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Argentinien: Kirchner soll für zwölf Jahre ins Gefängnis

Argentinien steht vor einer Zerreißprobe: Vizepräsidentin Cristina Kirchner soll für zwölf Jahre ins Gefängnis. Ihre Anhänger rufen zum Widerstand auf, die Opposition feiert das harte Durchgreifen der Justiz.

Cristina Fernández de Kirchner am 5. Juni 2014 bei der Einweihungsfeier des neuen Sitzes der argentinischen Nachrichtenagentur Telám in der Hauptstadt Buenos Aires. Foto: Cristina Fernández, Augusto Starita / Ministerio de Cultura de la Nación, CC BY-SA 4.0

Cristina Fernández de Kirchner am 5. Juni 2014 bei der Einweihungsfeier des neuen Sitzes der argentinischen Nachrichtenagentur Telám in der Hauptstadt Buenos Aires. Foto: Cristina FernándezAugusto Starita / Ministerio de Cultura de la NaciónCC BY-SA 4.0

Noch in der Nacht versammeln sich Gegner und Anhänger von Cristina Kirchner in den Straßen von Buenos Aires. Die einen sind entsetzt über die Forderung der Staatsanwaltschaft, die anderen feiern, dass die Gerechtigkeit ihren Lauf nimmt. Auf jeden Fall wird in diesen Stunden deutlich, was dem südamerikanischen Land neben dramatischer Inflation, Massenarmut und sozialer Spaltung jetzt auch noch droht: Eine gesellschaftliche Zerreißprobe mit unbekanntem Ausgang. Im Ortsteil Recoleta musste die Polizei die beiden Lager mit Tränengas trennen.

Kurz zuvor hatte Staatsanwaltschaft Diego Luciani seine Forderung verkündet: Zwölf Jahre Haft und lebenslange Sperre für Kirchner, die aktuell Vizepräsidentin der linken Regierung von Präsident Alberto Fernández ist. Doch Kirchner ist viel mehr als nur die aktuelle Nummer zwei: Sie regierte nach ihrem inzwischen verstorbenen Mann Nestor (2003 – 2007) insgesamt acht Jahre als Präsidentin das Land (2007 – 2015) und gilt immer noch als die einflussreichste Persönlichkeit des südamerikanischen Landes mit einer treuen Stammwählerschaft. Luciani hat sich also mit der mächtigsten Frau des Landes angelegt.

Vorwurf: Netzwerk der Korruption

Die Vorwürfe: Kirchner soll einem kriminellen Korruptionsnetzwerk vorstehen, dass den argentinischen Staat um insgesamt eine Milliarde US Dollar betrogen haben soll. Die Rede ist von Geldwäsche und Unterschlagung von öffentlichen Geldern. "Es geht um das größte Korruptionsnetzwerk, das das Land je gesehen hat", sagte Luciani bei seinem Schlussplädoyer. Nun hat das Gericht das letzte Wort. Anhänger und Gegner haben dagegen ihr Urteil längst gefällt: Schuldig oder unschuldig, je nach politischer Positionierung. Präsident Fernández, der auf die Unterstützung des immer noch mächtigen Kirchner-Lagers angewiesen ist, stellt sich hinter seine Vizepräsidentin. Kein einziger Vorwurf sei bewiesen, kritisierte er die Justiz. Fernandez und Kirchner planen ohnehin eine Justizreform. Kirchner selbst sieht als Opfer einer politisch-medialen Kampagne, die das Ziel habe sie aus der Politik zu drängen. Ihre Anhänger teilen diese Sicht der Dinge.

Kirchner ist Multimillionärin

Tatsächlich stieg die Familie Kirchner während ihrer Zeit als Berufspolitiker zu Multimillionären auf. Es gibt Hotels und Ländereien, die zu ihrem Besitz zählen. Die letzten Jahre sind voll von bizarren Kuriositäten bis hin zu einem Kirchnernahen Funktionär, der dabei gefilmt wurde, wie er Geldsäcke über die Mauern eines Klosters warf. Das Gericht muss nun entscheiden, wie es die Beweislage und die Ermittlungen des Staatsanwaltes bewertet. Die schlüsselte auf, dass eine Firma eines Kirchner-Vertrauten rund 80 Prozent aller öffentlichen Straßenbauaufträge in Kirchners Heimatregion Santa Cruz zugeschanzt bekommen haben soll. Das lukrative Geschäftsmodell: Aus den überhöhten Baukosten kassierte das Ehepaar Kirchner eine Art Provision. Kirchner bestreitet das vehement. Den eigenen Reichtum erklärt die Familie mit „erfolgreichen Investitionen“ sowie mit den Einkünften aus der Beratungstätigkeit als Juristen.

Argentiniens Zerreißprobe

Das alles trifft Argentinien inmitten einer schweren Wirtschaftskrise und vor den Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr. Ein politisches Alpha-Tier wie Cristina Kirchner im Gefängnis würde ihre Anhängerschaft mobilisieren und das ohnehin vergiftete Klima im Land weiter anheizen. Es ist denkbar, dass Kirchner dann eine erneute Kandidatur angekündigt und die Wahlen so zu einer Abstimmung über ihre Schuld oder Unschuld werden. Kirchner gilt als eine der wichtigsten und prominentesten Politikerinnen der lateinamerikanischen Linken und ist bestens vernetzt mit anderen Linkspolitikern der Region. Die meisten ihrer internationalen Kontakte stellten sich hinter Kirchner. Umgekehrt würden ihre Gegner einen Freispruch wohl ebenso wenig akzeptieren und ihrerseits die Straßen mobilisieren. Ein freiwilliger Rückzug Kirchners gilt als ausgeschlossen.

Juristisches Tauziehen

Doch erst einmal geht das lange Tauziehen weiter. Das Urteil gegen Kirchner wird für Ende des Jahres erwartet. Anschließend kann beim Obersten Gerichtshof noch Einspruch eingelegt werden. Ein rechtskräftiges Urteil könnte dann erst in ein paar Jahren erwartet werden.

Autor: Tobias Käufer

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