Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
Kolumbien |

Corona-Krise: Kolumbiens gefährdeter Frieden

Sechs tote Ex-Guerilleros seit Anfang März: Seit das Coronavirus die öffentliche Aufmerksamkeit beherrscht, gerät der Friedensprozess in Kolumbien zusehends aus dem Blickfeld. Rein finanzielle Lösungen helfen wenig im Kampf um Reintegration.

Durch das Coronavirus ist der Friedensprozess in Kolumbien in Gefahr. (Symbolbild: Graffiti in Bogotá) Foto: Jürgen Escher/Adveniat 

Juan Carlos Castillo Certijama war 29, als er mit mehreren Schüssen in Putumayo getötet wurde. Ex-Guerillero, Unterzeichner des Friedensvertrages, Bauer. Er ist das jüngste Opfer des Friedensprozesses – und vermutlich auch Opfer des Corona-Virus: Seit Ausbruch der Pandemie in Kolumbien Anfang März wurden sechs Ex-Guerilleros getötet – seit Abschluss der Friedensverhandlungen 2016 sind es 194 Todesopfer.

Das Coronavirus verdrängt den Friedensprozess in Kolumbien von der Agenda 

Seit Covid-19 die öffentliche Aufmerksamkeit beherrscht, wächst die Angst, dass der Friedensprozess aus dem Blickfeld gerät und die Zeit der Unsicherheit für politische Zwecke missbraucht werden könnte.

Zuletzt warnte die FARC-Partei davor, den Friedensprozess aus den Augen zu verlieren. Während sich der Großteil der Kolumbianer an die Einschränkungen während der Pandemie halte, blieben die „Mörder weiter unentdeckt und hinterlassen eine Blutspur“, sagte Carlos A. Lozada, Senatsabgeordneter der FARC-Partei am Freitag in einem Video auf Twitter.

Die Regierung Duque hat indes angekündigt, die Reintegration der ehemaligen Kämpfer trotz der Corona-Beschränkungen weiter voranzutreiben. So hat der nationale Rat zur Reintegration (CNR) Investitionen in drei neue Projekte für Ex-Kämpfer in Höhe von umgerechnet gut 6500 Euro bestätigt. Die Familien, die in den 24 von der Regierung zugewiesenen Territorien für Ex-Guerilleros leben, sollen weiterhin mit Lebensmitteln versorgt werden. Das teilte Emilio Archila mit, präsidialer Berater für Stabilisierung und Konsolidierung.

Guerilleros fordern Kolumbianer auf, zu Hause zu bleiben

Doch um den Frieden zu stabilisieren sind zwischenmenschliche Kontakte unerlässlich. Zwar sollen laut des Nationalen Rats der Wiedereingliederung (CNR) während der Ausgangssperre virtuelle Konferenzen abgehalten werden, doch den direkten Kontakt in den am stärksten von der Gewalt betroffenen Territorien wie Antioquia, Cauca und Nariño können virtuelle Konferenzen nicht ersetzen.

Seit dem Friedensvertrag sind besonders in diesen Gebieten Machtvakuen entstanden - Paramilitärs, Guerillas und bewaffnete Gruppen kämpfen dort immer wieder um die Vormachtstellung. In den Departamentos Nariño und Cauca sind laut Aussagen von Anwohnern in mehreren Ortschaften Ende März Flugblätter aufgetaucht. Darin kündigt die neugegründete FARC an, eigenmächtig dafür zu sorgen, dass die Anwohner die nationalen Corona-Beschränkungen einhalten.

Juan Ruiz* ist Obstbauer in Nariño. Eigentlich fährt er täglich mit seinem Motorrad zu den verschiedenen Farmen in der Region, um die Erntequalität zu überprüfen. Seit das Flugblatt aufgetaucht ist, hat er Angst, seiner Arbeit nachzugehen – obwohl Lebensmittelproduktion offiziell weiterhin nicht beschränkt ist. „Ich bin ja nicht mit dem Lastwagen unterwegs und habe keine offizielle Transportlizenz“, sagt er. „Ich laufe jedes Mal Gefahr, zum militärischen Ziel für diese Gruppen zu werden.“ Viele seiner Nachbarn hätten nun mit ähnlichen Problemen zu kämpfen, erzählt er.

Parteien nutzen die Pandemie aus

Doch es sind nicht nur die Morde an Ex-Guerilleros und die Machtkämpfe illegaler Gruppierungen, die den Friedensprozess derzeit gefährden. Auch das Parteienspektrum nutzt die Pandemie, um politische Grabenkämpfe für sich zu gewinnen.

Senatsabgeordnete María Del Rosario Guerra vom rechtskonservativen Centro Democrático, dem auch Präsident Ivan Duque angehört, hatte zuletzt vorgeschlagen, die Ausgangssperre zu nutzen, um Kokaanbau großflächig zu zerstören – anstatt wie im Friedensprozess vorgesehen, eine schrittweise freiwillige Abkehr vom illegalen Anbau zu unterstützen.

Antonio Sanguino von der Linkmitte-Partei Polo Democratico Alternativo kritisierte die Aussagen prompt: „Es scheint ein schlechter Witz zu sein, dass der Uribismus inmitten dieser Krise, in der sich die Menschheit befindet, eine Strategie des Todes vorschlägt.“ Das Centro Democrático sucht die Politik des ehemaligen Präsidenten Álvaro Uribe Vélez weiterzuführen, der als Gegner des Friedensprozesses gilt.

UNO ruft Kolumbien zu Frieden auf

Währenddessen hat die Uno Kolumbien dazu aufgerufen, den Frieden während Corona-Zeiten zu halten. Die ELN (Nationale Befreiungsarmee), die heute größte noch aktive Guerilla, ist dem Ruf gefolgt und hat eine einseitige Waffenruhe bis Ende April angekündigt. Außerdem hat die Gruppe die Regierung Duque aufgefordert, die Friedensverhandlungen wiederaufzunehmen.

Nach einem Attentat auf eine Polizeischule in Bogotá im Januar 2019 hatte die Regierung die Gespräche mit der Guerilla abgebrochen. Der Präsident hat das jetzige Angebot ausgeschlagen: Gespräche werde es nur dann geben, wenn die ELN eine unbeschränkte Waffenruhe anbiete.

*Name geändert 

Autorin: Antonia Schaefer 

Weitere Nachrichten zu: Politik, Soziales

Cookie Einstellungen

Erforderliche Cookies sind für den reibungslosen Betrieb der Website zuständig, indem sie Kernfunktionalitäten ermöglichen, ohne die unsere Website nicht richtig funktioniert. Diese Cookies können nur über Ihre Browser-Einstellungen deaktiviert werden.

Anbieter:

Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.

Datenschutz

Marketing-Cookies werden verwendet, um Besuchern auf Webseiten zu folgen. Die Absicht ist, Anzeigen zu zeigen, die relevant und ansprechend für den einzelnen Benutzer sind und daher wertvoller für Publisher und werbetreibende Drittparteien sind.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz

Statistik-Cookies dienen der Analyse und helfen uns dabei zu verstehen, wie Besucher mit unserer Website interagieren, indem Informationen anonymisiert gesammelt werden. Auf Basis dieser Informationen können wir unsere Website für Sie weiter verbessern und optimieren.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz