Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
Bolivien |

Morales beugt sich dem Druck und tritt zurück

Das Ende einer Ära in Bolivien kam nach drei Wochen eines zunehmend gewaltsamen Nachwahlkonfliktes: Am Sonntagnachmittag, 10. November 2019, legte der sozialistische Präsident Evo Morales nach fast 14 Jahren sein Amt nieder.

Evo Morales auf einer Pressekonferenz am Tag seines Rücktritts. Foto: Agencia boliviana de información 

„Ich trete zurück, damit meine Gefolgsleute nicht weiter bedroht und verfolgt werden. Ich bedauere diesen zivilen Staatsstreich, dieses Attentat auf den sozialen Frieden“, sagte Morales in einer TV-Ansprache. Videobildern zufolge stieg er danach in ein Flugzeug. Der Nachrichtenagentur notimex zufolge wollte er nach Mexiko, das ihm Asyl angeboten hatte, bekam jedoch von den Nachbarländern keine Überfluggenehmigung und landete in Chapare, seiner politischen Hochburg. 

Plünderungen und Brandstiftung

Unklar war, wer in Bolivien die Macht innehatte, da auch der Vizepräsident und die Präsidenten von Senat und Kammer zurücktraten, alle von Morales „Bewegung zum Sozialismus“ (MAS). In der Nacht kam es in La Paz zu Plünderungen; Anhänger der Regierungspartei Bewegung zum Sozialismus (MAS) zündeten nach Angaben des Bürgermeisters Busse und das Haus des oppositionellen Universitätsrektors Waldo Albarracín an; oppositionelle Randalierer drangen in die venezolanische Botschaft ein. Auch sein Haus sei geplündert worden, so Morales per twitter. Außerdem gebe es einen Haftbefehl gegen ihn – was der Anführer des radikalen Oppositionsflügels, Luis Fernando Camacho, bestätigte, der Chef der Polizei jedoch dementierte.

Die Bischofskonferenz plädierte für eine verfassungskonforme Transition und forderte die Sicherheitskräfte auf, die Ordnung im Land aufrechtzuerhalten. „Bolivien braucht jetzt einen friedlichen und aufrichtigen Dialog", schloss sich der Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Pater Michael Heinz SVD, dem Aufruf der bolivianischen Bischöfe an. Auf den Straßen von La Paz feierten tausende am Nachmittag den „Sieg der Demokratie über den Wahlbetrug“. „Was für ein unvergesslicher Moment. Das ist das Ende der Tyrannei“, twitterte Oppositionsführer Carlos Mesa, der bei der umstrittenen Auszählung der Präsidentschaftswahl im Oktober zehn Prozentpunkte hinter Morales gelandet war, statt – wie erste Hochrechnungen nahelegten - in eine Stichwahl einzuziehen. 

OAS hatte Neuwahlen empfohlen

In den Stunden davor hatten sich die Ereignisse überschlagen. Am Freitag hatte sich die Polizei der Forderung der Opposition nach Neuwahlen angeschlossen und begann zu meutern, am Samstag zündeten Randalierer die Häuser von Morales Schwester, regierungsnaher Sender und  Regierungsmitgliedern an, während Morales mit ihm verbundenen Gewerkschaften und Basisorganisationen eine Krisensitzung abhielt. Am Sonntag früh empfahl die mit der Wahlprüfung befasste Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) Neuwahlen angesichts der zahlreichen Unregelmäßigkeiten beim Urnengang im Oktober. Der Empfehlung kam Morales zwar umgehend nach – doch die Stimmung war bereits auf dem Siedepunkt; Oppositionsführer Camacho marschierte mit Anhängern auf den Präsidentenpalast.

Kurz darauf entzogen ihm die Streitkräfte das Vertrauen. Der Oberkommandierende Williams Kaliman legte Morales in einer TV-Ansprache den Rücktritt nahe. Damit dieser wirksam ist, muss er vom Kongress angenommen werden. Unklar ist, wer dann die Macht übernimmt. Die Fraktionsführerin der Opposition im Senat, Jeanine Añez, brachte sich selbst als Interimspräsidentin ins Spiel. „Es ist wichtig, die Verfassung zu respektieren, um Morales These von einem Putsch nicht in die Hände zu spielen“, betonte Mesa. Dafür müsste Añez vom Plenum - in dem die MAS eine Mehrheit hat – gewählt werden.

Lateinamerika ist polarisiert

Die Vorkommnisse in Bolivien spalteten das ohnehin schon polarisierte Lateinamerika weiter. Linke Politiker solidarisierten sich umgehend mit Morales und verurteilten den „Staatsstreich“, unter ihnen die Regierungschefs von Venezuela und Kuba und Argentiniens gewählter Präsident Alberto Fernández. Mexiko verkündete, es habe bereits 20 MAS-Politiker in seiner Botschaft Asyl gewährt. Ein Sprecher des US-Aussenministeriums erklärte, seine Regierung verfolge die Ereignisse. Die USA hatten sich zuvor für Neuwahlen ausgesprochen.

Der Kommentator Andrés Oppenheimer vom „Miami Herald“ wies die Putsch-These zurück. Davon können nur die Rede sein, wenn das Militär nun die Macht übernehme, ansonsten sei es die Rückkehr zur Demokratie nach einem Wahlbetrug und wiederholter Verletzung der Verfassung. Morales, so erinnerte er, habe eigentlich gar nicht zur Wiederwahl antreten dürfen, weil dies die bolivianische Verfassung verbiete und Morales ein Plebiszit darüber verloren habe. Nur das regierungsnahe Oberste Gericht ließ seine Kandidatur erneut zu, mit dem Argument, ein Wiederwahlverbot verstoße gegen das Menschenrecht zur politischen Partizipation. 

Morales hat Unterstützung der Basis verloren
 
Mit Morales verliert Lateinamerikas Linke eine wichtige Figur. Nach fast 14 Jahren im Amt hatte Morales zwar wirtschaftliche und sozialpolitische Erfolge vorzuweisen, sein autoritärer Regierungsstil, die rücksichtslose Ausbeutung der Rohstoffe und diverse Korruptionsskandale verprellten jedoch zunehmend die ländliche indigene Basis ebenso wie die Mittelschicht.

Autorin: Sandra Weiss

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