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Kolumbien |

Kommentar: Unbequeme Wahrheiten statt Verbrüderung

Das Treffen von Ingrid Betancourt mit ihren ehemaligen Entführern der Farc-Guerilla in Kolumbien war in jeder Hinsicht bemerkenswert. 

Ingrid Betancourt bei einer Veranstaltung des Aalborg Stifts in Dänemark 2015. Foto: Ingrid Betancourt, Aalborg Stift, Christian Roar Pedersen, 23203099, CC BY-ND 4.0

Ingrid Betancourt bei einer Veranstaltung des Aalborg Stifts in Dänemark 2015. Foto: Ingrid Betancourt, Aalborg Stift, Christian Roar Pedersen, 23203099CC BY-ND 4.0

Nein, eine rührselige Versöhnungsstory für die Kameras war das nicht. Eher eine Abrechnung eines Opfers mit ihren Peinigern. Die ehemalige grüne Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt hat vor der „Wahrheitskommission“ in Kolumbien ihren ehemaligen Entführern die Leviten gelesen. Und das war gut so. 

Vergebung als moralischer Akt

Gut, denn so haben die Kolumbianerinnen und Kolumbianer gemerkt, dass sich die „Wahrheitskommission“ um die Opfer kümmert, egal ob die Menschenrechtsverletzungen von links oder von rechts kommen. Gut, dass die Kommandanten der ehemaligen Guerilla aus erster Hand erfuhren, welches Leid sie verursacht haben. Sie hielten Betancourt von 2002 bis 2008 unter erbärmlichen Bedingungen im Dschungel als Geisel. Gut, weil sie nun wissen, dass „Vergebung“ nicht nur ein politischer Akt, sondern eben auch ein moralischer Akt sein muss, der von Herzen kommt. Wenn Betancourt davon sprach, dass sie auch Tränen auf Seiten der Täter erwartet hätte, die aber nicht kamen, dann ging das unter die Haut.

Betancourt hat sich nicht instrumentalisieren lassen. Weder von der Wahrheitskommission, die vom Pater Francisco de Roux geleitet wird („Ich habe ein Zusammentreffen der Herzen erwartet, kein politisches), noch von der Guerilla, die sie mit unangenehmen Fragen konfrontierte („Wo sind die Einnahmen aus dem Drogenhandel“). So einfach wollte sie ihrer Peiniger, die ihr Leben nachhaltig zerstörten, nicht davonkommen lassen.

Jugend will Frieden

Es gab aber noch einen zweiten unsichtbaren Gast im Raum. Vor wenigen Tagen ließ Pater de Roux wissen, er würde sich auch über eine Entschuldigung von Ex-Präsident Alvaro Uribe (2002 – 2010) freuen. Dessen Weigerung, öffentlich für jenen Teil der Schuld einzutreten, den der Staat während des bewaffneten Konflikts – der eigentlich ein Krieg war – auf sich geladen hat, drängt ihn mehr und mehr in eine Ecke. Aus dem Helden von einst, dem gemeinsam mit dem ehemaligen Verteidigungsminister Juan Manuel Santos 2008 die gewaltfreie Befreiung Betancourts gelang, ist längst das Feindbild einer neuen Generation geworden. Ein Großteil der kolumbianischen Jugend verzeiht Uribe seine feindliche Haltung zum von Santos während dessen Präsidentschaft (2010 – 2018) eingeleiteten Friedensprozess nicht. Uribes Beliebtheitswerte – die um die Betancourt-Befreiung traumhafte 80 Prozent betrugen – sind inzwischen im Keller. Das liegt vor allem daran, dass die jungen Menschen, die sich eine Perspektive wünschen und brauchen, eine klare Vorstellung von der Zukunft haben. Und die soll friedlich sein. Uribe aber steht mit seiner feindlichen Haltung für das alte Kriegsgeschrei, er lebt in der Vergangenheit.

Uribe lebt in der Vergangenheit

Insofern war Betancourts Botschaft eigentlich eher an Uribe, denn als die entwaffnete und befriedete Farc gerichtet: „Die einzige Wirklichkeit ist, dass wir als Kolumbianer niemals mehr zur Vergangenheit zurückkehren wollen und wir bereit sind, uns zu ändern, und Schulter an Schulter eine neue Zukunft für alle aufzubauen." Ein Aufruf, der gerade in diesen wieder einmal gewaltbeladenen Zeiten, in denen Menschen im unversöhnlichen Kampf zwischen links und rechts sterben, aktueller nicht sein konnte. Betancourt hat an diesem für sie so schweren Tag eigentlich alles richtig gemacht: Keine Verbrüderung mit den Peinigern, dafür gab es unbequeme Wahrheiten. Für die Farc-Kommandanten und für die, die nicht im Raum waren. Es war ein guter Tag für Kolumbien.

Text: Tobias Käufer, Bogotá

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