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Ecuadors Guayaquil: Drehscheibe des Corona-Virus

Ecuador ist das Italien Lateinamerikas. Mit Ausgangssperre, Sperrstunde und Militärpräsenz versucht die Regierung in Ecuador die Verbreitung des Corona-Virus einzudämmen. Dabei liegt ein zentraler Fokus auf der Provinz Guayas mit der Hafenstadt Guayaquil. Rund um die ökonomische Drehscheibe des Landes gibt es die meisten Infizierten – das ist kein Zufall. 

Ecuadors ökonomischer Motor Guayaquil entwickelt sich zur Drehscheibe des Corona-Virus. Foto: Achim Pohl/ Adveniat

Jorge Acosta hält sich an die staatlichen Vorgaben. „Ich bleibe zuhause, arbeite hier, aber das Privileg haben längst nicht alle Menschen in Ecuador“, so der Gewerkschaftskoordinator aus Guayaquil. Astac heißt die Gewerkschaft der Kleinbauern und Plantagenarbeiter mit Sitz in Ecuadors ökonomischer Drehscheibe, der Hafenstadt Guayaquil. Dort wird das Gros der Bananen, aber auch Kakao und andere Exportprodukte umgeschlagen und in Guayaquil spielt sich fast alles draußen ab. „Wir sind eine Stadt der Zuwanderer, die Hälfte der drei Millionen Einwohner arbeitet im informellen Sektor. Wer nicht arbeitet, hungert“, so lautet die einfache Logik laut Acosta.

Mit dem Militär gegen das Corona-Virus 

Das ist ein wesentlicher Grund, weshalb die Maßnahmen der Regierung in Quito derzeit mit Militärgewalt durchgesetzt werden. 3300 Militärs und Polizeibeamte sind in Guayaquil und der umliegenden Provinz Guayas im Einsatz, um durchzusetzen was Präsident Lenín Moreno und die Behörden verfügt hat: Ausgangssperre ab 16 Uhr bis in die frühen Morgenstunden und den sanitären Notzustand über die Stadt und die Provinz Guayas.

Das ist alternativlos, denn in der Hafenstand gab es am Donnerstag (26. März) laut den Gesundheitsbehörden 678 Infektionsfälle am Conronavirus, in der Provinz Guayas sind es genau 1000. Landesweit waren 1382 Menschen positiv auf Covid-19 getestet worden, in 22 der 24 Provinzen des Landes. Bis dato ist die Pandemie auf eine relativ kleine Region Ecuadors konzentriert. „Nun tut die Regierung alles, um die Ausweitung zu unterbinden“, erklärt der Gesundheitsexperte Juan Cuvi. Alternativlos sei das, so der Direktor der Gesundheitsorganisation Donum, der die Uneinsichtigkeit der lokalen Verantwortlichen kritisiert: „Sie haben den Weisungen der Zentralregierung in Quito nur zögerlich Folge geleistet. Die Maßnahmen zwischen Stadt und Nationalregierung wurden schlecht abgestimmt“.

Ein Indiz für den traditionellen Zwist zwischen den beiden Millionenmetropolen des Landes: auf der einen Seite das kalte, auf 2850 Meter liegende, indigen geprägte Quito, auf der anderen die weltoffene Hafenstadt, die sich so ungern Vorschriften machen lässt. Das hat dazu geführt, dass die Bürgermeisterin Cynthia Viteri Jiménez bei der Umsetzung der Maßnahmen lax vorgegangen sein soll, so Kritiker. Sie habe dem Druck der einflussreichen Unternehmer der Region nachgegeben, um deren Geschäfte nicht lahmzulegen, so heißt es.

Fehleinschätzung mit Folgen

 „Das ist ein zentraler Grund, weshalb Guayaquil zur Drehscheibe des Corona-Virus mutieren kann“, befürchtet Cuvi und weist darauf hin, dass das Gesundheitssystem der Millionenstadt bereits kurz vor dem Kollaps steht. Ärzte, die ohne Maske, Kittel und Handschuhe arbeiten mussten, habe es bereits gegeben. Ärzte, die sich infiziert hätten und gestorben sind, auch, so Jorge Acosta. „Von Patienten, die erkrankt an Covid-19 im Gang liegen, habe ich durch Bekannte gehört“, so der Gewerkschaftskoordinator. „Das Krisenmanagement ist lückenhaft, es fehlt an Schutzmaterial, Tests und Betten, so berichten Bekannte aus den Hospitälern“, sagt er.  Laut dem Gesundheitsministerium haben sich bisher 24 Ärzte infiziert und laut den offiziellen Statistiken stehen in Ecuador 1183 für Intensivmedizin zur Verfügung – für 17,3 Millionen Einwohner. Eine

Parallele zu vielen Ländern in der Nachbarschaft, aber auch zu Italien und Spanien. „Wir sind nicht vorbereitet, sind durch Korruption im Gesundheitssystem gebeutelt und durch einen falschen Ansatz“, klagt Juan Cuvi.

Sparkurs im Gesundheitswesen könnte sich rächen

Prävention und die flächendeckende Präsenz seien zugunsten eines kurativen Ansatzes und der fortschreitenden Privatisierung von Gesundheitseinrichtungen zurückgedrängt worden, kritisiert auch Alberto Acosta, Ökonom und Kritiker der neoliberalen Kurswechsels der Regierung von Lenín Moreno. Das könnte sich rächen, denn während es bei den Krankenhausbetten unter den WHO-Empfehlungen rangiert, liegt es bei den Ärzten pro Tausend Einwohner nur knapp über dem WHO-Mindeststandard. Die sind wie auch in Europa ungleich verteilt und die ländlichen Gebiete oft nicht ausreichend versorgt. Eine Tendenz in der ganzen Region, aber in Ecuador hat der Sparkurs unter Präsident Lenín Moreno, seit Mai 2017 im Amt, auch negative Folgen im Gesundheitssystem.

Nach Vorgaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) wurde 2018 die Zahl der Staatsbediensteten rigoros reduziert. Unter den etwa Menschen, die blaue Briefe von der Regierung bekamen, waren auch Mitarbeiter im Gesundheitssektor. Das und eine wenig kohärente Gesundheitspolitik in der Vergangenheit könnte sich nun rächen.

Derzeit versucht die Regierung mit Notmaßnahmen gegenzusteuern, wozu auch die Erweiterung der Klinikkapazitäten in Guayaquil und der Bau neuer Einrichtungen gehört. „Das können wir aber nicht wie in China in 10 Tagen realisieren – wir befinden uns im Wettlauf mit der Zeit“, so Cuvi. Oberste Maxime ist es derzeit zu verhindern, dass der Virus sich von Guayaquil aus in die Nachbarprovinzen vorarbeitet.

Autor: Knut Henkel 

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