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Coronavirus in Ecuador: Die Toten auf den Straßen von Guayaquil

Bilder von Leichen auf den Straßen von Guayaquil gingen letzte Woche um die Welt. Doch lange nicht alle Toten waren Covid-19 Opfer, sondern auch ganz „normal“ Verschiedene. Etliche Bestattungsunternehmen hatten ihre Arbeit eingestellt, sodass es zu traumatischen Zuständen kam. Dafür hat sich Ecuadors Vizepräsident Otto Sonnenholzner entschuldigt und Besserung gelobt. 

 

Ecuadors Hafenmetropole Guayaquil trifft das Coronavirus besonders stark (Symbolbild). Foto: Achim Pohl/ Adveniat

"Leichen, die von den Angehörigen auf die Straße gelegt werden, Leichen, die im Haus verbleiben, weil die Bestattungsunternehmen nicht hinterherkommen, ich kenne mehrere Fälle", sagt Jorge Acosta. Er lebt in Guayaquil, Ecuadors so hart von Coronavirus getroffen Pazifik-Metropole. Das Krisenmanagement der Regierung sei chaotisch, die Zahlen widersprüchlich; kurz Acosta glaubt nicht mehr den offiziellen Statistiken. "Wir haben es mit Dutzenden von Toten zu tun - ob sie an Covid-19 verstorben sind oder nicht, weiß niemand", so der Gewerkschaftskoordinator, der in der Stadt gut vernetzt ist. 


Zweifel an der offiziellen Statistik hat auch Juan Cuvi, ecuadorianischer Gesundheitsexperte. "Ich weiß von einer Familie, die hat allein fünf Covid-19-Verstorbene zu beklagen. Ein Freund von mir ist von Krankenhaus zu Krankenhaus gefahren, ohne das ihm geholfen wurde. Er ist im Auto verstorben - ich habe Zweifel an den offiziellen Zahlen". Hinzu kommt die Flut der Bilder in den sozialen Netzwerken, ein Video der Bürgermeisterin von Guayaquil, Cynthia Viteri Jiménez, die die Regierung aufforderte für den Abtransport der Leichen zu sorgen. Das Horrorbild der Zustände in der größten Stadt des Landes war komplett. 

Panikmache in einer chaotischen Situation 

„In Guayaquil hat das Krisenmanagement nicht funktioniert, die Zustände sind chaotisch, aber es gab auch Fake News und das Video der Bürgermeisterin, die der Regierung den schwarzen Peter zuschob, ist in erster Linie Beleg für die eigene Inkompetenz“, kritisiert Alberto Acosta. Er spielt damit auf den seit langem schwellenden Konflikt zwischen der größten Stadt des Landes, Guayaquil, und der Hauptstadt Quito an. Die lokalen Behörden hatten sowohl bei der Durchsetzung der Quarantäne als auch bei der Vorbereitung der Stadt auf den medizinischen Ausnahmezustand Fehler gemacht. Zur Panik trugen auch Todeszahlen wie sie die lokale Zeitung „Expreso“ lancierte bei, die am Wochenende über 700 bis 800 Corona-Toten berichtete – basierend auf Aussagen, Fotos und Schätzungen. Daten, die kaum überprüfbar sind und im Kontrast zu den offiziellen Zahlen stehen.

Das Gesundheitsministerium gab gestern 3747 positiv Getesteten bekannt, wobei 2534 Fälle auf die Provinz Guayas mit der Metropole Guayaquil entfielen. 191 Menschen starben an Covid-19 laut der offiziellen Statistik und bisher wurden 13039 Test gemacht. Aus der niedrigen Testzahl resultiert aber auch wie Präsident Lenín Moreno zugab, dass die Dunkelziffer und eventuell auch die Zahl der Toten höher liegen könnte.

Es fehlt an Corona-Tests und Schutzbekleidung 

Hintergrund ist, dass es in Ecuador an Tests und auch an Geräten fehlt, um die Tests auszuwerten. Die gesamte Kapazität beläuft sich auf 1500 Tests pro Tag, so die Behörden. Für Gesundheitsexperte Juan Cuvi ein hausgemachtes Drama. „Es gibt zu wenig Tests, zu wenig Masken und Schutzkleidung und bis dahin hat die Regierung die privaten Krankenhäuser nicht verpflichtet Patienten aufzunehmen. Das öffentliche System ist aber an die Grenzen gestoßen, nahezu kollabiert", so Cuvi.

Kühlcontainer zur Aufbewahrung von Leichen sind mittlerweile an vielen Krankenhäusern aufgestellt worden, auch eine Einsatztruppe zum Abtransport der Leichen wurde ins Leben gerufen. Das wurde nötig, weil nur 15 Prozent der Beerdigungsinstitute arbeiten. Angst sich zu infizieren, ist der zentrale Grund – unter anderem, weil Schutzmaterial knapp ist. Das habe, so Vizepräsident Otto Sonnenholzner die Krise mit den traumatischen Bildern ausgelöst. Für die hat sich der Politiker öffentlich entschuldigt. 

Experten warnen vor vielen Corona-Todesfällen

Doch die Perspektiven sind düster. Experten haben 2500 bis 3000 Covid-19 Opfer für die kommenden Wochen allein für Guayaquil prognostiziert. Wie das öffentliche Gesundheitssystem, dessen Kapazitäten derzeit händeringend erweitert werden soll, wozu auch Ärzte aus anderen Landesteilen angeworben werden, mit den steigenden Patientenzahlen fertig werden soll, steht in den Sternen. Ein Grund dafür ist, dass auf immer mehr private Kliniken statt öffentliche gesetzt wurde – de facto ein schleichendes Privatisieren. Das wächst sich mitten in der Corona-Krise zu einem Problem aus, denn bisher ist nicht klar, ob die privaten Kliniken ihre Türen öffnen, wenn die Zahl der Covid-19 Patienten weiter steigt.

"Die Regierung", so Juan Cuvi und Alberto Acosta unisono, "will sich nicht mit den privaten Kliniken anlegen". Dahinter, so die beiden Analysten, ständen einflussreiche Privatinteressen. Das könnte genauso zum Problem werden wie die immer wieder berichteten Verstöße gegen die Quarantäne. Ein Grund, weshalb die Regierung in Quito nun Maskenpflicht in der Öffentlichkeit angeordnet hat und die Zirkulation von privaten Fahrzeugen beschränkt hat. 

Autor: Knut Henkel 

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