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Wie Kuba gegen den Klimawandel kämpft (Interview)

Der Klimawandel trifft Kuba hart. Es drohen schwere Dürren und die Umsiedelung von ganzen Gemeinden. Anisley Morejón, die Chefin der Studiengruppe zu Umwelt und Gesellschaft (GEMAS), erklärt im Interview, wie sich der Karibikstaat dagegen zu wehren versucht. 

Kuba ist aufgrund des Klimawandels vom Anstieg des Meeresspiegels bedroht. (Symbolbild): Pixabay7315741 

Anisley Morejón, hat einen Doktor in Philosophie und ist Chefin der Studiengruppe zu Umwelt und Gesellschaft (GEMAS) am Institut für Philosophie in Havanna, einer Art Think tank des kubanischen Ministeriums für Wissenschaft, Technologie und Umwelt, kurz CITMA. Morejón beschäftigt sich dort mit der sozialen Dimension des Klimawandels. Von dem ist Kuba als Insel in der Karibik besonders betroffen…

Blickpunkt Lateinamerika: Frau Morejó, inwiefern ist Kuba vom Klimawandel betroffen?

Anisley Morejón: Die Auswirkungen sind vielfältig. Da ist der Anstieg des Meeresspiegels, der es nötig machen wird, bestimmte Orte an der Küste umzusiedeln. Dürren werden zunehmen und länger anhalten. Die Böden werden durch Erosion und Versalzung stark beeinträchtigt – mit Auswirkungen für Landwirtschaft und Ackerbau. Dies wird die Art der Bewirtschaftung verändern. Eine weitere Auswirkung ist die Verfügbarkeit von Wasserressourcen. Sie wird uns vor die Frage stellen, wie wir das verfügbare Trinkwasser bewahren können. Aufgrund des Klimawandels werden sich extreme Wetterereignisse wie Hurrikane und tropische Stürme verstärken. Hinzu kommen gesundheitliche Auswirkungen durch den Temperaturanstieg, weil der menschliche Organismus auf bestimmte Klimaveränderungen nicht vorbereitet ist.

Mit Tarea Vida(Aufgabe Leben) hat die kubanische Regierung 2017 ein ambitioniertes Programm zur Bekämpfung des Klimawandels verabschiedet. Was beinhaltet dieser Regierungsplan?

Tarea Vida ist ein staatlicher Plan zur Anpassung an den Klimawandel auf nationaler Ebene. Er wurde vom Umweltministerium ins Leben gerufen und besteht aus fünf grundlegenden Maßnahmen und elf Aufgaben. Die grundlegenden Maßnahmen sind: keine neuen Bauvorhaben in den am meisten gefährdeten Küstengebieten. Zweitens: Neubauten sollten resistent oder an den Meeresspiegelanstieg angepasst sein. Drittens betrifft die landwirtschaftlichen Aktivitäten: Das heißt, es soll Saatgut eingesetzt werden, das gegen hohe Temperaturen resistent ist. Die vierte Maßnahme lautet: Pflanzungen in Küstennähe sollen vermieden werden, sowohl wegen der Versalzung als auch wegen des Eindringens von Meerwasser. Und schließlich darf man in Küstengebieten nicht nur nicht neu bauen, es muss innerhalb der staatlichen Fünf-Jahres-Pläne auch ein Budget für die Gemeinden geben, die ins Landesinnere verlegt werden müssen.

Zu den elf zugeordneten Aufgaben gehören die Wiederherstellung und der Erhalt der Strände, Mangrovenwälder und Korallenriffe; die Stärkung des Hurrikan-Frühwarnsystems; die Sicherstellung der Verfügbarkeit von Wasser; sowie der Ausbau erneuerbarer Energien. Bis zum Jahr 2030 möchte Kuba den Anteil regenerativer Energien an der Stromversorgung von derzeit vier auf 25 Prozent ausbauen.

