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Kolumbien |

Coca-Corona: Wie es um die Kokain-Industrie in der Pandemie steht

Corona hat die Weltkonjunktur einbrechen lassen, doch das Drogenbusiness läuft weiter. Die Kokain-Industrie hat sich besser an die aktuelle Situation angepasst als viele andere Branchen. Das hat die internationale Journalisten-Organisation OCCRP einen Monat lang in Lateinamerikas und Europas Strafverfolgungsbehörden und innerhalb der Drogenindustrie recherchiert.

Kokafeld in Kolumbien. Foto: Jürgen Escher/ Adveniat 

Kolumbiens Kokain-Industruie, die jährlich rund 2.000 Tonnen des Rauschmittels herstellt und zig Milliarden Dollar erwirtschaftet, läuft trotz Corona-Pandemie weiter.  Doch nicht in allen Regionen gleich. Laut OCCRP-Recherchen ist das Bild in dem Land, wo 70 Prozent des weltweiten Kokains produziert werden, gespalten. Mancherorts geht es weiter wie gewohnt, während die Produktion in anderen Regionen brachliege: So sei das Geschäft in Catatumbo, einer Region nahe der venezolanischen Grenze, „praktisch gelähmt“, erklärte Giovanny Mejía Cantor, Journalist aus Ocaña, der Hauptstadt der Region. Normalerweise würden hier in einem Jahr genug Kokablätter produziert, um 84 Tonnen reines Kokain herzustellen. Das habe sich durch Covid-19 geändert. „Die Gemeinden haben aus Angst vor dem Coronavirus Blockaden errichtet, um zu verhindern, dass Menschen und so das Virus in ihr Dorf gelangen“, so Mejía gegenüber den Journalisten der OCCRP. Das habe den Transport von Rohstoffen oder Chemikalien, die man für die Kokainproduktion benötige, zum Erliegen gebracht.

Clan del Golfo greift auf Kokain-Rücklagen zurück

Mitglieder des kolumbianischen Clan del Golfo verrieten gegenüber OCCRP, sie hätten auf Vorräte zurückgreifen können, die sie vor der Pandemie angelegt hatten. Laut einem Mitglied des Clans, das „Raúl“ genannt werden will, sollen in Urabá, im Nordwesten Kolumbiens, etwa 40 bis 45 Tonnen verarbeitetes Kokain gelagert sein. „Die Bestände befinden sich an Stränden nahe Panama und Bananenplantagen im Dschungel. Die Verstecke sind überall“, sagte „Raúl“ gegenüber OCCRP. Außerdem lieferten kleinere Farmen ohne große Belegschaft weiterhin Kokablätter.

Schmuggel auf alten und neuen Wegen

Üblicherweise nutzten Schmuggler kleine Schnellboote sowie Fischereifahrzeuge und U-Boote, um ihre Ware in die USA zu bringen. Der Lockdown hat diese Logistik allerdings erschwert. Stattdessen würden wieder ältere, langsamere Routen genutzt, die in mehrere Etappen aufgeteilt sind. Basierend auf mehreren Quellen in Nordkolumbien konnte OCCRP ungefähr sechs neue oder wiederbelebte Routen ausfindig machen. Dazu gehören Routen nach Panama durch indigene Gebiete und das Tapón del Darién, einem dichten, bergigen Dschungel an der Grenze. 

Der Export nach Europa sei weniger durch Corona gestört. Denn das Kokain gelange in der Regel in legalen Luft- und Seeladungen an sein Ziel. In den großen nordeuropäischen Häfen wie Rotterdam und Antwerpen komme nach Angaben der örtlichen Behörden nach wie vor Kokain an, das in Lieferungen legaler Konsumgüter versteckt sei. Insbesondere in frischen Waren wie Obst könnten die Drogen ungehindert transportiert werden. So ist beispielsweise die kolumbianische Bananenindustrie von lokalen Straßensperren oder ähnlichem ausgenommen und kann ungehindert weiterarbeiten.

Auch Südamerikas dritte Hauptexportroute sei noch aktiv, so Lincoln Gakyia, ein Staatsanwalt aus São Paulo, der sich dem Kampf gegen die Kriminalität verschrieben hat. Auf dieser Route werde kolumbianisches, peruanisches und bolivianisches Kokain über Land gebracht und dann vom brasilianischen Hafen Santos über den Atlantik geschickt.

PR für Mexikos Kartelle

Mexikanische Kartelle haben die Corona-Krise als PR-Gelegenheit genutzt. Menschen, die mit den Kartellen in Verbindung stehen, einschließlich der Tochter des inhaftierten Sinaloa-Kartellchefs Joaquín „El Chapo“ Guzmán, haben Lebensmittel und andere wichtige Hilfsgüter öffentlich an die Armen verteilt. Sie haben so ein positives Bild geschaffen und Fürsprecher gewonnen. Unterdessen hält die Drogengewalt an und fordert durchschnittlich 80 Todesopfer pro Tag.

Das Ergebnis des anhaltenden Kokainhandels in der Corona-Krise könnte eine nachhaltige Stärkung der organisierten Kriminalität sein – so die Einschätzung von Marco Sorrentino, Leiter der Anti-Mafia-Abteilung der italienischen Finanzpolizei. Denn seitdem Italien seine Landesgrenzen dichtgemacht hat, lassen Mafia-Organisaationen das Kokain hauptsächlich ins spanische Algeciras oder Barcelona schicken. „Von dort aus transportieren sie es in Lastwagen mit frischem Obst oder Sojamehl in das übrige Europa und nach Italien“, sagte Sorrentino. „Was uns jedoch am meisten beunruhigt, ist, dass legale Unternehmen möglicherweise in Not sind und von Mafia-Organisationen angesprochen werden, die vorhaben, Minderheitsaktionäre zu werden“, so der Leiter der Anti-Mafia-Abteilung.

Diese Geschichte wurde in Zusammenarbeit mit der niederländischen Zeitung Algemeen Dagblad und VerdadAbierta.com in Kolumbien erstellt. Zusätzliche Berichterstattung von Koen Voskuil, Raffaele Angius, Bibiana Ramirez, Juan Diego Restrepo E. und Luis Adorno.
Quelle: https://www.occrp.org/en/coronavirus/what-lockdown-worlds-cocaine-traffickers-sniff-at-movement-restrictions

Übersetzung: Laurine Zienc

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