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Der falsche Versöhner – zwei Jahre Präsident Duque in Kolumbien

Kolumbiens Präsident Iván Duque spielt häufig den Volksversöhner. Doch nach zwei Jahren seiner Präsidentschaft zeigt sich: Er hat die verfeindeten Lager nicht vereint, sondern weiter auseinandergetrieben. Ein Kommentar von Julian Limmer   

Kolumbiens Präsident Iván Duque auf einer internationalen Flugmesse in Kolumbien. Foto: S.C. Air National GuardS.C. Air National GuardPublic Domain Mark 1.0

"Wir dürfen uns durch nichts vom Weg der Einigung abringen lassen. Keine weitere Spaltung zwischen links und rechts mehr, wir sind ein Kolumbien." Versöhnlich, fast schon pathetisch gab sich Iván Duque Márquez, als er vor genau zwei Jahren bei Regen und Sturm in Bogotá als Präsident Kolumbiens vereidigt wurde. 

Mit seiner Politik hat Duque die chronisch verfeindeten Lager jedoch nicht vereint, sondern weiter gespalten: Seine Befürworter erwarten von ihm, dass er den historischen Friedensvertrag korrigiert, den sein Vorgänger, der Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos, 2016 mit der damals größten Guerilla des Landes, der Farc, ausgehandelt hatte. Seine Gegner sehen in ihm weiterhin eine bloße Marionette des ultrarechten Ex-Präsidenten Álvaro Uribe, den Duque einmal als den "ewigen Präsidenten" Kolumbiens bezeichnet hatte. Er hat es verpasst, sich je davon zu befreien.

Duques doppeltes Spiel  

Duque war deshalb bereits vor seinem Amtsantritt die Hassfigur der politischen Linken, die eine erneute Eskalation befürchtete. Anhänger aus dem Uribe-Lager hingegen verlangen genau das. Die Radikalen innerhalb seiner Partei "Centro Democratico" (CD) tönten, man wolle den Vertrag "in Fetzen reißen". Ihnen ist es bis heute unbegreiflich, wie sich die Regierung 2016 auf einen Deal einlassen konnte, der den Mördern der Farc Sitze im Parlament garantiert. Doch von außen machten Europa und die USA Druck, das Friedensabkommen unangetastet zu lassen.

In dieser explosiven Gemengelage entschied sich Duque für einen faulen Kompromiss: Er verabschiede sich formell zwar nie vom Friedensabkommen, aber er sabotierte die Aussöhnung. Auf der einen Seite reiste er kurze Zeit nach seinem Amtsantritt in ein Camp, in dem frühere Kämpfer der Farc auf das Leben in der Gesellschaft vorbereitet wurden. Er versprach Wort zu halten und jedem die Rückkehr zu einem Leben ohne Waffen zu ermöglichen, der dazu bereit sei. Auf der anderen Seite kürzte er Gelder für Friedensprojekte. Vor allem schaffte es seine Regierung nicht, die Ex-Kämpfer zu schützen, wie es im Abkommen vorgesehen war. 218 von ihnen sind seit Abschluss des Vertrags im Jahr 2016 von Paramilitärs oder andren kriminellen Gruppen getötet worden. 77 Morde fielen in das Jahr 2019 unter Duque. Die Vereinten Nationen sprachen von dem "gewalttätigsten Jahr" für die früheren Kämpfer. Auch Duque zeigte sich "besorgt". Doch Taten ließen auf sich warten.

Es ist kaum verwunderlich, dass in Duques Amtszeit Farc-Kämpfer um die früheren Kommandanten Ivan Márquez und Jesus Santrich "eine neue Etappe des bewaffneten Kampfes" ankündigten. Mittlerweile haben sich offiziellen Angaben zufolge mehr als 2.000 der etwa 13.500 Ex-Kämpfer vom Vertrag verabschiedet. Das Magazin "Semana" sprach kürzlich sogar von 4.000 Frac-Dissidenten. Viele, die schon lange nicht mehr an die Versprechen des Vertrags glaubten, waren ohnehin längst zur Guerillaorganisation ELN (Ejército de Liberación Nacional) gewechselt. Diese erlebt eine Blütezeit seit Duques Amtsantritt. Von ihren versteckten Camps aus rekrutieren sie Kinder, töten Aktivisten. Ein Attentat auf eine Polizeischule in Bogotá kostete 21 Kolumbianern das Leben.

"Wir werden alle besiegen"

Duque brach die Friedensgespräche mit der ELN daraufhin ab und kündigte harte Gegenschläge an: "Wir werden alle besiegen, die das Land mit Waffen bedrohen.“ Und schnell wurde klar, wo seine Politik hinsteuerten würde: in Richtung seines Vorbilds Álvaro Uribe, der stets auf Angriff statt Annäherung drängte.