Wie wurde der Plan bisher umgesetzt?

Besonders wichtig sind Projekte zur Nahrungsmittelsicherheit: Da wir stark von Dürre betroffen sein werden und in Kuba bereits 60 Prozent der Böden unter Erosion, Dürre und Versalzung leiden, müssen wir Projekte zur Nachhaltigkeit der Ernährung fördern. Es gibt mit BASAL (Projekt der Umweltgrundlagen für die Nachhaltigkeit lokaler Lebensmittel) ein emblematisches Projekt, das sich mit Bodenmanagement, Dürremanagement und der Umstellung von landwirtschaftlichen Fincas zu agrarökologischen Fincas befasst. Wesentliche Komponenten sind zudem die nachhaltige Reisproduktion und die Anpassung des Viehbestandes und der Landwirtschaft an die Auswirkungen des Klimawandels.

Welche Rolle spielt die Zivilgesellschaft?

Tarea Vida arbeitet nicht nur aus dem staatlichen Bereich, den Ministerien, sondern auch mit mehr als 30 Organisationen der Zivilgesellschaft zusammen. Mit unserem Institut für Philosphie können wir von einer sozialen Dimension her einwirken, indem wir die Wahrnehmung und das Wissen sowie die Partizipation der Bevölkerung schulen. Damit es nicht nur bei staatlichen Plänen bleibt, die von oben herab entworfen werden, sondern in den Gemeinden selbst Projekte entwickelt werden und sich selbstverwaltete Projekte artikulieren, um den Auswirkungen des Klimawandels entgegenzutreten

Kubas Wirtschaft hängt zu sehr vom (Massen-)Tourismus ab, nicht gerade eine „grüne“ Industrie. Kann dieser Widerspruch gelöst werden und wie?

Ich werde Ihnen von der Philosophie her antworten. In der Philosophie werden Widersprüche nicht aufgelöst, Widersprüche werden vorausgesetzt. Man muss eine höhere Stufe erreichen, um einen Widerspruch zu überwinden; das heißt, man kann einen Widerspruch in der Wirtschaft oder der Umwelt nicht auflösen, ohne die Entwicklung zu berücksichtigen. Kuba braucht Tourismus, Massentourismus, um all seine sozialen Projekte fördern zu können. Und gleichzeitig hat es eine Projektion, die Umwelt zu schonen und zu schützen. Konzipiert wird ein nachhaltiger Tourismus, um die Auswirkungen des Reiseverkehrs und die Umweltbelastung so wenig aggressiv wie möglich zu halten.

Kuba befindet sich in einer sehr komplizierten wirtschaftlichen Situation. Sehen Sie die Gefahr, dass die wirtschaftlichen Notwendigkeiten Umwelt- oder soziale Themen überlagern?

Trotz der Auswirkungen der US-Blockade, trotz der derzeitigen COVID-19-Krise, werden die Aktionen im Kampf gegen den Klimawandel verstärkt, vom Umweltministerium, von den Tarea Vida-Projekten. Die spiegeln sich in der neuen Verfassung [2019 in Kraft getreten, Anm.] oder im Nationalen Programm für wirtschaftliche und soziale Entwicklung 2030 wider. Durch den Dialog zwischen Regierung und Wissenschaft wurde erreicht, dass wir verstehen, dass wir keine Lösungen für den Umgang mit Dürren, Nahrungsmittelprobleme, die Nachhaltigkeit der Böden oder die Viehzucht finden werden, wenn wir den Klimawandel nicht auf dem Schirm haben. Es gibt ein Verständnis dafür, dass, wenn wir den Kampf gegen den Klimawandel nicht in den Vordergrund stellen, egal wie viele Projekte, egal wie viel Sozialpolitik wir machen, wir nicht in der Lage sein werden, Grundbedürfnisse wie Nahrung oder Wasserversorgung zu erfüllen.

Das Gespräch führte Andreas Knobloch

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