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Wie kann Peru zur Ruhe kommen?

Mehr als 40 Tote sind bei Protesten in Peru zu beklagen. Präsidentin Dina Boluarte gehe nicht genug auf die Demonstranten zu. Doch genau dies wäre nötig, um die Lage wieder unter Kontrolle zu bringen, meinen Analysten.

Peru kommt nicht zur Ruhe. Foto (Symbolbild: Proteste in Lima): Geraint RowlandCC BY-NC 2.0

Perus Ersatz-Präsidentin Dina Boluarte ist weniger Tage im Amt, als Menschen bei Demonstrationen zu Tode gekommen sind: Gut einen Monat nach der Vereidigung der damaligen Vize-Präsidentin zählt Peru mehr als 40 Tote und hunderte schwerverletzte Zivilisten bei Protesten gegen die Regierung.

Boluarte war am 8. Dezember 2022 ins höchste Staatsamt aufgerückt, nachdem der im Juni 2021 gewählte Präsident Pedro Castillo das Parlament auflösen wollte und kurz darauf unter dem Vorwurf des Staatsstreichs verhaftet wurde. Seither ist das Land in Aufruhr. Die bisher blutigsten Zusammenstöße endeten am Montag in der Andenstadt Juliaca mit 18 Toten, unter ihnen auch ein Polizeibeamter.

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Präsidentin

Für die peruanische Generalstaatsanwaltschaft ist das Grund genug, Untersuchungen wegen mutmaßlichen "Völkermords, vorsätzlicher Tötung und schwerer Körperverletzung" gegen Boluarte, Premierminister Alberto Otarola und weitere Kabinettsmitglieder einzuleiten. Es ist das bereits zweite Ermittlungsverfahren gegen die Staatschefin wegen Todesfällen bei Protesten.

Premier Otarola stellte sich demonstrativ hinter die Sicherheitskräfte, die "während des Ausnahmezustands für die Kontrolle der öffentlichen Ordnung" gesorgt hatten. Die Regierung agiere nicht autoritär, lasse sich aber auch nicht durch Gewalt erpressen.

Beobachter mahnen Aufklärung und Bestrafung der Verantwortlichen an

Johanna Pieper vom Hamburger GIGA-Institut für Lateinamerika-Studien wertet das anders: "Die Sicherheitskräfte halten sich nicht an geltendes Recht", sagte sie der DW. So empfindet es auch Raúl Tecco, Projektleiter bei der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Lima: "Die Ordnungskräfte agieren unangemessen und unverhältnismäßig!" Die Verantwortung dafür sieht er auf höherer Ebene: "Ein Soldat schießt nicht ohne die Rückendeckung der Vorgesetzten."

Politische Beobachter und Menschenrechtsorganisationen begrüßen, dass die Ereignisse juristisch aufgearbeitet werden sollen. Robert Helbig, Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Peru, sagte im DW-Gespräch, die Verantwortlichen der Exzesse müssten identifiziert und zur Rechenschaft gezogen werden, um kein Klima der Straflosigkeit entstehen zu lassen.

Perus Politik in der Zwickmühle

Die Situation in Peru ist ohnehin vertrackt genug. Der abgesetzte Präsident Pedro Castillo war als Außenseiter in den Wahlkampf gestartet und hatte sich nur äußerst knapp gegen die konservative Rivalin Keiko Fujimori, Tochter des ehemaligen Autokraten und Ex-Präsidenten Alberto Fujimori, durchgesetzt.

Was Castillo zum Wahlsieg verhalf, war wohl weniger seine weitgehend linksradikale Ausrichtung - die ist in weiten Teilen der peruanischen Bevölkerung zu eng mit den Jahren des Terrors marxistisch-leninistischer Guerillas verknüpft -, sondern der Wille nach einem Präsidenten außerhalb des politischen Establishments. Genau das könnte aber einer der Gründe gewesen sein, weshalb sich Castillo schwertat, eine funktionierende Regierung aufzustellen. Dies hatte schließlich zum Bruch zwischen Präsident und Parlament geführt.

Seine verfassungsmäßige Nachfolgerin Boluarte hat es aber kaum leichter: Nachdem sie mit Castillo gebrochen hat, ringt sie um Unterstützung in den linken Parteien, von den rechten hat sie ohnehin nicht viel zu erwarten. Und was das Volk von ihr hält, zeigt sich in den Straßen der Großstädte.

Wie kann Peru zur Ruhe kommen?

Den einzigen Weg, die Situation im Lande zu beruhigen, sieht GIGA-Analystin Johanna Pieper darin, dass Boluarte Fehler anerkennt, auf die Demonstranten zugeht und mit ihnen in Dialog tritt. Ein Rücktritt sei jedenfalls keine Lösung, dann würde auf den noch unbeliebteren Kongresspräsidenten José Williams Zapata die Aufgabe zukommen, das Land zu regieren.

Vorgezogene Wahlen - aktuell sind sie für April 2024 angesetzt - hält Pieper für keine gangbare Lösung: "Die Wahlen können aus logistischen und organisatorischen Gründen nicht vorgezogen werden. Außerdem besteht die Gefahr, dass das politische Angebot dasselbe wie bei den Wahlen 2021 wäre."

Das sieht FES-Experte Tecco anders. Wenn es dem Kongress gelänge, eine Interimsregierung aufzustellen, könnten in drei Monaten Neuwahlen stattfinden. Allerdings benötige es dafür ein großes Maß an politischem Willen.

An den appelliert auch KAS-Vertreter Helbig: "Es braucht überzeugende politische Gesten sowohl seitens der Exekutive als auch der Legislative, die Empathie und Solidarität mit den Getöteten zeigen, um die Gemüter zu beruhigen." Wenn es den Politikern dann noch gelänge, die Forderungen der Demonstranten ernst zu nehmen und ihre persönlichen Interessen hinter die des Landes zurückzustellen, könne Peru schon bald zur Ruhe kommen.

Autoren: Jan D. Walter, Viola Träder (Deutsche Welle)

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