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Kolumbien |

Die Friedensobsession von Gustavo Petro

Nach gut hundert Tagen im Amt schlägt Gustavo Petro den ersten großen Pfeiler in seinem Projekt „Totaler Frieden“ ein. Für den Präsidenten ist eine Befriedung Kolumbiens der Schlüssel zu seinen Reformprojekten, die nur dann funktionieren können.

Der kolumbianische Präsident Gustavo Preto am 7. August 2022 in Bogotá. Foto: USAID U.S. Agency for International DevelopmentCC BY-NC 2.0

Gustavo Petro hat als Präsident eine Obsession mit dem Frieden. Schon im Wahlkampf war es sein zentrales Thema. Diese Woche begann seine Regierung im Nachbarland Venezuela Gespräche mit der Linksguerilla ELN. Das „Ejército de Liberación Nacional“ (Nationale Befreiungsarmee, ELN) gehört zu den historischen Rebellengruppen wie die aufgelösten FARC, ist aber deutlich kleiner und hat andere ideologische Wurzeln. Seit dem Friedensabkommen mit den FARC 2016 ist die ELN allerdings regional größer und militärisch stärker geworden. Heue dominiert sie nach Aussagen von Lucho Celis, Experte bei der „Stiftung für Frieden und Aussöhnung“ (Pares) in Bogotá, in 180 Gemeinden des Landes und hat wieder knapp 2500 Frauen und Männer unter Waffen. Besonders im Grenzgebiet zu Venezuela ist die ELN stark. 
 
„Es ist jetzt der sechste Versuch seit Beginn der 1990er Jahre, mit der Organisation Frieden zu schließen,“ sagt Celis im Gespräch. „Aber jetzt ist es der erste, der Erfolg verspricht, weil es ernstgemeinte Vorschläge der Regierung und eine ideologische Nähe der Verhandlungspartner gibt“. Beide Seiten wollen ein gleiches und faires Kolumbien erreichen. Nur die Mittel sind unterschiedlich. Petro hilft bei seiner Annäherung an die ELN, dass er selbst eine Vergangenheit als Mitglied der Rebellengruppe M-19 hat. 
 
Bei der Anbahnung der Verhandlungen hat Petro, der erste linke Staatschef Kolumbiens, sich als pragmatisch erwiesen. Er hat das Vertrauen der Streitkräfte gewonnen und auch Großgrundbesitzer und Unternehmervertreter an den Tisch geholt. „Es wird sich aber zeigen müssen, ob die Regierung mit ihrer Ankündigung eines sozialen Wandels einerseits die ELN und andererseits auch die Kritiker und Skeptiker überzeugen kann“, sagt Florian Huber, Repräsentant der Heinrich-Böll-Stiftung in Kolumbien. „Die Gespräche mit der ELN sind ein wichtiger Prüfstein für die Regierung." 

Seit FARC-Auflösung: Drogenkartelle haben Macht ausgebaut

Petro hatte am 7. August sein Amt angetreten und als erster Linkspräsident einen umfassenden und demokratischen Umbau des Landes versprochen, das nicht nur eines der ungleichsten Lateinamerikas ist, sondern neben Mexiko auch das mit der größten strukturellen Gewalt. Und Petro geht davon aus, dass seine Projekte nur funktionieren, wenn diese endet. „Das Verhältnis zu den USA und zu Venezuela, die Beendigung des Drogenhandels, die Bekämpfung von Armut und sozialer Ungleichheit und selbst die Steuerreform funktionieren nur, wenn in Kolumbien Frieden herrscht“, unterstreicht Lucho Celis. Daher gilt diesem Thema sein Hauptaugenmerk.
 
Die ELN ist nur eine von vielen Fronten auf dem Weg zu einer endgültigen Befriedung des Landes. Seit der Auflösung der FARC ist Kolumbien eher unsicherer als sicherer geworden, da das Vakuum, das der Abzug der Großguerilla seinerzeit ließ, nicht wie versprochen vom Staat gefüllt wurde. Vielmehr haben ELN und FARC-Dissidenten und vor allem Drogenkartelle die Macht in den ehemaligen Rebellengebieten übernommen und sie sogar noch ausgebaut. Dazu passt, dass der Anbau von Kokapflanzen in Kolumbien laut einem Bericht des UN-Drogenbüros UNODC zwischen 2020 und 2021 um 43 Prozent stieg, von 143.000 auf 204.000 Hektar. Aus diesem Grundstoff lassen sich 1400 Tonnen Kokain gewinnen, eine Quelle schier unermesslichen Reichtums für die Produzenten und Wurzel ebenso unendlicher gewaltsamer Konflikte.
 
Petro ist überzeugt, dass sein Projekt vom sozialen, wirtschaftlichen und politischen Umbau des Landes nur dann gelingen kann, wenn alle Waffen schweigen. Voraussichtlich am einfachsten gelingt ihm das mit der ELN, daher fängt er mit ihnen an. Aber es sollen dann auch die FARC-Dissidenten von den Vorteilen des Friedens überzeugt werden. Und selbst der Organisierten Kriminalität und den Narco-Milizen hat Petro Gespräche angeboten. Es ist ein heikles, aber unerlässliches Vorhaben. Aber ob es gelingt, ist dennoch fraglich. 

Autor: Klaus Ehringfeld

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