Unter Uribe wurden in der Hochphase des Konflikts 5.000 Menschen außergerichtlich getötet. Ein riesiger Skandal wurde draus, als bekannt wurde, dass Soldaten Zivilisten als Guerilleros verkleidet hatten, um Prämien abzukassieren – sogenannte "falsos positivos". Der "New-York-Times" zufolge führte das Militär 2019 unter General Nicacio Martinez-Espinel wieder ähnliche Methoden ein.  Das Töten von Zivilisten wurde legitimiert, wenn es dem militärischen Zielen diente. Eine Parteifreundin von Duque warf dem Journalisten der "New-York-Times" daraufhin fälschlicherweise eine Nähe zur Farc vor. Der Journalist musste das Land verlassen, Menschenrechtler waren empört. Duque nahm die Richtlinie später zwar zurück, doch der Vorwurf den Friedensprozess zu sabotieren, ließ sich nicht mehr abschütteln.

Im August 2019 tötete ein Kommando der Luftwaffe versehentlich acht Kinder und Jugendliche, als sie Lager von Farc-Dissidenten bombardieren wollten. Weil die zivilen Opfer zunächst verschwiegen wurden, musste Verteidigungsminister Guillermo Botero Nieto sein Amt räumen. Es entstand der Eindruck, dass Duque seine Militär- und Regierungsmannschaft nicht unter Kontrolle hat. 

Auch bei der Aufarbeitung der Kriegsverbrechen zu Uribes Zeiten macht Duque eine eher zweifelhafte Figur: Zwar wurden 2.000 Ermittlungsverfahren um den Skandal der "falsos positivos" eingeleitet, doch ein Bericht von Human Rights Watch zeigte, dass vor allem ranghohe Militärs, die in Verbindungen zu den Verbrechen standen, nie belangt, sondern teils sogar befördert wurden.

Die Wut des Volkes

Duque ist mit den meisten seiner Versprechen gescheitert. Kürzlich sagte er in einem Interview mit dem kolumbianischen Nachrichtenmagazin "El Especatador": Er wolle immer für ein "gerechteres, sichereres und moderneres Kolumbien" arbeiten. Er rühmte sich wegen seiner guten Bilanz bei der Verbrechensbekämpfung. Die vielen Morde an Menschenrechts- und Umweltaktivisten widerlegen seine Sonntagsreden: Im Jahr 2019 wurden laut Global Witness allein 64 Umweltaktivisten ermordetet. Damit ist Kolumbien trauriger Spitzenreiter weltweit. Auch bei den anderen 12.825 Morddelikten im Jahr 2019 hat sich, anders als es Duque behauptet, nicht viel verbessert.

Die Wut gegen ihn und seine Politik entlud sich in den Protesten im November vergangen Jahres. Zehntausende Kolumbianer gingen gegen Duque auf die Straße. Neben den vielen Morden kritisierten die Demonstranten auch die Reformen, die das Renteneintrittsalter erhöhen und den Mindestlohn absenken sollten. Nachdem die Regierung Krawalle zunächst häufig mit Tränengas beantwortet hatte, rief Duque letztendlich zu einer "Großen Nationalen Konversation" (Gran Conversación Nacional) auf. 

Der ewige Schatten Álvaro Uribes

Ihm selbst hat das wenig genutzt: Im April diesen Jahres zeigten Umfragen des Magazins "Semana", dass Duques Beliebtheitswerte von 53,8 Prozent auf 27 Prozent gefallen waren. Er hat sein Vertrauen verspielt. Infolge der Corona-Pandemie steht Kolumbien jetzt vor einer der größten wirtschaftlichen Herausforderungen seiner jüngsten Geschichte.

Mehr denn je bräuchte Kolumbien einen Präsidenten, der die chronisch verfeindeten Lager zusammenführt. Duque hält sich weiterhin für den Richtigen: Er sei immer auf seine Gegner zugegangen, sagte er im Interview mit "El Especatador". Doch seine jüngsten Aussagen beweisen das Gegenteil: Als diese Woche sein Mentor Álvaro Uribe von einem Gericht wegen mutmaßlicher Zeugenbeeinflussung unter Hausarrest gestellt wurde, sagte Duque: "Ich bin von Uribes Unschuld überzeugt, und werde es immer sein." Die Entscheidung des Gerichts mache ihn traurig. Die mutmaßlichen Morde von Paramilitärs mit denen Uribe in Verbindung steht? Nebensache! Dass Duque damit auch die Unabhängigkeit der eigenen Justiz infrage stellt, zeigt einmal mehr, was seine versöhnliche Rhetorik wert ist: gar nichts.

Es handelt sich bei dem Kommentar um die Meinung des Autors. Sie muss nicht der Meinung der gesamten Redaktion entsprechen

Autor: Julian Limmer 

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