Brasilien: Missionar verliert erneut Funai-Posten für unkontaktierte Indigene
Der evangelikale Missionar und Anthropologe Ricardo Lopes Dias wurde erneut seines Postens als Leiter der Abteilung für unkontaktierte Völker bei der Indigenenbehörde Funai enthoben. Er soll unter anderem die Corona-Schutzbestimmungen missachtet haben.
Das brasilianische Justizministerium hat am Freitag, 27. November 2020, den evangelikalen Missionar und Anthropologen Ricardo Lopes Dias seines Postens als Leiter der Abteilung für unkontaktierte Völker bei der Indigenenbehörde Funai enthoben. Indigenenvertreter hatten Lopes Dias beschuldigt, die Schutzbestimmungen gegen Covid-19 missachtet und Kontakt zu den isoliert lebenden Indigenen gesucht zu haben. Zudem soll er Aktivitäten von Missionaren der New Tribes Mission (NTM) in den indigenen Gebieten unterstützt haben. An seine Stelle tritt Marcelo Fernando Batista Torres, der bisher im Gliedstaat Acre für die Funai tätig war.
Missachtung der Corona-Schutzbestimmungen
Die Ernennung von Lopes Dias durch Präsident Jair Messias Bolsonaro zu Beginn des Jahres hatte zu Protesten von Indigenenorganisationen in der Amazonasregion geführt. Lopes Dias war zuvor mehr als zehn Jahre lang aktives Mitglied der New Tribes Mission gewesen, einer evangelikalen Missionsbewegung mit Fokus auf isoliert lebenden Völkern. Zwar hatte Lopes Dias angegeben, nach seiner Ernennung die Mitarbeit bei NTM aufgegeben zu haben. Indigenenvertreter hatten sich jedoch mehrfach bei Brasiliens Justiz über die fortlaufende Arbeit der Missionare besonders im Schutzgebiet Vale do Javari beschwert.
So war die Ernennung von Lopes Dias bereits Ende Mai durch ein Bundesgericht aufgehoben worden. Allerdings hatte der Oberste Gerichtshof Anfang Juni die Absetzung von Lopes Dias für ungültig erklärt. Im August soll Lopes Dias zweimal mit Hilfe von Soldaten des brasilianischen Heeres versucht haben, in Indigenengebiete zu gelangen. Dabei seien jedoch die Quarantäneauflagen nicht beachtet worden.
New Tribes Mission für den Tod Indigener verantwortlich
Die Missionarsorganisation NTM war 1942 in Florida gegründet worden. In Deutschland ist die Organisation, die weltweit über mehr als 3.000 Missionare verfügen soll, als "Ethnos360" aktiv. Ihre Arbeit ist auf bisher unkontaktierte Völker ausgerichtet, denen das Christentum vermittelt werden soll. In der Vergangenheit wurde NTM-Missionaren mehrfach vorgeworfen, den Tod von Indigenen durch die Einschleppung von Krankheiten verschuldet zu haben. In den 70er und 80er Jahren sollen sie für den Tod von Mitgliedern des paraguayischen Nomadenvolkes Ayoreo verantwortlich gewesen sein. In den 90er Jahren wurden die Missionare aus dem Amazonas-Teilstaat Para ausgewiesen, nachdem Indigene vom Volk der Zo'e verstarben.
114 unkontaktiert lebende indigene Völker
Die Abteilung für unkontaktierte Völker bei der Funai hat den Auftrag, die geschätzt 114 unkontaktiert lebenden Völker Brasiliens zu beschützen. Dafür sind 11 Schutzzonen mit 19 Funai-Stützpunkten eingerichtet worden. Allerdings kommt es immer wieder zu Angriffen von illegalen Goldsuchern, Jägern und Drogenbanden auf die Indigenen und die Stützpunkte der Funai. In manchen Regionen werden diese durch Polizisten und Soldaten beschützt.