Werbemarathon für Preisstrategie

Ob im Taxi, im Fernsehen oder im Radio: Die Regierung bewirbt ihre Maßnahme in Werbespots als Lösung der wirtschaftlichen Krise. Um das alles zu überwachen, setzt sie auf Helferinnen und Helfer aus dem eigenen politischen Lager, die die Preise in den Supermärkten überwachen und kontrollieren. "Dies ist ein Programm, das darauf abzielt, die Inflation zu verringern und Preisstabilität zu erreichen, um die Kaufkraft des Einkommens der Bevölkerung wiederherzustellen", lautet die Eigendefinition der Regierung. Die steht unter Druck, denn im Laufe des Jahres wird gewählt in Argentinien. Die Armutsrate ist unter Fernandez gestiegen, die Umfragewerte eher gesunken.

"Marktverzerrenden Wirkung"

"Preiskontrollen sind aufgrund ihrer marktverzerrenden Wirkung generell ein Problem. In Argentinien will die Regierung der Inflation entgegenwirken. Das ist so, als würde man mit ein paar Kieselsteinen einen reißenden Fluss zu stauen versuchen", sieht Lars-Andre Richter von der liberalen FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung in Buenos Aires die Maßnahme kritisch.

"Offiziell wird den Produzenten und ihrer vermeintlichen Spekulationsfreudigkeit die Schuld für die hohe Inflationsrate angelastet. Das ist eine klare Verdrehung der Tatsachen", sagt Richter im Gespräch mit der DW. "Verantwortlich sind die quasi rund um die Uhr laufenden Gelddruckmaschinen. In die Irre führt auch das Branding: presios justos, gerechte Preise. Es handelt sich dabei um die moralische Überhöhung einer falschen Wirtschaftspolitik."

Forderung nach gerechten Löhnen

Weit draußen in den Armenvierteln der Provinz Buenos Aires, wo es in den Hüttensiedlungen oft nicht mal fließendes Trinkwasser gibt, sind die brutalen Preissteigerungen für die Grundnahrungsmittel und Güter des täglichen Bedarfs noch härter zu spüren als in der Stadt. Armenpriester Padre "Paco" Oliveira geht die Maßnahme der precios justos deshalb nicht weit genug. "Diese Maßnahme ist gut, aber sie reicht nicht aus", sagt der katholische Geistliche, der sich gemeinsam mit anderen Armenpriestern für die sozialen Belange der Menschen vor Ort einsetzt, im Gespräch mit der DW.

"Ein fairer Preis ist eine Vereinbarung mit den Unternehmen, damit sie die Preise für bestimmte Produkte nicht über das vereinbarte Maß hinaus erhöhen. Das ist aber längst nicht genug. Die Menschen müssen aber Löhne für Ihre Arbeit bekommen, die über der Inflation liegen", fordert Padre Paco.

"Diese Strategie wird scheitern"

Kritisch sieht die Maßnahme Agustin Etchebarne vom Think Tank Libertad y Progreso im Gespräch mit der DW: "Preiskontrollen können nicht funktionieren, denn wenn ein Preis festlegt wird, der unter dem freien Marktpreis liegt, verzerrt man die Signale und fordert die Produzenten auf, weniger zu produzieren und die Verbraucher auf, mehr zu konsumieren." So komme es zu Engpässen und leeren Supermarktregalen. "Und wenn die Preise dann wieder freigeben werden, stellt sich heraus, dass die Preise, die am stärksten steigen, natürlich die sind, die kontrolliert wurden."

Etchebarne glaubt deshalb nicht, dass es gelingen wird, die Preise in den Griff zu bekommen: "Die Strategie des fairen Preises wird natürlich scheitern, wie bei all den anderen Malen, als in den letzten 4000 Jahren überall auf der Welt Preiskontrollen durchgeführt wurden. Und in Argentinien gibt es eine lange Tradition gescheiterter Preiskontrollen, die immer in sozialen Unruhen enden, bis hin zur Hyperinflation wie am Ende der Regierung Alfonsín." Alfonsin wurde 1983 nach dem Ende der Militärdiktatur der erste demokratische Ministerpräsident Argentiniens und war bis 1989 im Amt.

Autor: Tobias Käufer (Deutsche Welle)

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