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Peru: Schule in der Pandemie - mehr als ein verlorenes Jahr

Weltweit sind Kinder und Jugendliche von der Pandemie massiv betroffen. Geschlossene Schulen und Kindergärten stellen Eltern rund um den Globus vor Probleme. Besonders schwierig ist die Situation laut UN-Experten in Lateinamerika, wie zum Beispiel in Peru.

Auch in Lateinamerika sind die meisten Schülerinnen und Schüler im Homeschooling. Foto: Adveniat/Escher

Auch in Lateinamerika sind die meisten Schülerinnen und Schüler im Homeschooling. Foto: Adveniat/Escher

Die Schilder an den Eingangstoren vieler Schulen ähneln sich. „Geschlossen bis zum 15. März“, steht darauf – daneben die Nummer des Schulsekretariats. Die Frauen und Männer hinter den Schultoren haben derzeit alle Hände voll zu tun, denn sie bereiten vor, was kaum vorzubereiten ist: den Auftakt für das zweite Halbjahr des Schuljahres. „Offiziell beginnt der Unterricht wieder am 15. März. Geplant war vom Bildungsministerium in Lima die Rückkehr zum Präsenzunterricht – wenn auch mit halber Klassenstärke“, erklärt Eleonora Morales Azurín. Sie ist Direktorin der Schule Fe y Alegria No. 21 in einem Arbeiterviertel in Cusco, zu der eine Grundschule und eine weiterführende Schule gehören. Die Klassenräume sind eng und es gibt für die vielen Schüler viel zu wenige Möglichkeiten, sich regelmäßig die Hände zu waschen. Auch in anderen Schulen Perus sieht es oft nicht besser aus. 

Das ist einer der Gründe, weshalb Morales Azurín gegen die Vorschläge zur Schulöffnung aus der Hauptstadt war. „Die Experten dort wissen oft nicht, unter welchen Bedingungen außerhalb von Lima und vor allem in abgelegenen ländlichen Regionen unterrichtet wird“, kritisiert die Pädagogin. Sie kennt etliche Schulen in der näheren Umgebung von Cusco und weiß, dass dort oft nicht einmal ein Wasseranschluss vorhanden ist.  Manche Lehrerinnen und Lehrer seien sogar für mehrere Klassen verantwortlich. All das sind Gründe, die auch die Bildungsgewerkschaft Sutep ins Feld führte, als sie die Bildungsverordnung RM430-2020 als „unverantwortlich“ ablehnte. 

Unterricht über Fernsehen und Radio

Eine Einschätzung, die viele Pädagogen teilen und die dazu geführt hat, dass Bildungsminister Ricardo Cuenca ankündigte, dass der Unterricht ab dem 15. März für mindestens einen weiteren Monat virtuell stattfinden werde. „Ein Kompromiss bis auf weiteres“, meint Direktorin Morales Azurín, die aber sehr genau weiß, dass der Folgen haben wird. „Wir haben es an unserer Schule bisher geschafft, die Schüler und Schülerinnen fast komplett bei der Stange zu halten. Das ist aber längst nicht überall so, denn 'Aprende en Casa' ist nicht für alle das richtige Format“, meint die Pädagogin. „Aprende en Casa“, "Lern Zuhause", heißt das digitale Lernmodul.

Doch das fällt vielen Schülerinnen und Schülern schwer: Ihnen fehlt das gemeinschaftliche Lernen mit Anderen im Klassenraum und ihre Lehrer, die Ihnen den Unterrichtsstoff erklären. Denn virtueller Unterricht findet in Peru nahezu gar nicht statt. Zudem fehlen die technischen Geräte - Tablets oder gar Computer sind kaum vorhanden. So seien viele Kinder auf die Smartphones ihrer Eltern angewiesen, berichtet Morales Azurín. Die funktionieren aber nicht immer einwandfrei, weil die Netze in Peru weder flächendeckend noch leistungsstark seien, so Carlos Herz, Bildungsexperte aus Lima. Der Leiter eines kirchlichen Studienzentrums pendelt zwischen Lima und Cuscso und kennt den Effekt, wenn der Regen oder Böen dafür sorgen, dass die Netze kollabieren, nur zu gut. 

Ökonomische Krise zwingt Kinder zu arbeiten statt zu lernen

Das sind keine guten Voraussetzungen für den digitalen Unterricht, und deshalb hat das Bildungsministerium reagiert und dafür gesorgt, dass „Aprende en Casa“ auch im Fernsehen und im Radio empfangen werden kann. Ein Fortschritt. Allerdings hat die Pandemie auch die ökonomische Situation vieler Familien massiv verschlechtert. Die 14-prozentige ökonomische Talfahrt Perus hat für den Verlust von rund einer Million formaler Arbeitsplätze gesorgt und dazu beigetragen, dass rund eine Million der rund 7.8 Millionen Schüler laut der Bildungsgewerkschaft Sutep dem Unterricht auf Dauer fernbleiben werden. Einige Schüler der Fe y Alegría 21 in Cusco würden jetzt mit ihren Vätern in der Landwirtschaft, aber auch im Bergbau arbeiten, so Rektorin Morales Azurín.

Bisher halten die Lehrerinnen und Lehrer aber den Kontakt und hoffen auf die Rückkehr der Schüler. Doch die ist alles andere als sicher, denn die ökonomische Krise hat das Land fest im Griff. Das zeigt sich auch daran, dass rund 300.000 Schüler die beitragspflichtigen, privaten Bildungseinrichtungen in Richtung öffentliche Schulen verlassen haben. „Die Familien können das Schulgeld schlicht nicht mehr zahlen“, erklärt Carlos Herz das Phänomen, welches auch in anderen Ländern Lateinamerikas bekannt ist. 

Langsames Impftempo verzögert Schulstart

Insgesamt kalkuliert das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) mit rund drei Millionen Schulabgängern in diesem Jahr in Lateinamerika. Jean Gough, UNICEF-Direktor für Lateinamerika und die Karibik, warnt, dass für rund sechzig Prozent der Minderjährigen in der Region das Schuljahr durch die Pandemie verloren sei. In Peru könnte die Quote noch deutlich höher liegen. 

Rektorin Morales Azurín hält das für zu pessimistisch, lässt aber keinen Zweifel daran, dass die Kinder und Jugendlichen erhebliche Lücken aufweisen. „Dass ganze Ausmaß bekommen wir aber erst zu sehen, wenn wir den Präsenzunterricht wieder aufnehmen können“. Das kann noch dauern, denn bisher wird in Peru nur langsam geimpft, so dass der virtuelle Unterricht sicherlich noch einmal verlängert werden muss – über den 15. April hinaus. 

Autor: Knut Henkel

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