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Bolivien |

Interview:"Wir werfen der Regierung systematischen Wahlbetrug vor"

Juan Carlos Manuel ist Vizepräsident des Comité Civico von Potosí, einer Bürgerorganisation, die sich für die Rechte der Bevölkerung einsetzt. Er wirft Präsident Evo Morales Wahlbetrug vor und fordert einen 2. Wahlgang.

Juan Carlos Manuel beim Gespräch in Potesí, 

Potosí, die alte Bergbaustadt in Zentralbolivien, ist eine Bastion des Widerstands  gegen Evo Morales. Am Samstag haben die Bergbau-Kooperativen der Stadt Evo Morales zum Rücktritt aufgefordert und zu Neuwahlen. Wie kommt das?

 Potosí stand in den letzten Jahren nicht gerade im Fokus der Regierungspolitik. Wir sind eine Region, die geprägt ist von der Ausbeutung unserer Bodenschätze durch externe Akteure – erst die Spanier, die das Silber aus dem Cerro Rico (dem Wahrzeichen der Stadt) förderten, später andere. Hier ist nichts geblieben, die Leute emigrieren, weil es keine Perspektive gibt und genau das wollen wir hier ändern.

Dabei hat uns die Zentralregierung unter Evo Morales wenig bis gar nicht unterstützt. Der wenig positive Vertrag mit einem kleinen deutschen Unternehmen zur Förderung von Lithium in unserer Region ist dafür das letzte Beispiel. Potosí befand sich vor den Wahlen vom 20. Oktober im Widerstand, wie unser Hungerstreik von Anfang Oktober belegt, und befindet sich auch jetzt im Widerstand.

Die fühlen sich von der Regierung im Stich gelassen oder sogar betrogen?

Wir waren lange die Milchkuh des Landes, ohne von der Milch zu profitieren. Hier fehlt es an Investitionen, an Perspektiven für die Jugend und die großen Lithium-Vorkommen sind eine Chance daran etwas zu ändern. Die hat die Regierung leichtfertig aufs Spiel gesetzt, denn in den Verträgen sind keine Abgaben für die Region vorgesehen und auch die Umweltgutachten liegen nicht vor. Das ist ein Punkt, der uns nicht passt und gegen den wir protestiert haben – vor den Wahlen.

Und wie ist die Situation jetzt nach den Wahlen?

Wir zweifeln die Ergebnisse der Wahlen an, denn hier in Potosí ist die Kritik an Evo Morales groß und das Wahlergebnis spiegelt das nicht wider – wir werfen der Regierung systematischen Wahlbetrug vor.

Gibt es dafür Beweise?

Ja, die gibt es. Vor allen in den ländlichen Regionen wurden Ergebnisse gefälscht, ganze Listen mit dem Kreuz bei Evo vorgelegt und diese Beweise für den Wahlbetrug werden gerade gesichtet und aufbereitet. Wir fördern zumindest den 2. Wahlgang.

In der Stadt Potosí wurden allerdings auch Wahlunterlagen in den falschen Händen gefunden – richtig?

Es wurden ausgefüllte Wahlunterlagen in Privathäusern gefunden – hier scheint es einen systematischen Wahlbetrug gegeben zu haben. Deshalb sagen wir, dass Evo im ersten Wahlgang nicht gewonnen hat, dass er jegliche Legitimation verspielt hat.

Haben Sie Vertrauen in die Wahlbeobachter der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS)?

Ja, die haben von vornherein ein Fehlen von Transparenz angemahnt – am Wahltag, dem 20. Oktober, und sind davon auch nicht abgerückt. Das ist positiv.

In Potosí haben die Bürgerkomitees einen unbefristeten Streik seit dem letzten Mittwoch ausgerufen – um was zu erreichen?

Zum einen wollen wir unsere Ablehnung des Wahlbetrug kundtun, zum anderen fördern wir die Stichwahl. Das ist die einzige Option, um in Bolivien wieder Ruhe einkehren zu lassen. Genau dass versucht Evo zu verhindern, denn er weiß genau, dass er keine Chance im 2. Wahlgang hat.

Wie ist das Wahlgericht in Potosí zusammengesetzt - ist es unabhängig?

Nein, das ist eines der Kernproblem, denn es wird dominiert von Angehörigen der MAS, der Partei von Evo Morales und die nehmen Einfluss. Wir haben keinerlei Vertrauen in dieses Gremium.

Welche Bedeutung hat die Reaktion auf internationale Ebene auf die Wahlen?

Einer wichtige, denn sie bestätigen, dass es kein transparenter Urnengang war – und darauf haben wir ein Recht.

 In Potosí ging am letzten Montag das Wahlgericht in Flammen auf. Warum?

 Das ist eine Reaktion aus der Bevölkerung gewesen, die sich betrogen fühlt, damit haben wir als Ziviles Komitee nichts zu tun.

 Wie beurteilen Sie die Bilanz von fast 14 Jahren Evo Morales – er hat viele Hoffnungen geweckt, hat er sie auch erfüllt?

 Ja, die Hoffnungen hier im Süden Boliviens waren groß und bei den Wahlen 2005 hat Evo Morales hier ein überwältigendes Ergebnis eingefahren. Doch die Hoffnungen auf Entwicklungsprogramme, auf Investitionen wurden enttäuscht. In anderen Region wurden Flughäfen gebaut, die nicht benötigt werden. Wir haben um einen Airport gebeten, wir haben auch den Bau einer Zementfabrik vorgeschlagen und erhalten haben wir weder das eine noch das andere. Wir werden abgehängt und haben einen Gegner im Präsidentenpalast und keinen Förderer.

Das Interview führte Knut Henkel

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