Kolumbien: Ex-Geisel Betancourt trifft Guerilla-Entführer
Vom Zusammentreffen mit ihren Entführern der ehemaligen Guerilla-Organisation Farc in Kolumbien zeigte sich Ex-Geisel Ingrid Betancourt enttäuscht: Sie habe Tränen auf beiden Seiten erwartet.
In Kolumbien sind am Mittwoch, 23. Juni 2021 (Ortszeit) die ehemalige Präsidentschaftskandidatin und Geisel Ingrid Betancourt und ihre Entführer, die Kommandanten der linksgerichteten ehemaligen Guerilla-Organisation Farc zu einem Versöhnungstreffen zusammengekommen. Organisiert hatte das Treffen der Vorsitzende der Wahrheitskommission, Pater Francisco de Roux. Ziel der live im Fernsehen übertragenen Veranstaltung war die Anerkennung der Schuld durch die Farc. Deren ehemaliger Kommandant Rodrigo Londoño bat Betancourt sowie alle anderen Entführungsopfer um Vergebung.
Betancourt dankte Londoño, kritisierte aber den "geschäftsmäßigen" kühlen Vortag des ehemaligen Guerilla-Führers. Sie habe auf beiden Seiten Tränen erwartet, es habe aber nur auf einer Seite Tränen gegeben, auf der der Opfer, sagte die frühere Politikerin. Zugleich forderte sie die Farc auf, ihre Einkünfte aus Drogengeschäften zur Entschädigung an die Opfer zu nutzen. "Wo sind die Einnahmen aus dem Drogenhandel?", fragte Betancourt.
Betancourt: Geld aus Drogenhandel als Entschädigungsfonds
Betancourt war 2002 als damalige Präsidentschaftskandidatin der Grünen entführt worden und in einer weltweit beachteten Aktion 2008 von einem Spezialkommando unter Leitung des damaligen Verteidigungsministers, späteren Präsidenten und Friedensnobelpreisträgers Juan Manuel Santos befreit worden. Die Schaffung der Wahrheitskommission ist Ergebnis des vor fünf Jahren unterzeichneten Friedensvertrages: Im November 2016 hatte die Regierung des damaligen Präsidenten Santos nach vierjährigen Verhandlungen ein Friedensabkommen mit der größten Rebellenorganisation des Landes unterzeichnet. Es beendete den mehr als 50 Jahre andauernden Bürgerkrieg.
Für seinen Einsatz erhielt Santos Ende 2016 den Friedensnobelpreis. Die entwaffnete Farc sitzt inzwischen umbenannt in "Comunes" als politische Partei im Parlament. Ein Teil ihrer Kämpfer verweigert sich allerdings dem Friedensprozess und setzt den bewaffneten Kampf fort.