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Tourismuszug Tren Maya: „Kein Projekt fürs Mayavolk“

Raúl Lugo ist seit 40 Jahren Pfarrer in der südmexikanischen Stadt Mérida. Der 63-Jährige ist Mitbegründer der Menschenrechtsorganisation Indignación A.C. und der Schule für Agroökologie U Yits Ka‘an. Auch leitet er ein Heim für aidskranke, homosexuelle Indigene, die aus ihren Heimatgemeinden verstoßen wurden. Die von der mexikanischen Regierung geplante Zugstrecke durch die Halbinsel Yucatán sieht er wegen der großen Intransparenz skeptisch. „Der Staat sollte sein Verhältnis zu den Indigenen überdenken und ihnen mehr Mitsprache einräumen“, fordert er.

Die mexikanische Riviera Maya ist bereits ein beliebtes Touristenziel. Der Tren Maya soll noch mehr Besucher anlocken. Foto: Adveniat/Deselaers

Die mexikanische Riviera Maya ist bereits ein beliebtes Touristenziel. Der Tren Maya soll noch mehr Besucher anlocken. Foto: Adveniat/Deselaers

Blickpunkt Lateinamerika: Padre Raúl, Präsident Andrés Manuel López Obrador sagt, 80 Prozent der Bevölkerung Yucatáns unterstützten den Bau des Zuges. Wie erleben Sie das?

Padre Raúl Lugo: Der Zug war in unserer Region im 19. Jahrhundert ein wichtiges und billiges Transportmittel bis er Anfang der 1990er Jahre eingestellt wurde. Er verband kleine Dörfer mit der Hauptstadt Mérida, weshalb vor allem die Älteren auf dem Land ihn anfangs mit Nostalgie befürworteten. Als dann aber bekannt wurde, dass nicht das Verkehrsministerium ihn baut, sondern das Tourismusinstitut, verpuffte die Begeisterung etwas. „Das ist kein Projekt fürs Mayavolk“, höre ich oft. Aber die meisten interessieren sich kaum dafür. Nur in den Dörfern, die eine Bahnstation bekommen sollen, wird diskutiert. Dort sehen einige darin eine Geschäftschance.

Es gibt Organisationen wie Indignación, die sich kritisch äußern. 

Dabei geht es weniger um den Zug, der als Transportmittel ökologischer ist als die Straße. Aber große Sorgen machen ihnen die entlang der Zugstrecke geplanten neuen Städte oder Entwicklungspole, über die man bisher nichts weiß, und die eine ganze Reihe negativer Folgen haben könnten. 

Welche Gefahren bergen diese neuen Siedlungen?

Bis vor kurzem hat sich das große Kapital nicht für Yucatán interessiert, aber seit einem Jahrzehnt errichten hier Großinvestoren Wind- und Solarparks, Soja- und Schweinefarmen. Diese Firmen eignen sich Land an, holzen großflächig ab, verschmutzen das Grundwasser und versprechen den Menschen das Blaue vom Himmel, erfüllen aber wenig. Die Kritiker befürchten, dass sich dieses Schema mit den Entwicklungspolen wiederholt. 

Mit gerichtlichen Einsprüchen haben die Gegner den Bau einiger Teilstrecken verzögert. Nun hat der Präsident per Dekret verordnet, dass alle nötigen Studien und Genehmigungen seiner Megaprojekte innerhalb von fünf Tagen von den zuständigen Behörden beschieden werden müssen. Das klingt intransparent und autoritär.

Der Präsident will den Zug unbedingt vor Ende seiner Amtszeit (2024) fertigstellen und hat keine Lust mehr auf Verzögerungen. Ich finde das sehr bedenklich, denn mit so einem offensichtlich verfassungswidrigen Dekret setzt er seine Legitimität aufs Spiel.

Hat die Kirche dazu Stellung bezogen?

Nicht zum Zug. Aber gegen andere Megaprojekte stellte sich die Kirche ganz entschieden und trat zum Beispiel gegen Schweinefarmen und für den Schutz des Trinkwassers ein.

Wie stehen die Politiker zu dem Projekt?

Sie stehen hinter dem Zug und allen Megaprojekten, weil dadurch Arbeitsplätze geschaffen werden. Bislang sind durch den Zug aber nur Zeitstellen für Bauarbeiter entstanden. Und viele der Arbeiter stammen aus anderen Regionen. Das schürt Ängste, dass die Gewaltkriminalität in Yucatán zunehmen könnte.

Als abschreckendes Beispiel dient sicher das benachbarte Cancún, die touristische Retortenstadt aus den 1970er Jahren, wo man heute die negativen Folgen des Massentourismus erlebt in Form sozialer Konflikte, Ungleichheit, Drogenhandel, Gewalt und Umweltzerstörung?

So ist es. Die Strände dort waren in meiner Jugend noch paradiesisch, einsam und umgeben von Urwald. Heute ist alles zerstört. Das macht uns Angst. Wer garantiert uns, dass der oder die NachfolgerIn des Präsidenten den Zug nicht in ein zweites Cancún verwandelt?

Ist der Zug also ein weiteres, neokoloniales Projekt, geplant über die Köpfe der Indigenen hinweg?

Ich glaube, der Präsident hat einen gravierenden Fehler begangen, vom Maya-Zug zu sprechen, Südost-Zug wäre sicher weniger verfänglich gewesen. Aktivisten reagieren auf so eine Vereinnahmung sehr sensibel, denn sie haben durch den Kampf gegen die anderen Großprojekte eine klare Vorstellung davon, was Maya-Sein bedeutet und welche Rechte sie haben. Sie fordern wirkliche Mitsprache. Der Staat sollte sein Verhältnis zu den indigenen Völkern überdenken.

Interview: Sandra Weiss, Mexiko

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