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El Salvador: Bitcoin - enttäuschte Erwartungen

César Villalona, Ökonom vom salvadorianischen Berufstätigen-Verband PROES, spricht im Interview über den Bitcoin und die enttäuschten Erwartungen des Präsidenten Nayib Bukele. Der hatte gehofft, mit der Kryptowährung die Wirtschaft des Landes anzukurbeln. Doch die Widerstände sind groß – zu Recht, so Villalona. 

Bitcoins. Symbolfoto: Flickr, CCO1.0

Bitcoins. Symbolfoto: Flickr, CCO1.0

Am 7. September ist mit großer internationaler Aufmerksamkeit der Bitcoin in El Salvador als offizielle Währung neben dem US-Dollar eingeführt worden. Ist die Kryptowährung - wie von Präsident Nayib Bukele erhofft - gut angenommen worden?
 
César Villalona: Der Effekt des Bitcoin ist bisher sehr limitiert, denn de facto erfüllt er nicht die Kriterien, die eine offizielle Landeswährung laut Gesetz erfüllen sollte. Die Preise in den Geschäften sollten auch in Bitcoin ausgezeichnet sein, die Löhne und Renten, aber auch die Steuern in Bitcoin aus- beziehungsweise gezahlt werden können, aber das ist nicht der Fall. Wir haben es also mit einer offiziellen Währung zu tun, die nur eine von vier Kernfunktionen einer Währung erfüllt: die des Austauschs mit anderen Währungen. 

Der Bitcoin funktioniert in El Salvador de facto nicht als Währung, in der gespart wird, nicht als Währung, in der im Alltag eingekauft wird und in der Rechnungen wie Steuern bezahlt werden. 
 
Das klingt widersprüchlich, denn im Bitcoin-Gesetz sind diese Funktionen ausdrücklich erwähnt, oder?
 
Ja, das ist richtig und das Gesetz wurde nicht modifiziert. Das ist eine Grauzone und trägt dazu bei, dass die Menge der zirkulierenden Bitcoin ausgesprochen gering ist. Dabei hat die Regierung, beziehungsweise die durchführende staatliche Bank mit der Einführung der digitalen Geldbörse, dem Chivo-Wallet, für Anreize gesorgt: jeder Nutzer und jede Nutzerin erhält automatisch den Gegenwert von 30 US-Dollar in Bitcoin. Das ist viel Geld hier in El Salvador, daher nehmen viele Leute das Geld mit und werden daraufhin als Bitcoin-User von der Regierung bezeichnet. Das sind 1,6 bis 2,1 Millionen Nutzer, je nach Quelle. Doch de facto können sich nur wenige User die neue Währung wirklich leisten. 
 
Warum?
 
Der wichtigste Grund sind die Wertschwankungen des Bitcoin. Als die Regierung am 6. September Bitcoin einkaufte, lag der Kurs zum US-Dollar bei rund 50 US-Dollar, am 26. September waren es dann nur noch 43 US-Dollar. Derartige Verluste können sich nur wenige leisten und deshalb sind 90 Prozent der Bitcoin-Aktivitäten rein spekulativer Natur. Die hohen Schwankungen sind ein Risiko für Spareinlagen, für Renten, für Gehälter – das können sich 99 Prozent der Salvadorianerinnen und Salvadorianer nicht leisten. Hier ist die Sparquote mit 14 Prozent sehr niedrig, die Ablehnung des Bitcoin mit rund 70 Prozent der Bevölkerung aber hoch, so eine landesweite Umfrage der Universidad Centroamericana (UCA).
 
Das war auch auf der größten Demonstration, die El Salvador seit Jahren gesehen hat, am 15. September ein Thema. Welchen Effekt hatte die Demo, die sich auch gegen die Entlassung der Verfassungsrichter Anfang Mai richtete und den autoritären Kurs des Präsidenten Nayib Bukele kritisierte?
 
Die Kritik an Bukele nimmt zu, seine Popularität geht erstmals zurück, auch wenn der Rückhalt für ihn nach wie vor groß ist. Auch die internationale Kritik, aus den USA, aber auch aus Europa, ist ein Faktor. Allerdings ist in El Salvador die Opposition so geschwächt und uneins, dass sie für Bukele keine echte Gefahr darstellt. Zumindest derzeit. Allerdings nehmen Kritik und Widerstand zu: von Agrarverbänden, wo der Bitcoin kritisch gesehen wird, von Frauenorganisationen, die auf die hohe Zahl von Frauenmorden hinweisen. Nayib Bukele hat zwar seine Macht während der Pandemie ausbauen können, aber er ist weit davon entfernt, politische Stabilität geschaffen zu haben. 
 
Könnte der Bitcoin zum Bumerang werden?
 
Durchaus, denn Bukele hat unrealistische Erwartungen geweckt und der Vorwurf, dass der Bitcoin vor allem der Elite als Tool zur Geldwäsche dient, steht im Raum. Das halte auch ich persönlich für die zentrale Motivation, die Kryptowährung ad hoc einzuführen. Doch unter den derzeitigen Rahmenbedingungen glaube ich nicht, dass in diesem und den nächsten Jahren mehr als drei bis fünf Prozent der Transaktionen in El Salvador in der Kryptowährung getätigt werden. 
 
Das wäre deutlich weniger als sich Nayib Bukele versprochen hat, oder?
 
Ja, und daran wird er sich messen lassen müssen. Fakt ist, dass der Bitcoin bisher auf dem Land, von den 480.000 Bauern, nicht eingesetzt wird. Auch die 1,8 Millionen Straßenhändler, viele davon weiblich, bieten den Bitcoin nicht an – obwohl sie laut Gesetz eigentlich müssten. 

Interview: Knut Henkel

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